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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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geschrieben wurden, so enthalten sie doch so manches für die damalige Zeit
charakteristische, so manches interessante Urtheil über einzelne Personen und
Begebenheiten und geben uns vor allem Gelegenheit, dem Wesen des hervor¬
ragenden Mannes näherzutreten, so daß es sich wohl verlohnt, unter Anlehnung
an die trefflich oricntircndc Einleitung Delbrücks auch diese Briefsammlung zu
durchmustern und die besondere Aufmerksamkeit erregenden Aeußerungen zusammen-
zustellen.

Unmittelbar nach der Beendigung der Friedensverhandlungen in Paris war
Gneisenau nach Deutschland zurückgekehrt, um das General-Commando am Rhein
zu übernehmen, zu dessen Sitz Coblenz bestimmt worden war. Es waren arbeits¬
volle, aber glückliche Tage, welche der General damals am Ufer des wieder¬
gewonnenen Stromes in einem Kreise von Männern verlebte, mit welchen ihn das
Band inniger Freundschaft verknüpfte. Da war vor allein der Chef des General-
stabcs, der Oberst von Clausewitz, dessen freundschaftliche Beziehungen zu Gneisenau
seit der Königsberger Zeit schon aus dein frühern Briefwechsel uns bekannt sind.
Scharnhorst hatte sich des jungen Offiziers, der mit zwölf Jahren in die Armee
eingetreten war und so geringe Schulbildung genossen hatte, daß er auf der
allgemeinen Kriegsschule nicht einmal den Vorlesungen zu folgen vermochte, an¬
genommen und in dem Schüler bald einen Jünger und einen Freund gewonnen.
Aus der Gefangenschaft, in welche ihn das Unglücksjähr 1806 geführt hatte,
zurückgekehrt, hatte Clausewitz unter Scharnhorst an der Reorganisation der
Armee und der Vorbereitung für die Erhebung gearbeitet. In dem Kampfe,
der seine Seele erfüllte, zu einer bedeutenden Wirksamkeit zu gelangen, ist ihm
nicht vergönnt gewesen. Erst in den folgenden Friedensjahren sicherte er sich
Unsterblichkeit durch seine historischen und theoretischen Werke über Krieg und
Kriegführung. "Sie nehmen in der Theorie des Krieges eine analoge Stellung
ein, wie diejenigen Lessings in der Theorie der Kunst." Er war es, der die Grund¬
sätze der neuern Strategie dialektisch entwickelte und allmählich die falsche Methodik
überwand, welche Gneisenaus Kriegführung noch so unendliche Schwierigkeiten in
den Weg legte. Seine directe persönliche Einwirkung ist freilich gering gewesen.
Obwohl seiner geistigen Überlegenheit über alles, was ihn umgab, sich wohl
bewußt, war er doch zu bescheiden mit seinen Werken, die er als zu unbedeutend
oder zu unvollkommen ansah, vor die Öffentlichkeit zu treten. Sein äußeres
Benehmen war reservirt und fast blöde, und selbst dem vertrauten Freunde gegen¬
über bleibt er in seinen Briefen formell bis zur Pedanterie.

Wie hoch ihn Gneisenau schätzte, beweist der Brief, den er (S. 267)
an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg richtete. "Wenn es," so schreibt er,
"Ew. Durchlaucht daran gelegen seyn muß, über die Stimmung, den Geist und


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geschrieben wurden, so enthalten sie doch so manches für die damalige Zeit
charakteristische, so manches interessante Urtheil über einzelne Personen und
Begebenheiten und geben uns vor allem Gelegenheit, dem Wesen des hervor¬
ragenden Mannes näherzutreten, so daß es sich wohl verlohnt, unter Anlehnung
an die trefflich oricntircndc Einleitung Delbrücks auch diese Briefsammlung zu
durchmustern und die besondere Aufmerksamkeit erregenden Aeußerungen zusammen-
zustellen.

Unmittelbar nach der Beendigung der Friedensverhandlungen in Paris war
Gneisenau nach Deutschland zurückgekehrt, um das General-Commando am Rhein
zu übernehmen, zu dessen Sitz Coblenz bestimmt worden war. Es waren arbeits¬
volle, aber glückliche Tage, welche der General damals am Ufer des wieder¬
gewonnenen Stromes in einem Kreise von Männern verlebte, mit welchen ihn das
Band inniger Freundschaft verknüpfte. Da war vor allein der Chef des General-
stabcs, der Oberst von Clausewitz, dessen freundschaftliche Beziehungen zu Gneisenau
seit der Königsberger Zeit schon aus dein frühern Briefwechsel uns bekannt sind.
Scharnhorst hatte sich des jungen Offiziers, der mit zwölf Jahren in die Armee
eingetreten war und so geringe Schulbildung genossen hatte, daß er auf der
allgemeinen Kriegsschule nicht einmal den Vorlesungen zu folgen vermochte, an¬
genommen und in dem Schüler bald einen Jünger und einen Freund gewonnen.
Aus der Gefangenschaft, in welche ihn das Unglücksjähr 1806 geführt hatte,
zurückgekehrt, hatte Clausewitz unter Scharnhorst an der Reorganisation der
Armee und der Vorbereitung für die Erhebung gearbeitet. In dem Kampfe,
der seine Seele erfüllte, zu einer bedeutenden Wirksamkeit zu gelangen, ist ihm
nicht vergönnt gewesen. Erst in den folgenden Friedensjahren sicherte er sich
Unsterblichkeit durch seine historischen und theoretischen Werke über Krieg und
Kriegführung. „Sie nehmen in der Theorie des Krieges eine analoge Stellung
ein, wie diejenigen Lessings in der Theorie der Kunst." Er war es, der die Grund¬
sätze der neuern Strategie dialektisch entwickelte und allmählich die falsche Methodik
überwand, welche Gneisenaus Kriegführung noch so unendliche Schwierigkeiten in
den Weg legte. Seine directe persönliche Einwirkung ist freilich gering gewesen.
Obwohl seiner geistigen Überlegenheit über alles, was ihn umgab, sich wohl
bewußt, war er doch zu bescheiden mit seinen Werken, die er als zu unbedeutend
oder zu unvollkommen ansah, vor die Öffentlichkeit zu treten. Sein äußeres
Benehmen war reservirt und fast blöde, und selbst dem vertrauten Freunde gegen¬
über bleibt er in seinen Briefen formell bis zur Pedanterie.

Wie hoch ihn Gneisenau schätzte, beweist der Brief, den er (S. 267)
an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg richtete. „Wenn es," so schreibt er,
„Ew. Durchlaucht daran gelegen seyn muß, über die Stimmung, den Geist und


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[0334] Greise»«» i» de» Jahre» ^3^5 l'is ^33^ geschrieben wurden, so enthalten sie doch so manches für die damalige Zeit charakteristische, so manches interessante Urtheil über einzelne Personen und Begebenheiten und geben uns vor allem Gelegenheit, dem Wesen des hervor¬ ragenden Mannes näherzutreten, so daß es sich wohl verlohnt, unter Anlehnung an die trefflich oricntircndc Einleitung Delbrücks auch diese Briefsammlung zu durchmustern und die besondere Aufmerksamkeit erregenden Aeußerungen zusammen- zustellen. Unmittelbar nach der Beendigung der Friedensverhandlungen in Paris war Gneisenau nach Deutschland zurückgekehrt, um das General-Commando am Rhein zu übernehmen, zu dessen Sitz Coblenz bestimmt worden war. Es waren arbeits¬ volle, aber glückliche Tage, welche der General damals am Ufer des wieder¬ gewonnenen Stromes in einem Kreise von Männern verlebte, mit welchen ihn das Band inniger Freundschaft verknüpfte. Da war vor allein der Chef des General- stabcs, der Oberst von Clausewitz, dessen freundschaftliche Beziehungen zu Gneisenau seit der Königsberger Zeit schon aus dein frühern Briefwechsel uns bekannt sind. Scharnhorst hatte sich des jungen Offiziers, der mit zwölf Jahren in die Armee eingetreten war und so geringe Schulbildung genossen hatte, daß er auf der allgemeinen Kriegsschule nicht einmal den Vorlesungen zu folgen vermochte, an¬ genommen und in dem Schüler bald einen Jünger und einen Freund gewonnen. Aus der Gefangenschaft, in welche ihn das Unglücksjähr 1806 geführt hatte, zurückgekehrt, hatte Clausewitz unter Scharnhorst an der Reorganisation der Armee und der Vorbereitung für die Erhebung gearbeitet. In dem Kampfe, der seine Seele erfüllte, zu einer bedeutenden Wirksamkeit zu gelangen, ist ihm nicht vergönnt gewesen. Erst in den folgenden Friedensjahren sicherte er sich Unsterblichkeit durch seine historischen und theoretischen Werke über Krieg und Kriegführung. „Sie nehmen in der Theorie des Krieges eine analoge Stellung ein, wie diejenigen Lessings in der Theorie der Kunst." Er war es, der die Grund¬ sätze der neuern Strategie dialektisch entwickelte und allmählich die falsche Methodik überwand, welche Gneisenaus Kriegführung noch so unendliche Schwierigkeiten in den Weg legte. Seine directe persönliche Einwirkung ist freilich gering gewesen. Obwohl seiner geistigen Überlegenheit über alles, was ihn umgab, sich wohl bewußt, war er doch zu bescheiden mit seinen Werken, die er als zu unbedeutend oder zu unvollkommen ansah, vor die Öffentlichkeit zu treten. Sein äußeres Benehmen war reservirt und fast blöde, und selbst dem vertrauten Freunde gegen¬ über bleibt er in seinen Briefen formell bis zur Pedanterie. Wie hoch ihn Gneisenau schätzte, beweist der Brief, den er (S. 267) an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg richtete. „Wenn es," so schreibt er, „Ew. Durchlaucht daran gelegen seyn muß, über die Stimmung, den Geist und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/334>, abgerufen am 15.05.2024.