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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Da? vn'gamu'ne Jahr.

vorzuschlagenden indirecten Steuern nicht bewilligt, so wird sicher auf das Tabaks-
Monopol zurückgegriffen werden, welches nichts weniger als eine wirthschaftliche
Unmöglichkeit ist, und dessen Ertrag allein hinreichen würde, das Problem der
deutscheu Steuerreform vollständig der Lösung entgegenzufahren.

Eine wichtige Episode in diesem Zusammenhange bildete am 6. April das
Entlassungsgesuch des Reichskanzlers, welches durch einen Vorgang bei der Be¬
rathung der Stempelsteuer auf Quittungen veranlaßt, aber vom Kaiser nicht
angenommen wurde. Diese Krisis hatte ihre Ursachen nicht allein im Verhal¬
ten von Vertretern nichtpreußischer Regierungen bei der Berathung der Be¬
steuerung von Quittungen über PostVorschüsse und Postanweisungen, sondern
zugleich im Benehmen hoher preußischen Beamten bei dieser Gelegenheit. Der
Kanzler dachte dabei nicht an die Herbeiführung einer Verfassungsänderung, son¬
dern an eine Verbesserung der Geschäftsordnung des Bundesrathes, d. h. an eine
Verlegung der Vorverhandlungen über die Gegenstünde aus deu Ausschüssen ins
Plenum, wodurch verhindert werden sollte und nunmehr auch verhindert ist,
daß, wie bisher, Stockungen und Mißverhältnisse in den Abstimmungen ein¬
traten.

Von größter Bedeutung war die Wendung, welche der sogenannte Cultur¬
kampf in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres nahm. Zwischen der
Preußischen Regierung und Vertretern des Papstes war bereits seit längerer
Zeit über eine Verständigung betreffs der Maigesetze verhandelt worden. Diese
Verhandlungen waren wegen zu weit gehender Ansprüche der Curie ohne Er¬
folg gewesen und von preußischer Seite abgebrochen worden. Da. veröffent¬
lichte plötzlich am 15. März die "Germania" ein Breve des Papstes an einen
der abgesetzten Bischöfe, in welchem derselbe den Kernpunkt der Maigesetzgebung,
die Pflicht der Bischöfe, der Regierung die von ihnen zu berufenden Priester anzu¬
zeigen, bewilligen zu köunen erklärte. Diese Erklärung war aber so unbe¬
stimmt gehalten, daß man sofort erkennen mußte, sie habe nur den Zweck,
die Politik der Curie vor der Welt und namentlich vor den Katholiken als zum
Friede:? geneigt erscheinen zu lassen. Ernstlich dachte man, wie die später ver¬
öffentlichten Verhandlungen zwischen deu preußischen And den päpstlichen Be¬
vollmächtigten mit voller Klarheit darthaten, im Vatican nicht an Nachgeben.
Es folgte nun der Staatsmiuisterialbeschluß vom 17. März, der dahin ging,
die Regierung werde sich bestreben, von der Landesvertretung Vollmachten zu
milderer Anwendung der Maigesetze zu erlangen, sobald den Absichten des
Papstes durch thatsächliche Befolgung der Anzeigepflicht seitens der katholischen
Geistlichkeit praktisch Folge gegeben worden sei. Dieser Beschluß wurde aber
von der Curie mißfällig aufgenommen, und dieselbe fand sich schließlich bewo¬
gen, die im Breve vom 24. Februar ertheilte Zusage zurückzunehmen, Sie


Da? vn'gamu'ne Jahr.

vorzuschlagenden indirecten Steuern nicht bewilligt, so wird sicher auf das Tabaks-
Monopol zurückgegriffen werden, welches nichts weniger als eine wirthschaftliche
Unmöglichkeit ist, und dessen Ertrag allein hinreichen würde, das Problem der
deutscheu Steuerreform vollständig der Lösung entgegenzufahren.

Eine wichtige Episode in diesem Zusammenhange bildete am 6. April das
Entlassungsgesuch des Reichskanzlers, welches durch einen Vorgang bei der Be¬
rathung der Stempelsteuer auf Quittungen veranlaßt, aber vom Kaiser nicht
angenommen wurde. Diese Krisis hatte ihre Ursachen nicht allein im Verhal¬
ten von Vertretern nichtpreußischer Regierungen bei der Berathung der Be¬
steuerung von Quittungen über PostVorschüsse und Postanweisungen, sondern
zugleich im Benehmen hoher preußischen Beamten bei dieser Gelegenheit. Der
Kanzler dachte dabei nicht an die Herbeiführung einer Verfassungsänderung, son¬
dern an eine Verbesserung der Geschäftsordnung des Bundesrathes, d. h. an eine
Verlegung der Vorverhandlungen über die Gegenstünde aus deu Ausschüssen ins
Plenum, wodurch verhindert werden sollte und nunmehr auch verhindert ist,
daß, wie bisher, Stockungen und Mißverhältnisse in den Abstimmungen ein¬
traten.

Von größter Bedeutung war die Wendung, welche der sogenannte Cultur¬
kampf in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres nahm. Zwischen der
Preußischen Regierung und Vertretern des Papstes war bereits seit längerer
Zeit über eine Verständigung betreffs der Maigesetze verhandelt worden. Diese
Verhandlungen waren wegen zu weit gehender Ansprüche der Curie ohne Er¬
folg gewesen und von preußischer Seite abgebrochen worden. Da. veröffent¬
lichte plötzlich am 15. März die „Germania" ein Breve des Papstes an einen
der abgesetzten Bischöfe, in welchem derselbe den Kernpunkt der Maigesetzgebung,
die Pflicht der Bischöfe, der Regierung die von ihnen zu berufenden Priester anzu¬
zeigen, bewilligen zu köunen erklärte. Diese Erklärung war aber so unbe¬
stimmt gehalten, daß man sofort erkennen mußte, sie habe nur den Zweck,
die Politik der Curie vor der Welt und namentlich vor den Katholiken als zum
Friede:? geneigt erscheinen zu lassen. Ernstlich dachte man, wie die später ver¬
öffentlichten Verhandlungen zwischen deu preußischen And den päpstlichen Be¬
vollmächtigten mit voller Klarheit darthaten, im Vatican nicht an Nachgeben.
Es folgte nun der Staatsmiuisterialbeschluß vom 17. März, der dahin ging,
die Regierung werde sich bestreben, von der Landesvertretung Vollmachten zu
milderer Anwendung der Maigesetze zu erlangen, sobald den Absichten des
Papstes durch thatsächliche Befolgung der Anzeigepflicht seitens der katholischen
Geistlichkeit praktisch Folge gegeben worden sei. Dieser Beschluß wurde aber
von der Curie mißfällig aufgenommen, und dieselbe fand sich schließlich bewo¬
gen, die im Breve vom 24. Februar ertheilte Zusage zurückzunehmen, Sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/11>, abgerufen am 16.05.2024.