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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Chr. Gottfried Körner und I. G. Göschen,

Die Schlußwendung dieses Briefes wirft ein sehr Helles Licht auf die da¬
malige" Dresdner Verhältnisse. Körner würde einen guten Theil seiner Be¬
liebtheit und vermuthlich seine ganze "politische Wichtigkeit" eingebüßt haben, wenn
man ihn als Autor eines vortrefflichen Buches gekannt und erkannt hätte. Ein¬
zelne da und dort verstreute Aufsätze konnten als Dilettantenarbeit betrachtet
und demgemäß verziehen werden. Uebrigens aber war wenig Gefahr, daß für
Göschens Freund eine so schlimme Möglichkeit hätte eintreten sollen. Der Ver¬
lagsbuchhändler beeilte sich zwar, den Wünschen Körners entgegenzukommen, und
bot ihm die Fortsetzung des historischen Damenkalenders und die Bearbeitung
einer Geschichte der Reformation für denselben an. Allein sowie Göschen Ernst
machte, trat Körner zurück und beeilte sich am 10. November für das gezeigte
Vertrauen bestens dankend die Arbeit zurückzuweisen: "Ihren Vorschlag lieber
Freund erkenne ich mit Dank theils als einen Beweis Ihres Zutrauens, theils
als die Wirkung Ihrer Bereitwilligkeit meine ökonomischen Wünsche zu befrie¬
digen. Aber ich habe nicht Zutrauen genng zu mir selbst, um eine solche
Unternehmung zu wagen."

Fünf Jahre später erneuert sich die kleine Komödie; diesmal war es aber
Körner, der von vornherein mit einer gewissen Selbstironie seine Verlagsvor¬
schläge an Göschen brachte. Er schrieb ihm:

Dresden, 1. October 1797*

Sie werden sich wundern, wieder einmal einen Brief mit schriftstellerischen An¬
trägen von mir zu bekommen, da Sie schon mehrere Erfahrungen haben, wie
wenig bey mir fertig wird. Indessen wollen wir den nochmaligen Versuch auf eine
Art machen, daß Sie auf keinen Fall dabey Gefahr laufen. Meine Vorschläge sind
folgende.

Ich habe Materialien zu

einer Philosophie für Frauen,
einer Schrift über die Hoffnungen der Menschheit und
einer Abhandlung über die Grenzen des Zweifels.

Zum Ausarbeiten bedarf es bey mir eines äußeren Stoßes und dieser ist da. Ich
brauche Geld. Was ich zu liefern habe, paßt eigentlich nicht für die Hören, auch
weiß ich nicht, ob sie im künftigen Jahre noch fortgesetzt werden. Lieber wär mirs
diese Dinge einzeln erscheinen zu lassen, aber ohne meinen Namen zu nennen. Mit
der Philosophie für Frauen möchte ich am liebsten anfangen. Sie kann ungefähr
ein mäßiges Octavbänochen ausmachen. In einigen Wochen hoffe ich Ihnen eine
Probe schicken zu können, die einen Begriff von dem Ganzen geben wird -- und
vielleicht könnte ich zur Ostermesse fertig werden. Inmittelst aber möchte ich gern
erndten, ehe die Saat aufgegangen ist. Es wäre nnr daher ein Gefälle, wenn Sie
mir vor Weihnachten hundert Thaler schicken könnten. Haben Sie mir auf Ostern


Chr. Gottfried Körner und I. G. Göschen,

Die Schlußwendung dieses Briefes wirft ein sehr Helles Licht auf die da¬
malige« Dresdner Verhältnisse. Körner würde einen guten Theil seiner Be¬
liebtheit und vermuthlich seine ganze „politische Wichtigkeit" eingebüßt haben, wenn
man ihn als Autor eines vortrefflichen Buches gekannt und erkannt hätte. Ein¬
zelne da und dort verstreute Aufsätze konnten als Dilettantenarbeit betrachtet
und demgemäß verziehen werden. Uebrigens aber war wenig Gefahr, daß für
Göschens Freund eine so schlimme Möglichkeit hätte eintreten sollen. Der Ver¬
lagsbuchhändler beeilte sich zwar, den Wünschen Körners entgegenzukommen, und
bot ihm die Fortsetzung des historischen Damenkalenders und die Bearbeitung
einer Geschichte der Reformation für denselben an. Allein sowie Göschen Ernst
machte, trat Körner zurück und beeilte sich am 10. November für das gezeigte
Vertrauen bestens dankend die Arbeit zurückzuweisen: „Ihren Vorschlag lieber
Freund erkenne ich mit Dank theils als einen Beweis Ihres Zutrauens, theils
als die Wirkung Ihrer Bereitwilligkeit meine ökonomischen Wünsche zu befrie¬
digen. Aber ich habe nicht Zutrauen genng zu mir selbst, um eine solche
Unternehmung zu wagen."

Fünf Jahre später erneuert sich die kleine Komödie; diesmal war es aber
Körner, der von vornherein mit einer gewissen Selbstironie seine Verlagsvor¬
schläge an Göschen brachte. Er schrieb ihm:

Dresden, 1. October 1797*

Sie werden sich wundern, wieder einmal einen Brief mit schriftstellerischen An¬
trägen von mir zu bekommen, da Sie schon mehrere Erfahrungen haben, wie
wenig bey mir fertig wird. Indessen wollen wir den nochmaligen Versuch auf eine
Art machen, daß Sie auf keinen Fall dabey Gefahr laufen. Meine Vorschläge sind
folgende.

Ich habe Materialien zu

einer Philosophie für Frauen,
einer Schrift über die Hoffnungen der Menschheit und
einer Abhandlung über die Grenzen des Zweifels.

Zum Ausarbeiten bedarf es bey mir eines äußeren Stoßes und dieser ist da. Ich
brauche Geld. Was ich zu liefern habe, paßt eigentlich nicht für die Hören, auch
weiß ich nicht, ob sie im künftigen Jahre noch fortgesetzt werden. Lieber wär mirs
diese Dinge einzeln erscheinen zu lassen, aber ohne meinen Namen zu nennen. Mit
der Philosophie für Frauen möchte ich am liebsten anfangen. Sie kann ungefähr
ein mäßiges Octavbänochen ausmachen. In einigen Wochen hoffe ich Ihnen eine
Probe schicken zu können, die einen Begriff von dem Ganzen geben wird — und
vielleicht könnte ich zur Ostermesse fertig werden. Inmittelst aber möchte ich gern
erndten, ehe die Saat aufgegangen ist. Es wäre nnr daher ein Gefälle, wenn Sie
mir vor Weihnachten hundert Thaler schicken könnten. Haben Sie mir auf Ostern


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[0175] Chr. Gottfried Körner und I. G. Göschen, Die Schlußwendung dieses Briefes wirft ein sehr Helles Licht auf die da¬ malige« Dresdner Verhältnisse. Körner würde einen guten Theil seiner Be¬ liebtheit und vermuthlich seine ganze „politische Wichtigkeit" eingebüßt haben, wenn man ihn als Autor eines vortrefflichen Buches gekannt und erkannt hätte. Ein¬ zelne da und dort verstreute Aufsätze konnten als Dilettantenarbeit betrachtet und demgemäß verziehen werden. Uebrigens aber war wenig Gefahr, daß für Göschens Freund eine so schlimme Möglichkeit hätte eintreten sollen. Der Ver¬ lagsbuchhändler beeilte sich zwar, den Wünschen Körners entgegenzukommen, und bot ihm die Fortsetzung des historischen Damenkalenders und die Bearbeitung einer Geschichte der Reformation für denselben an. Allein sowie Göschen Ernst machte, trat Körner zurück und beeilte sich am 10. November für das gezeigte Vertrauen bestens dankend die Arbeit zurückzuweisen: „Ihren Vorschlag lieber Freund erkenne ich mit Dank theils als einen Beweis Ihres Zutrauens, theils als die Wirkung Ihrer Bereitwilligkeit meine ökonomischen Wünsche zu befrie¬ digen. Aber ich habe nicht Zutrauen genng zu mir selbst, um eine solche Unternehmung zu wagen." Fünf Jahre später erneuert sich die kleine Komödie; diesmal war es aber Körner, der von vornherein mit einer gewissen Selbstironie seine Verlagsvor¬ schläge an Göschen brachte. Er schrieb ihm: Dresden, 1. October 1797* Sie werden sich wundern, wieder einmal einen Brief mit schriftstellerischen An¬ trägen von mir zu bekommen, da Sie schon mehrere Erfahrungen haben, wie wenig bey mir fertig wird. Indessen wollen wir den nochmaligen Versuch auf eine Art machen, daß Sie auf keinen Fall dabey Gefahr laufen. Meine Vorschläge sind folgende. Ich habe Materialien zu einer Philosophie für Frauen, einer Schrift über die Hoffnungen der Menschheit und einer Abhandlung über die Grenzen des Zweifels. Zum Ausarbeiten bedarf es bey mir eines äußeren Stoßes und dieser ist da. Ich brauche Geld. Was ich zu liefern habe, paßt eigentlich nicht für die Hören, auch weiß ich nicht, ob sie im künftigen Jahre noch fortgesetzt werden. Lieber wär mirs diese Dinge einzeln erscheinen zu lassen, aber ohne meinen Namen zu nennen. Mit der Philosophie für Frauen möchte ich am liebsten anfangen. Sie kann ungefähr ein mäßiges Octavbänochen ausmachen. In einigen Wochen hoffe ich Ihnen eine Probe schicken zu können, die einen Begriff von dem Ganzen geben wird — und vielleicht könnte ich zur Ostermesse fertig werden. Inmittelst aber möchte ich gern erndten, ehe die Saat aufgegangen ist. Es wäre nnr daher ein Gefälle, wenn Sie mir vor Weihnachten hundert Thaler schicken könnten. Haben Sie mir auf Ostern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/175>, abgerufen am 29.05.2024.