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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Literatur.

und den Dichtungen des jungen Goethe -- zu einzelnen hübschen und überzeugenden
Resultaten geführt. Aber eben so gewiß ist es, daß die Sache übertrieben werden
kann und bereits übertrieben worden ist. Dem Zufall soll womöglich nicht der
geringste Einfluß mehr eingeräumt werden; die nllergewöhulichsteu Wendungen,
die sich ganz natürlich aus dein Gedankengange ergeben, möchten stets irgend¬
woher entlehnt sein. Es wäre gut, wenn die, die solche Untersuchungen anstellen,
zuvor jedesmal Lessings Urtheil über Spences "Pvlymetis" im "Laokoon" nachlesen
wollten. Auch die Verfasser des vorliegenden Buches gehen in diesem Punkte, wie
es scheint, bisweilen zu weit. Eine kleine Anzahl unanfechtbarer und sofort einleuch-
tender Beispiele wirkt entschieden mehr als eine lange Liste, in der immer einmal
fragwürdige, wenig überzeugende Beispiele mit unterlaufen.

Viel Mühe haben die Herausgeber aufgewendet, dahinter zu kommen, aus welchen
Elementen möglicherweise die Beschreibung der drohenden Himmelszeiehen in der
Bauernkricgsseene im "God" zusammengeflossen.sei. Es ist ihnen entgangen, was
H. Dünger nachgewiesen hat (Fleckeisens Jahrbücher 1871, II., 494), daß die ganze
Beschreibung mit allen einzelnen Zügen aus Stumpffs "Eidgenössischer Chronik"
(1586) stammt, wo sie sich unterm Jahre 1527 findet.

Noch eine Kleinigkeit zum Schluß. Sollte sich denn bei dem immer mehr
wachsenden Umfange unsrer Goetheliteratur nicht endlich eine vernünftige Einheit
der -- Goethe-Orthographie erreichen lassen? Um Goethes Gedichte zu bezeichnen,
haben wir nun glücklich fünf verschiedne Formen- Goethe's Gedichte, Goethes
Gedichte, die Goethischen Gedichte, die Goethescher Gedichte, die Goethe'schen Ge¬
dichte - nicht gerechnet die Variationen, die entstehen, wenn mau Goethes Namen,
wie es in der Tagespresse aller Augenblicke geschieht, wie aber Goethe selber es
nie gethan hat, mit ö anstatt mit ve schreibt. Was soll in Goethe's das Apostroph?
Spricht oder hört das jemand? Und welches ist der Laut, dessen Ausfall durch
das Apostroph bezeichnet werden soll? Was sollen die pedantischen Formen Goethesche
und Goethe'sche? Spricht sie ein einziger Mensch? Spricht oder schreibt jemand:
Diese Wendung ist echt Goethesch oder Goethe'sah? Wenn wir es aber nicht in
der Einzahl thun, warum in der Mehrzahl? Wozu diese launische (Minor und
Sauer würden schreiben: lauuesche)Inconsequenz? Die beiden einzig correcten Formen
sind doch Goethes und Goethisch, und es wäre hübsch, wenn vor allem das Gocthe-
jahrbuch mit gutem Beispiele voranginge und ein für allemal diese Schreibung
acceptirte. Vielleicht schlössen sich ihnen dann die Verständigen und Gutwilligen
an. Ein paar "Narren auf eigne Hand" wirds natürlich immer geben.






Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Reuduitz-Leipzig.
Literatur.

und den Dichtungen des jungen Goethe — zu einzelnen hübschen und überzeugenden
Resultaten geführt. Aber eben so gewiß ist es, daß die Sache übertrieben werden
kann und bereits übertrieben worden ist. Dem Zufall soll womöglich nicht der
geringste Einfluß mehr eingeräumt werden; die nllergewöhulichsteu Wendungen,
die sich ganz natürlich aus dein Gedankengange ergeben, möchten stets irgend¬
woher entlehnt sein. Es wäre gut, wenn die, die solche Untersuchungen anstellen,
zuvor jedesmal Lessings Urtheil über Spences „Pvlymetis" im „Laokoon" nachlesen
wollten. Auch die Verfasser des vorliegenden Buches gehen in diesem Punkte, wie
es scheint, bisweilen zu weit. Eine kleine Anzahl unanfechtbarer und sofort einleuch-
tender Beispiele wirkt entschieden mehr als eine lange Liste, in der immer einmal
fragwürdige, wenig überzeugende Beispiele mit unterlaufen.

Viel Mühe haben die Herausgeber aufgewendet, dahinter zu kommen, aus welchen
Elementen möglicherweise die Beschreibung der drohenden Himmelszeiehen in der
Bauernkricgsseene im „God" zusammengeflossen.sei. Es ist ihnen entgangen, was
H. Dünger nachgewiesen hat (Fleckeisens Jahrbücher 1871, II., 494), daß die ganze
Beschreibung mit allen einzelnen Zügen aus Stumpffs „Eidgenössischer Chronik"
(1586) stammt, wo sie sich unterm Jahre 1527 findet.

Noch eine Kleinigkeit zum Schluß. Sollte sich denn bei dem immer mehr
wachsenden Umfange unsrer Goetheliteratur nicht endlich eine vernünftige Einheit
der — Goethe-Orthographie erreichen lassen? Um Goethes Gedichte zu bezeichnen,
haben wir nun glücklich fünf verschiedne Formen- Goethe's Gedichte, Goethes
Gedichte, die Goethischen Gedichte, die Goethescher Gedichte, die Goethe'schen Ge¬
dichte - nicht gerechnet die Variationen, die entstehen, wenn mau Goethes Namen,
wie es in der Tagespresse aller Augenblicke geschieht, wie aber Goethe selber es
nie gethan hat, mit ö anstatt mit ve schreibt. Was soll in Goethe's das Apostroph?
Spricht oder hört das jemand? Und welches ist der Laut, dessen Ausfall durch
das Apostroph bezeichnet werden soll? Was sollen die pedantischen Formen Goethesche
und Goethe'sche? Spricht sie ein einziger Mensch? Spricht oder schreibt jemand:
Diese Wendung ist echt Goethesch oder Goethe'sah? Wenn wir es aber nicht in
der Einzahl thun, warum in der Mehrzahl? Wozu diese launische (Minor und
Sauer würden schreiben: lauuesche)Inconsequenz? Die beiden einzig correcten Formen
sind doch Goethes und Goethisch, und es wäre hübsch, wenn vor allem das Gocthe-
jahrbuch mit gutem Beispiele voranginge und ein für allemal diese Schreibung
acceptirte. Vielleicht schlössen sich ihnen dann die Verständigen und Gutwilligen
an. Ein paar „Narren auf eigne Hand" wirds natürlich immer geben.






Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Reuduitz-Leipzig.
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[0288] Literatur. und den Dichtungen des jungen Goethe — zu einzelnen hübschen und überzeugenden Resultaten geführt. Aber eben so gewiß ist es, daß die Sache übertrieben werden kann und bereits übertrieben worden ist. Dem Zufall soll womöglich nicht der geringste Einfluß mehr eingeräumt werden; die nllergewöhulichsteu Wendungen, die sich ganz natürlich aus dein Gedankengange ergeben, möchten stets irgend¬ woher entlehnt sein. Es wäre gut, wenn die, die solche Untersuchungen anstellen, zuvor jedesmal Lessings Urtheil über Spences „Pvlymetis" im „Laokoon" nachlesen wollten. Auch die Verfasser des vorliegenden Buches gehen in diesem Punkte, wie es scheint, bisweilen zu weit. Eine kleine Anzahl unanfechtbarer und sofort einleuch- tender Beispiele wirkt entschieden mehr als eine lange Liste, in der immer einmal fragwürdige, wenig überzeugende Beispiele mit unterlaufen. Viel Mühe haben die Herausgeber aufgewendet, dahinter zu kommen, aus welchen Elementen möglicherweise die Beschreibung der drohenden Himmelszeiehen in der Bauernkricgsseene im „God" zusammengeflossen.sei. Es ist ihnen entgangen, was H. Dünger nachgewiesen hat (Fleckeisens Jahrbücher 1871, II., 494), daß die ganze Beschreibung mit allen einzelnen Zügen aus Stumpffs „Eidgenössischer Chronik" (1586) stammt, wo sie sich unterm Jahre 1527 findet. Noch eine Kleinigkeit zum Schluß. Sollte sich denn bei dem immer mehr wachsenden Umfange unsrer Goetheliteratur nicht endlich eine vernünftige Einheit der — Goethe-Orthographie erreichen lassen? Um Goethes Gedichte zu bezeichnen, haben wir nun glücklich fünf verschiedne Formen- Goethe's Gedichte, Goethes Gedichte, die Goethischen Gedichte, die Goethescher Gedichte, die Goethe'schen Ge¬ dichte - nicht gerechnet die Variationen, die entstehen, wenn mau Goethes Namen, wie es in der Tagespresse aller Augenblicke geschieht, wie aber Goethe selber es nie gethan hat, mit ö anstatt mit ve schreibt. Was soll in Goethe's das Apostroph? Spricht oder hört das jemand? Und welches ist der Laut, dessen Ausfall durch das Apostroph bezeichnet werden soll? Was sollen die pedantischen Formen Goethesche und Goethe'sche? Spricht sie ein einziger Mensch? Spricht oder schreibt jemand: Diese Wendung ist echt Goethesch oder Goethe'sah? Wenn wir es aber nicht in der Einzahl thun, warum in der Mehrzahl? Wozu diese launische (Minor und Sauer würden schreiben: lauuesche)Inconsequenz? Die beiden einzig correcten Formen sind doch Goethes und Goethisch, und es wäre hübsch, wenn vor allem das Gocthe- jahrbuch mit gutem Beispiele voranginge und ein für allemal diese Schreibung acceptirte. Vielleicht schlössen sich ihnen dann die Verständigen und Gutwilligen an. Ein paar „Narren auf eigne Hand" wirds natürlich immer geben. Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Reuduitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/288>, abgerufen am 14.05.2024.