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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Chr. Gottfried Körner und I. G. Göschen.

jener Tage, bot einen neuen komischen Roman "Vetter Jacobs Launen" an, der,
nach dem Erfolge, welchen sein "Huldreich Wurmsamen von Wurmfeld" gehabt,
goldne Berge versprach. Allerhand kleinerer Verlag, welcher den Partnern in dem
autorenreichen Leipzig in die Hände lief, war gleichfalls nicht zu verschmähen,
selbst eine briefliche Anweisung für "angehende Gelehrte" über "die Kunst sein
Glück in der Welt zu machen" wurde gedruckt.

So viele große und kleine Unternehmungen auf einmal erforderten freilich
Capital. Göschen mußte Freund Körner scharf beim Worte nehmen und auf
rasche Einzahlung der verheißenen Summe dringen, welche 1786 sich schon auf
4000 Thaler gesteigert hatte. Körner, welcher vom Glücke des Buchhandels
falsche Vorstellungen hatte, war wohl von vornherein etwas erstaunt über die
Schnelligkeit, mit der die von ihm eingesandten Gelder verschwanden, und über
die Langsamkeit, mit welcher sich Einnahmen ergaben. Zunächst ward ihm klar,
daß die Bücher rascher geplant als hergestellt und ins Publieum gebracht werden.
Sodann, daß die Schwüre der Autoren, wie Goethe einmal meint, von den
Göttern angesehen werden müssen wie die der Liebenden. Zu hypochondrischen
Betrachtungen war Körner aber vor der Hand durchaus nicht gestimmt -- es war
die herrlichste Zeit seines Lebens. Der ersten Begegnung mit Schiller auf dem
Gute Kahnsdorf war im August in Leipzig die fröhliche Hochzeit mit seiner
Minna gefolgt, im September fiedelte Schiller nach Dresden über, Körner,
dessen "Glückseligkeit einen Gipfel erreicht hatte, der ihn schwindeln machte," und
der das neue, schöne Leben, das er um sich geschaffen, mit vollen Zügen genoß,
hatte nichts von kleinlicher Aengstlichkeit in seinem Wesen. Er "schaffte Rath"
für alle die verschiedenen äußern Bedürfnisse, die es jetzt zu gleicher Zeit zu
befriedigen galt, und hoffte zuversichtlich auf goldene Ernten, welche seine und
seines Leipziger buchhändlerischen Compagnons fleißige Aussaat belohnen sollten.

Im demselben Jahre 1786 nun, wo die fünf engverbundenen Gottfried
und Minna Körner, Dorothea Stock, Schiller und Ferdinand Huber im schönen
Dresden ein idyllisches Dasein führten und, wie aus einem spätern Briefe
Schillers hervorgeht, mehr "schwelgten" als arbeiteten, bot sich der neuen Hand¬
lung in Leipzig das in idealem Sinne bedeutendste und herrlichste Verlagswerk
dar, welches im gestimmten damaligen Deutschland zu finden war. Goethe,
der seit zehn Jahren in der Literatur, soweit der Meßkatalog die Literatur
vorstellte, nur mit den Neudrucken und Nachdrucker seiner vor 1776 erschiene¬
nen Jugenddichtungen vertreten gewesen war, von dem das "große Publieum"
nichts mehr wußte und erwartete, gedachte seine Schriften zu sammeln. Die
Weimarischen Anknüpfungen Göschens erwiesen sich jetzt als günstig und frucht¬
reich, die junge Leipziger Handlung kam für die Herausgabe dieser unschätzbaren
poetischen Werke in Frage. Aber mit den bisher zu Gebote stehenden Mitteln


Chr. Gottfried Körner und I. G. Göschen.

jener Tage, bot einen neuen komischen Roman „Vetter Jacobs Launen" an, der,
nach dem Erfolge, welchen sein „Huldreich Wurmsamen von Wurmfeld" gehabt,
goldne Berge versprach. Allerhand kleinerer Verlag, welcher den Partnern in dem
autorenreichen Leipzig in die Hände lief, war gleichfalls nicht zu verschmähen,
selbst eine briefliche Anweisung für „angehende Gelehrte" über „die Kunst sein
Glück in der Welt zu machen" wurde gedruckt.

So viele große und kleine Unternehmungen auf einmal erforderten freilich
Capital. Göschen mußte Freund Körner scharf beim Worte nehmen und auf
rasche Einzahlung der verheißenen Summe dringen, welche 1786 sich schon auf
4000 Thaler gesteigert hatte. Körner, welcher vom Glücke des Buchhandels
falsche Vorstellungen hatte, war wohl von vornherein etwas erstaunt über die
Schnelligkeit, mit der die von ihm eingesandten Gelder verschwanden, und über
die Langsamkeit, mit welcher sich Einnahmen ergaben. Zunächst ward ihm klar,
daß die Bücher rascher geplant als hergestellt und ins Publieum gebracht werden.
Sodann, daß die Schwüre der Autoren, wie Goethe einmal meint, von den
Göttern angesehen werden müssen wie die der Liebenden. Zu hypochondrischen
Betrachtungen war Körner aber vor der Hand durchaus nicht gestimmt — es war
die herrlichste Zeit seines Lebens. Der ersten Begegnung mit Schiller auf dem
Gute Kahnsdorf war im August in Leipzig die fröhliche Hochzeit mit seiner
Minna gefolgt, im September fiedelte Schiller nach Dresden über, Körner,
dessen „Glückseligkeit einen Gipfel erreicht hatte, der ihn schwindeln machte," und
der das neue, schöne Leben, das er um sich geschaffen, mit vollen Zügen genoß,
hatte nichts von kleinlicher Aengstlichkeit in seinem Wesen. Er „schaffte Rath"
für alle die verschiedenen äußern Bedürfnisse, die es jetzt zu gleicher Zeit zu
befriedigen galt, und hoffte zuversichtlich auf goldene Ernten, welche seine und
seines Leipziger buchhändlerischen Compagnons fleißige Aussaat belohnen sollten.

Im demselben Jahre 1786 nun, wo die fünf engverbundenen Gottfried
und Minna Körner, Dorothea Stock, Schiller und Ferdinand Huber im schönen
Dresden ein idyllisches Dasein führten und, wie aus einem spätern Briefe
Schillers hervorgeht, mehr „schwelgten" als arbeiteten, bot sich der neuen Hand¬
lung in Leipzig das in idealem Sinne bedeutendste und herrlichste Verlagswerk
dar, welches im gestimmten damaligen Deutschland zu finden war. Goethe,
der seit zehn Jahren in der Literatur, soweit der Meßkatalog die Literatur
vorstellte, nur mit den Neudrucken und Nachdrucker seiner vor 1776 erschiene¬
nen Jugenddichtungen vertreten gewesen war, von dem das „große Publieum"
nichts mehr wußte und erwartete, gedachte seine Schriften zu sammeln. Die
Weimarischen Anknüpfungen Göschens erwiesen sich jetzt als günstig und frucht¬
reich, die junge Leipziger Handlung kam für die Herausgabe dieser unschätzbaren
poetischen Werke in Frage. Aber mit den bisher zu Gebote stehenden Mitteln


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/132>, abgerufen am 08.06.2024.