Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.vollenden, da aber Deutschland und Frankreich für den Plan nicht zu gewinnen Die Türkei befindet sich in tiefster Finanznoth, sie wird von den? Pan- In Rußland hat Loris Melikoff einige Besserung der Zustände erzielt, aber Von unsern übrigen Nachbarn ist nichts zu berichten, was hier einer Er¬ vollenden, da aber Deutschland und Frankreich für den Plan nicht zu gewinnen Die Türkei befindet sich in tiefster Finanznoth, sie wird von den? Pan- In Rußland hat Loris Melikoff einige Besserung der Zustände erzielt, aber Von unsern übrigen Nachbarn ist nichts zu berichten, was hier einer Er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149002"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_30" prev="#ID_29"> vollenden, da aber Deutschland und Frankreich für den Plan nicht zu gewinnen<lb/> waren, gelindere Saiten aufzuziehen für gut faud und im Einvernehmen mit<lb/> den sämmtlichen übrigen Großmächten wenigstens eins von ihren Anliegen, die<lb/> Lösung der montenegrinisch-albanesischen Grenzfrage, durch eine gemeinsame<lb/> Demonstration der Flotten bei Dnlcigno ermöglichte. Eine schwere Verlegenheit<lb/> für das neue Cabinet waren die Zustände in Irland, wo die Landliga Par-<lb/> nells offen auf Umsturz der bestehenden Besitzverhültnisse und im Stillen auf<lb/> Losreißung von England hinarbeitete. Das liberale Credo der Minister ließ<lb/> lange nicht an Maßregeln denken, mit denen hier allein zu helfen war. Zuletzt<lb/> mußte man sich indeß wenigstens zu einem Proceß gegen die Hauptagitatoren<lb/> und zu einigen militärischen Maßregeln entschließen, mit denen die Angelegen¬<lb/> heit in das neue Jahr eintritt.</p><lb/> <p xml:id="ID_31"> Die Türkei befindet sich in tiefster Finanznoth, sie wird von den? Pan-<lb/> slawismus, dem in Bulgarien und Ostrumelien nicht verächtliche Werkzeuge<lb/> geschaffen worden sind, und vom Ehrgeize der Griechen bedroht, denen die letzte<lb/> Berliner Konferenz einen Vorwand zu Ansprüchen auf Thessalien und ein statt¬<lb/> liches Stück von Südalbanien geliefert hat. Die Griechen rüsten sich zum<lb/> Kriege, um sich gewaltsam in den Besitz jener türkischen Provinzen zu setzen.<lb/> Indeß ist zu hoffen, daß die Mächte sich ins Mittel legen werden, und daß es<lb/> ihnen gelingen wird, beide Parteien zur Mäßigung und zu einem Compromiß<lb/> zu bewegen. Andernfalls wäre fast mit absoluter Gewißheit vorauszusagen,<lb/> daß die Hellenen sich einer großen Niederlage aussetzen würden.</p><lb/> <p xml:id="ID_32"> In Rußland hat Loris Melikoff einige Besserung der Zustände erzielt, aber<lb/> im Stillen frißt der Nihilismus, ein natürliches Product der auf allerlei Ab¬<lb/> wege gerathnen Civilisation des Moskowiterthums, weiter um sich, und es ist<lb/> durchaus nicht sicher, daß nicht nächstens wieder eines jener verabscheuens-<lb/> werthen Attentate versucht werden wird, welche im vorhergegangenen Jahre<lb/> mit erschreckender Raschheit aufeinander folgten.</p><lb/> <p xml:id="ID_33"> Von unsern übrigen Nachbarn ist nichts zu berichten, was hier einer Er¬<lb/> wähnung bedürfte. Doch mag zum Schlüsse bemerkt werden, daß das Bündniß<lb/> des deutschen Reiches mit Oesterreich-Ungarn seine Probe bis jetzt aufs beste<lb/> bestanden hat und auch für die nächste Zukunft ein Segen für beide Theile zu<lb/> bleiben verspricht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
vollenden, da aber Deutschland und Frankreich für den Plan nicht zu gewinnen
waren, gelindere Saiten aufzuziehen für gut faud und im Einvernehmen mit
den sämmtlichen übrigen Großmächten wenigstens eins von ihren Anliegen, die
Lösung der montenegrinisch-albanesischen Grenzfrage, durch eine gemeinsame
Demonstration der Flotten bei Dnlcigno ermöglichte. Eine schwere Verlegenheit
für das neue Cabinet waren die Zustände in Irland, wo die Landliga Par-
nells offen auf Umsturz der bestehenden Besitzverhültnisse und im Stillen auf
Losreißung von England hinarbeitete. Das liberale Credo der Minister ließ
lange nicht an Maßregeln denken, mit denen hier allein zu helfen war. Zuletzt
mußte man sich indeß wenigstens zu einem Proceß gegen die Hauptagitatoren
und zu einigen militärischen Maßregeln entschließen, mit denen die Angelegen¬
heit in das neue Jahr eintritt.
Die Türkei befindet sich in tiefster Finanznoth, sie wird von den? Pan-
slawismus, dem in Bulgarien und Ostrumelien nicht verächtliche Werkzeuge
geschaffen worden sind, und vom Ehrgeize der Griechen bedroht, denen die letzte
Berliner Konferenz einen Vorwand zu Ansprüchen auf Thessalien und ein statt¬
liches Stück von Südalbanien geliefert hat. Die Griechen rüsten sich zum
Kriege, um sich gewaltsam in den Besitz jener türkischen Provinzen zu setzen.
Indeß ist zu hoffen, daß die Mächte sich ins Mittel legen werden, und daß es
ihnen gelingen wird, beide Parteien zur Mäßigung und zu einem Compromiß
zu bewegen. Andernfalls wäre fast mit absoluter Gewißheit vorauszusagen,
daß die Hellenen sich einer großen Niederlage aussetzen würden.
In Rußland hat Loris Melikoff einige Besserung der Zustände erzielt, aber
im Stillen frißt der Nihilismus, ein natürliches Product der auf allerlei Ab¬
wege gerathnen Civilisation des Moskowiterthums, weiter um sich, und es ist
durchaus nicht sicher, daß nicht nächstens wieder eines jener verabscheuens-
werthen Attentate versucht werden wird, welche im vorhergegangenen Jahre
mit erschreckender Raschheit aufeinander folgten.
Von unsern übrigen Nachbarn ist nichts zu berichten, was hier einer Er¬
wähnung bedürfte. Doch mag zum Schlüsse bemerkt werden, daß das Bündniß
des deutschen Reiches mit Oesterreich-Ungarn seine Probe bis jetzt aufs beste
bestanden hat und auch für die nächste Zukunft ein Segen für beide Theile zu
bleiben verspricht.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |