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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Das Herrenhaus,

Es macht einen eignen Eindruck, daß daS Herrenhaus, welches doch ein
mit dein Abgeordnetenhaus? gleichberechtigter Factor der preußischen Gesetzgebung
sein soll, auch in dieser Session wieder, wie gewöhnlich, unter dem Drucke größter
Eile zusammentritt, um hastig hochwichtige Fragen, diesmal n, a. neben der
wichtigsten, dem Budget, das Zuständigkeitsgcsetz zu erledigen. Die Berathung
des Budgets ist die einzige, bei welcher das Haus Gelegenheit findet, gleich dem
Hause der Abgeordneten seine Meinung über bedeutsame politische Ungelegen-
heiten zu äußern. Allerdings ist sein Antheil an der Feststellung des Budgets
von der Verfassung geringer bemessen als der des andern Hauses. Aber gerade
bei der Allgemeinheit der Berechtigung, welche unserm Oberhause in Betreff des
Budgets zusteht, weist die Verfassung darauf hiu, daß es den Etat nicht sowohl
in den Einzelnheiten berathen, als ihn, an den oder jenen seiner Titel ankuiipfeud,
in seiner gesammten politischen Bedeutung benutzen soll, um jener Auffassung
unsers Staatslebens öffentlich zum Worte zu verhelfen, die in den Klassen herrscht,
welche diese Körperschaft vertritt. Nun hat man aus den Kreisen der letztern
noch nie eine Klage darüber vernommen, daß sie nach dem bis jetzt üblich ge¬
wesenen Geschäftsgange an dem ihr gebührenden Antheile an der Beeinflussung
der Politik der Regierung verkürzt werde. Nirgends scheint eS im Herrenhause
schon empfunden worden zu sein, daß die Berathung des Budgets, zu welcher
das der Abgeordneten viele Wochen gebraucht hat, dort in ein paar Stunden
abgethan worden ist, nachdem man vorher Zeit gefunden, der verhältnißmäßig
untergeordneten Frage des Steuererlasses innerhalb der letzten Decade der Ge¬
schäfte drei ganze Sitzungen zu widmen.

Das Befremden an dem Charakter der Angriffe, welche die Negierung bei
diesem Mciuungskampfe erfuhr, wird durch den Hinblick auf die kurze Spanne
Zeit, welche dein Hanse zur Berathung der obengenannten viel wichtigern Vor¬
lagen der Session verblieb, erheblich gesteigert. Der letzte Grund zu dieser
Opposition ist ohne Zweifel einerseits in der Unruhe, andrerseits in der Arbeits¬
lust früher hoch gestellter Beamten zu suchen, die im Herrenhause Sitz und Stimme


blieben ist, gehört zu den Gründen, welche den Kanzler bewogen, seinen Abschied zu ver¬
langen." Kurze Zeit vorher hatte auch die "Post" bemerkt, der Reichskanzler "könne nnr
dann im Dienste bleiben, wenn seine College" zu den bezeichneten Reformen ans eignem
Antriebe und mit eigne" productiven Kräfte" schritte". . . Es sei el" unbilliges Verlange",
daß er selbst die nöthige" Arbeiten liefere und sie der Kritik eines in entgegengesetzte" Spuren
(d. h. im Geleise der Mnnchcstcrschnle) gehenden Ressortministers unterwerfe. Einen solchen
Weg habe er in der Eisenlmhnfrage eingeschlagen und äußerlich die Ziistimmniig niler ge¬
wonnen, sobald eS aber an die Ausführung gegangen, hcrgcbrachtcrmaßcn passiven Wider¬
stand und die übliche Abweisung gefunden, ähnlich wie bei der Fortschrittspartei, die auch
zu sage" Pflege: Nur so uicht, sondern anders -- nämlich so, wie es nicht geht."
Das Herrenhaus,

Es macht einen eignen Eindruck, daß daS Herrenhaus, welches doch ein
mit dein Abgeordnetenhaus? gleichberechtigter Factor der preußischen Gesetzgebung
sein soll, auch in dieser Session wieder, wie gewöhnlich, unter dem Drucke größter
Eile zusammentritt, um hastig hochwichtige Fragen, diesmal n, a. neben der
wichtigsten, dem Budget, das Zuständigkeitsgcsetz zu erledigen. Die Berathung
des Budgets ist die einzige, bei welcher das Haus Gelegenheit findet, gleich dem
Hause der Abgeordneten seine Meinung über bedeutsame politische Ungelegen-
heiten zu äußern. Allerdings ist sein Antheil an der Feststellung des Budgets
von der Verfassung geringer bemessen als der des andern Hauses. Aber gerade
bei der Allgemeinheit der Berechtigung, welche unserm Oberhause in Betreff des
Budgets zusteht, weist die Verfassung darauf hiu, daß es den Etat nicht sowohl
in den Einzelnheiten berathen, als ihn, an den oder jenen seiner Titel ankuiipfeud,
in seiner gesammten politischen Bedeutung benutzen soll, um jener Auffassung
unsers Staatslebens öffentlich zum Worte zu verhelfen, die in den Klassen herrscht,
welche diese Körperschaft vertritt. Nun hat man aus den Kreisen der letztern
noch nie eine Klage darüber vernommen, daß sie nach dem bis jetzt üblich ge¬
wesenen Geschäftsgange an dem ihr gebührenden Antheile an der Beeinflussung
der Politik der Regierung verkürzt werde. Nirgends scheint eS im Herrenhause
schon empfunden worden zu sein, daß die Berathung des Budgets, zu welcher
das der Abgeordneten viele Wochen gebraucht hat, dort in ein paar Stunden
abgethan worden ist, nachdem man vorher Zeit gefunden, der verhältnißmäßig
untergeordneten Frage des Steuererlasses innerhalb der letzten Decade der Ge¬
schäfte drei ganze Sitzungen zu widmen.

Das Befremden an dem Charakter der Angriffe, welche die Negierung bei
diesem Mciuungskampfe erfuhr, wird durch den Hinblick auf die kurze Spanne
Zeit, welche dein Hanse zur Berathung der obengenannten viel wichtigern Vor¬
lagen der Session verblieb, erheblich gesteigert. Der letzte Grund zu dieser
Opposition ist ohne Zweifel einerseits in der Unruhe, andrerseits in der Arbeits¬
lust früher hoch gestellter Beamten zu suchen, die im Herrenhause Sitz und Stimme


blieben ist, gehört zu den Gründen, welche den Kanzler bewogen, seinen Abschied zu ver¬
langen." Kurze Zeit vorher hatte auch die „Post" bemerkt, der Reichskanzler „könne nnr
dann im Dienste bleiben, wenn seine College» zu den bezeichneten Reformen ans eignem
Antriebe und mit eigne» productiven Kräfte» schritte». . . Es sei el» unbilliges Verlange»,
daß er selbst die nöthige» Arbeiten liefere und sie der Kritik eines in entgegengesetzte» Spuren
(d. h. im Geleise der Mnnchcstcrschnle) gehenden Ressortministers unterwerfe. Einen solchen
Weg habe er in der Eisenlmhnfrage eingeschlagen und äußerlich die Ziistimmniig niler ge¬
wonnen, sobald eS aber an die Ausführung gegangen, hcrgcbrachtcrmaßcn passiven Wider¬
stand und die übliche Abweisung gefunden, ähnlich wie bei der Fortschrittspartei, die auch
zu sage» Pflege: Nur so uicht, sondern anders — nämlich so, wie es nicht geht."
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[0374] Das Herrenhaus, Es macht einen eignen Eindruck, daß daS Herrenhaus, welches doch ein mit dein Abgeordnetenhaus? gleichberechtigter Factor der preußischen Gesetzgebung sein soll, auch in dieser Session wieder, wie gewöhnlich, unter dem Drucke größter Eile zusammentritt, um hastig hochwichtige Fragen, diesmal n, a. neben der wichtigsten, dem Budget, das Zuständigkeitsgcsetz zu erledigen. Die Berathung des Budgets ist die einzige, bei welcher das Haus Gelegenheit findet, gleich dem Hause der Abgeordneten seine Meinung über bedeutsame politische Ungelegen- heiten zu äußern. Allerdings ist sein Antheil an der Feststellung des Budgets von der Verfassung geringer bemessen als der des andern Hauses. Aber gerade bei der Allgemeinheit der Berechtigung, welche unserm Oberhause in Betreff des Budgets zusteht, weist die Verfassung darauf hiu, daß es den Etat nicht sowohl in den Einzelnheiten berathen, als ihn, an den oder jenen seiner Titel ankuiipfeud, in seiner gesammten politischen Bedeutung benutzen soll, um jener Auffassung unsers Staatslebens öffentlich zum Worte zu verhelfen, die in den Klassen herrscht, welche diese Körperschaft vertritt. Nun hat man aus den Kreisen der letztern noch nie eine Klage darüber vernommen, daß sie nach dem bis jetzt üblich ge¬ wesenen Geschäftsgange an dem ihr gebührenden Antheile an der Beeinflussung der Politik der Regierung verkürzt werde. Nirgends scheint eS im Herrenhause schon empfunden worden zu sein, daß die Berathung des Budgets, zu welcher das der Abgeordneten viele Wochen gebraucht hat, dort in ein paar Stunden abgethan worden ist, nachdem man vorher Zeit gefunden, der verhältnißmäßig untergeordneten Frage des Steuererlasses innerhalb der letzten Decade der Ge¬ schäfte drei ganze Sitzungen zu widmen. Das Befremden an dem Charakter der Angriffe, welche die Negierung bei diesem Mciuungskampfe erfuhr, wird durch den Hinblick auf die kurze Spanne Zeit, welche dein Hanse zur Berathung der obengenannten viel wichtigern Vor¬ lagen der Session verblieb, erheblich gesteigert. Der letzte Grund zu dieser Opposition ist ohne Zweifel einerseits in der Unruhe, andrerseits in der Arbeits¬ lust früher hoch gestellter Beamten zu suchen, die im Herrenhause Sitz und Stimme blieben ist, gehört zu den Gründen, welche den Kanzler bewogen, seinen Abschied zu ver¬ langen." Kurze Zeit vorher hatte auch die „Post" bemerkt, der Reichskanzler „könne nnr dann im Dienste bleiben, wenn seine College» zu den bezeichneten Reformen ans eignem Antriebe und mit eigne» productiven Kräfte» schritte». . . Es sei el» unbilliges Verlange», daß er selbst die nöthige» Arbeiten liefere und sie der Kritik eines in entgegengesetzte» Spuren (d. h. im Geleise der Mnnchcstcrschnle) gehenden Ressortministers unterwerfe. Einen solchen Weg habe er in der Eisenlmhnfrage eingeschlagen und äußerlich die Ziistimmniig niler ge¬ wonnen, sobald eS aber an die Ausführung gegangen, hcrgcbrachtcrmaßcn passiven Wider¬ stand und die übliche Abweisung gefunden, ähnlich wie bei der Fortschrittspartei, die auch zu sage» Pflege: Nur so uicht, sondern anders — nämlich so, wie es nicht geht."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/374>, abgerufen am 14.05.2024.