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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Chr. Gottfried Körner und I, G, Göschen.

nichts für ein Manuscript zu bezahlen, so wird diese Summe von meinem Capital
abgerechnet. Ich bitte um baldige Autwort über Ihre Entschließung.


Mi Körner. nna und Dora grüßen schönstens. Leben Sie Wohl!

Göschen schickte schleunig die gewünschten hundert Thaler und hat dieselben
wahrscheinlich schmunzelnd als Capitalzahlung an Appellativnsrath Körner ge¬
bucht. Daß die "Philosophie für Frauen" nicht vollendet, sondern nur allerhand "Ge¬
sammelei" (um Körners bezeichnenden Ausdruck zu brauchen, der im Briefwechsel
mit Schiller ein paar Mal wiederkehrt) angefangen wurde, bedarf keines Wortes.

Dennoch sollte Göschen, zur Belohnung langer Geduld, am Ende noch
Körners Verleger werden. Nach dem Tode seines großen Freundes Schiller, in
den Jahren der Fremdherrschaft, wo es galt, sich um jeden Preis über das
Elend des Tages zu erheben, entwickelte Körner eine gewisse literarische Pro¬
duktivität. 1808 konnte Göschen von ihm die "Aesthetischen Ansichten" drucken.
In den nächstfolgenden Jahren erschienen im Göschenschen Verlag drei poli¬
tische Broschüren, die den Uebergang Körners zur politischen Thätigkeit signali-
siren. Die anonym erschienenen "Briefe über das Großherzogthum Warschau,"
"Die Hilfsquellen Sachsens" und "Die Wünsche eines Geschäftsmannes" werden
uns vielleicht später Anlaß zu einem weitern Aufsatze geben.

Körner blieb sich durch den ganzen weitern Verlauf seines Lebens in Be¬
zug auf seine Bereitwilligkeit, Männern von Talent zu helfen, vollständig gleich.
In einem seiner letzten Briefe an Göschen vom 17. Februar 1807 trägt er dem
Freunde den "Amphitryon" des unglücklichen Heinrich von Kleist an. "Der
Verfasser ist jetzt als Gefangener in eine französische Provinz gebracht worden
und seine Freunde wünschen das Manuscript an einen gutdenkenden Verleger
zu bringen, um ihm eine Unterstützung in seiner bedrängten Lage zu verschaffen."
Kleist war damals von den Franzosen in Chalons an der Marne internirt.
Man fühlt sich unwillkürlich in die Tage von 1785 zurückversetzt, wo Körner so
eifrig Schiller beigesprungen war; leider war der Ausgang hier ein minder glücklicher.

Im Jahre 1810 hatte Körner den eignen Sohn unter die Fittiche seiner
Protection zu nehmen. Er trug Freund Goschen die Sammlung von Theodor
Körners Jugendgedichten "Knospen" an, zu deren Uebernahme sich Göschen be¬
reit finden ließ. So gönnte das Schicksal dem stattlichen Verleger die Freude,
dem einstigen Mitgenossen seiner Handlung, dem hilfreichen Freunde der schwere"
Anfangsjahre, sich in einer Weise erkenntlich zu zeigen, die Körner zu jenen
letzten reinen Lebensfreuden verhalf, welche ihm noch durch das aufblühende
Talent seines Sohnes zu Theil wurden, bevor auch für ihn die Tage kamen,
von denen er sagen mußte: sie gefallen mir nicht.




Chr. Gottfried Körner und I, G, Göschen.

nichts für ein Manuscript zu bezahlen, so wird diese Summe von meinem Capital
abgerechnet. Ich bitte um baldige Autwort über Ihre Entschließung.


Mi Körner. nna und Dora grüßen schönstens. Leben Sie Wohl!

Göschen schickte schleunig die gewünschten hundert Thaler und hat dieselben
wahrscheinlich schmunzelnd als Capitalzahlung an Appellativnsrath Körner ge¬
bucht. Daß die „Philosophie für Frauen" nicht vollendet, sondern nur allerhand „Ge¬
sammelei" (um Körners bezeichnenden Ausdruck zu brauchen, der im Briefwechsel
mit Schiller ein paar Mal wiederkehrt) angefangen wurde, bedarf keines Wortes.

Dennoch sollte Göschen, zur Belohnung langer Geduld, am Ende noch
Körners Verleger werden. Nach dem Tode seines großen Freundes Schiller, in
den Jahren der Fremdherrschaft, wo es galt, sich um jeden Preis über das
Elend des Tages zu erheben, entwickelte Körner eine gewisse literarische Pro¬
duktivität. 1808 konnte Göschen von ihm die „Aesthetischen Ansichten" drucken.
In den nächstfolgenden Jahren erschienen im Göschenschen Verlag drei poli¬
tische Broschüren, die den Uebergang Körners zur politischen Thätigkeit signali-
siren. Die anonym erschienenen „Briefe über das Großherzogthum Warschau,"
„Die Hilfsquellen Sachsens" und „Die Wünsche eines Geschäftsmannes" werden
uns vielleicht später Anlaß zu einem weitern Aufsatze geben.

Körner blieb sich durch den ganzen weitern Verlauf seines Lebens in Be¬
zug auf seine Bereitwilligkeit, Männern von Talent zu helfen, vollständig gleich.
In einem seiner letzten Briefe an Göschen vom 17. Februar 1807 trägt er dem
Freunde den „Amphitryon" des unglücklichen Heinrich von Kleist an. „Der
Verfasser ist jetzt als Gefangener in eine französische Provinz gebracht worden
und seine Freunde wünschen das Manuscript an einen gutdenkenden Verleger
zu bringen, um ihm eine Unterstützung in seiner bedrängten Lage zu verschaffen."
Kleist war damals von den Franzosen in Chalons an der Marne internirt.
Man fühlt sich unwillkürlich in die Tage von 1785 zurückversetzt, wo Körner so
eifrig Schiller beigesprungen war; leider war der Ausgang hier ein minder glücklicher.

Im Jahre 1810 hatte Körner den eignen Sohn unter die Fittiche seiner
Protection zu nehmen. Er trug Freund Goschen die Sammlung von Theodor
Körners Jugendgedichten „Knospen" an, zu deren Uebernahme sich Göschen be¬
reit finden ließ. So gönnte das Schicksal dem stattlichen Verleger die Freude,
dem einstigen Mitgenossen seiner Handlung, dem hilfreichen Freunde der schwere»
Anfangsjahre, sich in einer Weise erkenntlich zu zeigen, die Körner zu jenen
letzten reinen Lebensfreuden verhalf, welche ihm noch durch das aufblühende
Talent seines Sohnes zu Theil wurden, bevor auch für ihn die Tage kamen,
von denen er sagen mußte: sie gefallen mir nicht.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/176>, abgerufen am 14.05.2024.