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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Anfang und Lüde einer Gemäldegalerie dos vorigen Jahrhunderts,

Meister ein hübsches und zweckmäßiges, von Giese in Dresden entworfenes neues
Haus zu bauen. Das ist geschehen, und wenn Düsseldorf, wenn Preußen ein
Recht gehabt, so ist dieses auf den Altar des Vaterlandes niedergelegt worden.

Kunstgeschichtlich ist jetzt nur noch die Frage interessant, was in Baiern
aus den 358 Bildern der ehemaligen Düsseldorfer Galerie geworden. Die
landläufige Ansicht des halbunterrichteten Publicums geht dahin, die Düssel¬
dorfer Galerie sei in die Münchener Pinakothek aufgegangen, ja bilde wohl
gar deren wichtigsten und größten Bestandtheil. Diese Ansicht ist ungenau. In
der Münchener Pinakothek hängen über 1400 Bilder. Von diesen stammen
höchstens 200 aus der alten Düsseldorfer Galerie, und umgekehrt befindet sich
nicht viel mehr als die Hälfte der ehemaligen Düsseldorfer Bilder in München.
Was ist aus deu übrigen geworden?

Hier gilt es zunächst eine Behauptung zu widerlegen, welche von allen
Düsseldorfer Schriftstellern über diese Angelegenheit aufrecht erhalten wird,
die Behauptung, 15 oder gar 22 Bilder der alten Sammlung seien von Maxi¬
milian Joseph dem Kaiser Napoleon zum Geschenke gemacht worden und be¬
fänden sich bis auf den heutigen Tag in der Pariser Sammlung. Diese Be¬
hauptung wurde 1815, als es sich um die Herausgabe des französischen Kunst-
rauües handelte, sogar officiell in Paris geltend gemacht, und obgleich damals
von dem französischen Beamten formell und officiell in Abrede gestellt wurde,
daß sich irgend ein Düsseldorfer Bild in Paris befinde, so hielten die Düssel¬
dorfer doch an ihrer Ansicht fest. Sie behaupteten, der französische Beamte habe
sich sophistisch dahinter versteckt, daß man irriger Weise 22 Bilder in Paris
vermuthet habe, obgleich es, wie sich nachträglich herausgestellt habe, nur 15
gewesen seien. Mit dem Pariser und Düsseldorfer Katalog in der Hand machte
man diese 15 Bilder sogar einzeln namhaft: 2 sollten von Rubens sein, 5 von
Van Dyck, 2 von Jordaens, je eins von Jan Steen, Teniers, Snyders, Fr.
Albcmi und Paolo Veronese. Aber warum zog man außer dem Pariser und
dem Düsseldorfer nicht auch den Münchener Katalog zu Rathe? Man würde
seinen Irrthum dann sofort eingesehen haben. Alle jene Meister haben ähnliche
Darstellungen öfter gemalt, oder diese sind in ihren Ateliers wiederholt oder
später copirt worden. Die Behauptung ist in Bezug auf die 15 Bilder ebenso
irrig als in Bezug auf die früher gemeinten 22. Wer die Bilder kennt, be¬
greift es gar nicht, daß diese irrige Behauptung, welche zuerst 1818 in einer
Broschüre von Theodor von Haupt auftauchte, noch 1868 von A. V. Hartung
weitläufig ausgenützt, ja sogar noch 1876 in einer Broschüre von A. Fahne
öffentlich als ausgemachte Thatsache wiederholt werden konnte. Wir können
versichern, daß sicher 12, wahrscheinlich sogar 14 jener namhaft gemachten 15
Bilder wohlbekannte Werke der Münchener Pinakothek sind. Die Behauptung


Anfang und Lüde einer Gemäldegalerie dos vorigen Jahrhunderts,

Meister ein hübsches und zweckmäßiges, von Giese in Dresden entworfenes neues
Haus zu bauen. Das ist geschehen, und wenn Düsseldorf, wenn Preußen ein
Recht gehabt, so ist dieses auf den Altar des Vaterlandes niedergelegt worden.

Kunstgeschichtlich ist jetzt nur noch die Frage interessant, was in Baiern
aus den 358 Bildern der ehemaligen Düsseldorfer Galerie geworden. Die
landläufige Ansicht des halbunterrichteten Publicums geht dahin, die Düssel¬
dorfer Galerie sei in die Münchener Pinakothek aufgegangen, ja bilde wohl
gar deren wichtigsten und größten Bestandtheil. Diese Ansicht ist ungenau. In
der Münchener Pinakothek hängen über 1400 Bilder. Von diesen stammen
höchstens 200 aus der alten Düsseldorfer Galerie, und umgekehrt befindet sich
nicht viel mehr als die Hälfte der ehemaligen Düsseldorfer Bilder in München.
Was ist aus deu übrigen geworden?

Hier gilt es zunächst eine Behauptung zu widerlegen, welche von allen
Düsseldorfer Schriftstellern über diese Angelegenheit aufrecht erhalten wird,
die Behauptung, 15 oder gar 22 Bilder der alten Sammlung seien von Maxi¬
milian Joseph dem Kaiser Napoleon zum Geschenke gemacht worden und be¬
fänden sich bis auf den heutigen Tag in der Pariser Sammlung. Diese Be¬
hauptung wurde 1815, als es sich um die Herausgabe des französischen Kunst-
rauües handelte, sogar officiell in Paris geltend gemacht, und obgleich damals
von dem französischen Beamten formell und officiell in Abrede gestellt wurde,
daß sich irgend ein Düsseldorfer Bild in Paris befinde, so hielten die Düssel¬
dorfer doch an ihrer Ansicht fest. Sie behaupteten, der französische Beamte habe
sich sophistisch dahinter versteckt, daß man irriger Weise 22 Bilder in Paris
vermuthet habe, obgleich es, wie sich nachträglich herausgestellt habe, nur 15
gewesen seien. Mit dem Pariser und Düsseldorfer Katalog in der Hand machte
man diese 15 Bilder sogar einzeln namhaft: 2 sollten von Rubens sein, 5 von
Van Dyck, 2 von Jordaens, je eins von Jan Steen, Teniers, Snyders, Fr.
Albcmi und Paolo Veronese. Aber warum zog man außer dem Pariser und
dem Düsseldorfer nicht auch den Münchener Katalog zu Rathe? Man würde
seinen Irrthum dann sofort eingesehen haben. Alle jene Meister haben ähnliche
Darstellungen öfter gemalt, oder diese sind in ihren Ateliers wiederholt oder
später copirt worden. Die Behauptung ist in Bezug auf die 15 Bilder ebenso
irrig als in Bezug auf die früher gemeinten 22. Wer die Bilder kennt, be¬
greift es gar nicht, daß diese irrige Behauptung, welche zuerst 1818 in einer
Broschüre von Theodor von Haupt auftauchte, noch 1868 von A. V. Hartung
weitläufig ausgenützt, ja sogar noch 1876 in einer Broschüre von A. Fahne
öffentlich als ausgemachte Thatsache wiederholt werden konnte. Wir können
versichern, daß sicher 12, wahrscheinlich sogar 14 jener namhaft gemachten 15
Bilder wohlbekannte Werke der Münchener Pinakothek sind. Die Behauptung


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[0167] Anfang und Lüde einer Gemäldegalerie dos vorigen Jahrhunderts, Meister ein hübsches und zweckmäßiges, von Giese in Dresden entworfenes neues Haus zu bauen. Das ist geschehen, und wenn Düsseldorf, wenn Preußen ein Recht gehabt, so ist dieses auf den Altar des Vaterlandes niedergelegt worden. Kunstgeschichtlich ist jetzt nur noch die Frage interessant, was in Baiern aus den 358 Bildern der ehemaligen Düsseldorfer Galerie geworden. Die landläufige Ansicht des halbunterrichteten Publicums geht dahin, die Düssel¬ dorfer Galerie sei in die Münchener Pinakothek aufgegangen, ja bilde wohl gar deren wichtigsten und größten Bestandtheil. Diese Ansicht ist ungenau. In der Münchener Pinakothek hängen über 1400 Bilder. Von diesen stammen höchstens 200 aus der alten Düsseldorfer Galerie, und umgekehrt befindet sich nicht viel mehr als die Hälfte der ehemaligen Düsseldorfer Bilder in München. Was ist aus deu übrigen geworden? Hier gilt es zunächst eine Behauptung zu widerlegen, welche von allen Düsseldorfer Schriftstellern über diese Angelegenheit aufrecht erhalten wird, die Behauptung, 15 oder gar 22 Bilder der alten Sammlung seien von Maxi¬ milian Joseph dem Kaiser Napoleon zum Geschenke gemacht worden und be¬ fänden sich bis auf den heutigen Tag in der Pariser Sammlung. Diese Be¬ hauptung wurde 1815, als es sich um die Herausgabe des französischen Kunst- rauües handelte, sogar officiell in Paris geltend gemacht, und obgleich damals von dem französischen Beamten formell und officiell in Abrede gestellt wurde, daß sich irgend ein Düsseldorfer Bild in Paris befinde, so hielten die Düssel¬ dorfer doch an ihrer Ansicht fest. Sie behaupteten, der französische Beamte habe sich sophistisch dahinter versteckt, daß man irriger Weise 22 Bilder in Paris vermuthet habe, obgleich es, wie sich nachträglich herausgestellt habe, nur 15 gewesen seien. Mit dem Pariser und Düsseldorfer Katalog in der Hand machte man diese 15 Bilder sogar einzeln namhaft: 2 sollten von Rubens sein, 5 von Van Dyck, 2 von Jordaens, je eins von Jan Steen, Teniers, Snyders, Fr. Albcmi und Paolo Veronese. Aber warum zog man außer dem Pariser und dem Düsseldorfer nicht auch den Münchener Katalog zu Rathe? Man würde seinen Irrthum dann sofort eingesehen haben. Alle jene Meister haben ähnliche Darstellungen öfter gemalt, oder diese sind in ihren Ateliers wiederholt oder später copirt worden. Die Behauptung ist in Bezug auf die 15 Bilder ebenso irrig als in Bezug auf die früher gemeinten 22. Wer die Bilder kennt, be¬ greift es gar nicht, daß diese irrige Behauptung, welche zuerst 1818 in einer Broschüre von Theodor von Haupt auftauchte, noch 1868 von A. V. Hartung weitläufig ausgenützt, ja sogar noch 1876 in einer Broschüre von A. Fahne öffentlich als ausgemachte Thatsache wiederholt werden konnte. Wir können versichern, daß sicher 12, wahrscheinlich sogar 14 jener namhaft gemachten 15 Bilder wohlbekannte Werke der Münchener Pinakothek sind. Die Behauptung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/167>, abgerufen am 31.05.2024.