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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Das Herrenhaus.

gefunden haben. Ehemalige Minister, die wie v. Bcrnnth, Graf Lippe, Frieden¬
thal und Camphausen freiwillig zurückgetreten sind, haben zum Theil die Neigung,
die gewohnte ministerielle Thätigkeit als Parlamentarier fortzusetzen, zum Theil
die verdrießliche Empfindung, uach ihrer Verabschiedung nicht wieder ein Porte¬
feuille erhalten zu haben oder sonst wie verwendet worden zu sein. Sie müßten
sich einer ungewöhnlich vornehmen Denkart erfreuen, wenn sie Erfolge derer,
die jetzt ihre Posten einnehmen, frei von jeder Mißgunst betrachten oder gar
herbeizuführen geneigt sein sollten, und es ist nur menschlich, nnr natürlich
und gewöhnlich, wenn bloße Durchschnittsnaturen der Versuchung, den Eindruck
hervorzurufen, daß ihr Rücktritt eine unausfüllbare Lücke in die Rcgiernngs-
maschine gerissen habe, keine höhern patriotischen Rücksichten entgegen zu stellen
im Stande sind.

Wie schon anfangs bemerkt worden, ist der Plan zu dem Feldzuge gegen
die Steuererlaßvvrlage des Fürsten Bismarck im Herrenhause von Herrn Camp¬
hausen entworfen worden, und derselbe ehemalige College des Kanzlers hat das
Hauptmanöver dieser Campagne in dem betreffenden Ausschüsse durch Einwirkung
auf dessen Mitglieder vorbereitet. Dabei wurde offenbar die Absicht verfolgt,
die fast völliger Vergessenheit anhcimgefallnen guten Freunde der eingeschlafnen
altliberälen Partei, durch die Herr Camphausen einige Bedeutung erlangt hatte,
wieder in den Vordergrund zu ziehen und an ihre Verdienste zu erinnern, und
dies konnte wirksam nur geschehen, wenn man der jetzigen Regierung die Er¬
füllung ihrer Aufgabe nach Kräften erschwerte und sie durch übelwollende Ver¬
gleiche zwischen der gegenwärtigen und der frühern Verwaltung als jener Auf¬
gabe uicht gewachsen hinstellte, wobei man sich billig verwundern kann, daß
Herr Camphausen so wenig Selbsterkenntniß und Gedächtniß besaß, sich nicht
zu erinnern, welch ein Rabenvater er den von der französischen Kriegsentschädigung
übrig gebliebenen, unter seiner geringen Befähigung zu nutzbarer Anlegung dieser
ungeheuern Summe vertrockneten und verflüchtigten Millionen gewesen war. Auch
daran konnte er denken, daß er, nachdem er den Kanzler jahrelang mit dessen
Anregungen zur Steuerreform hingehalten, zuletzt mit einer TabakSstener kam,
die nicht zu gebrauchen war und nur von neuem seine schwache Befähigung in
wirthschaftlichen Dingen darthat.

Aber lassen wir ihn liegen, wo ihn die Erwiderung des von ihm ange¬
griffnen hingeworfen, und sehen wir uns einige andere Gegner des Fürsten bei
der großen Debatte an. Graf Lippe war der erste, welcher der Versuchung,
sein Müthchen zu kühlen, unterlag und mit größter Schärfe, Bitterkeit und Ge¬
hässigkeit gegen die Regierung in die Schranken ritt, der er ehedem angehört
hatte. Ihm folgte auf gleicher Bahn der frühere Finanzminister v. Bodelschwingh,


Das Herrenhaus.

gefunden haben. Ehemalige Minister, die wie v. Bcrnnth, Graf Lippe, Frieden¬
thal und Camphausen freiwillig zurückgetreten sind, haben zum Theil die Neigung,
die gewohnte ministerielle Thätigkeit als Parlamentarier fortzusetzen, zum Theil
die verdrießliche Empfindung, uach ihrer Verabschiedung nicht wieder ein Porte¬
feuille erhalten zu haben oder sonst wie verwendet worden zu sein. Sie müßten
sich einer ungewöhnlich vornehmen Denkart erfreuen, wenn sie Erfolge derer,
die jetzt ihre Posten einnehmen, frei von jeder Mißgunst betrachten oder gar
herbeizuführen geneigt sein sollten, und es ist nur menschlich, nnr natürlich
und gewöhnlich, wenn bloße Durchschnittsnaturen der Versuchung, den Eindruck
hervorzurufen, daß ihr Rücktritt eine unausfüllbare Lücke in die Rcgiernngs-
maschine gerissen habe, keine höhern patriotischen Rücksichten entgegen zu stellen
im Stande sind.

Wie schon anfangs bemerkt worden, ist der Plan zu dem Feldzuge gegen
die Steuererlaßvvrlage des Fürsten Bismarck im Herrenhause von Herrn Camp¬
hausen entworfen worden, und derselbe ehemalige College des Kanzlers hat das
Hauptmanöver dieser Campagne in dem betreffenden Ausschüsse durch Einwirkung
auf dessen Mitglieder vorbereitet. Dabei wurde offenbar die Absicht verfolgt,
die fast völliger Vergessenheit anhcimgefallnen guten Freunde der eingeschlafnen
altliberälen Partei, durch die Herr Camphausen einige Bedeutung erlangt hatte,
wieder in den Vordergrund zu ziehen und an ihre Verdienste zu erinnern, und
dies konnte wirksam nur geschehen, wenn man der jetzigen Regierung die Er¬
füllung ihrer Aufgabe nach Kräften erschwerte und sie durch übelwollende Ver¬
gleiche zwischen der gegenwärtigen und der frühern Verwaltung als jener Auf¬
gabe uicht gewachsen hinstellte, wobei man sich billig verwundern kann, daß
Herr Camphausen so wenig Selbsterkenntniß und Gedächtniß besaß, sich nicht
zu erinnern, welch ein Rabenvater er den von der französischen Kriegsentschädigung
übrig gebliebenen, unter seiner geringen Befähigung zu nutzbarer Anlegung dieser
ungeheuern Summe vertrockneten und verflüchtigten Millionen gewesen war. Auch
daran konnte er denken, daß er, nachdem er den Kanzler jahrelang mit dessen
Anregungen zur Steuerreform hingehalten, zuletzt mit einer TabakSstener kam,
die nicht zu gebrauchen war und nur von neuem seine schwache Befähigung in
wirthschaftlichen Dingen darthat.

Aber lassen wir ihn liegen, wo ihn die Erwiderung des von ihm ange¬
griffnen hingeworfen, und sehen wir uns einige andere Gegner des Fürsten bei
der großen Debatte an. Graf Lippe war der erste, welcher der Versuchung,
sein Müthchen zu kühlen, unterlag und mit größter Schärfe, Bitterkeit und Ge¬
hässigkeit gegen die Regierung in die Schranken ritt, der er ehedem angehört
hatte. Ihm folgte auf gleicher Bahn der frühere Finanzminister v. Bodelschwingh,


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[0375] Das Herrenhaus. gefunden haben. Ehemalige Minister, die wie v. Bcrnnth, Graf Lippe, Frieden¬ thal und Camphausen freiwillig zurückgetreten sind, haben zum Theil die Neigung, die gewohnte ministerielle Thätigkeit als Parlamentarier fortzusetzen, zum Theil die verdrießliche Empfindung, uach ihrer Verabschiedung nicht wieder ein Porte¬ feuille erhalten zu haben oder sonst wie verwendet worden zu sein. Sie müßten sich einer ungewöhnlich vornehmen Denkart erfreuen, wenn sie Erfolge derer, die jetzt ihre Posten einnehmen, frei von jeder Mißgunst betrachten oder gar herbeizuführen geneigt sein sollten, und es ist nur menschlich, nnr natürlich und gewöhnlich, wenn bloße Durchschnittsnaturen der Versuchung, den Eindruck hervorzurufen, daß ihr Rücktritt eine unausfüllbare Lücke in die Rcgiernngs- maschine gerissen habe, keine höhern patriotischen Rücksichten entgegen zu stellen im Stande sind. Wie schon anfangs bemerkt worden, ist der Plan zu dem Feldzuge gegen die Steuererlaßvvrlage des Fürsten Bismarck im Herrenhause von Herrn Camp¬ hausen entworfen worden, und derselbe ehemalige College des Kanzlers hat das Hauptmanöver dieser Campagne in dem betreffenden Ausschüsse durch Einwirkung auf dessen Mitglieder vorbereitet. Dabei wurde offenbar die Absicht verfolgt, die fast völliger Vergessenheit anhcimgefallnen guten Freunde der eingeschlafnen altliberälen Partei, durch die Herr Camphausen einige Bedeutung erlangt hatte, wieder in den Vordergrund zu ziehen und an ihre Verdienste zu erinnern, und dies konnte wirksam nur geschehen, wenn man der jetzigen Regierung die Er¬ füllung ihrer Aufgabe nach Kräften erschwerte und sie durch übelwollende Ver¬ gleiche zwischen der gegenwärtigen und der frühern Verwaltung als jener Auf¬ gabe uicht gewachsen hinstellte, wobei man sich billig verwundern kann, daß Herr Camphausen so wenig Selbsterkenntniß und Gedächtniß besaß, sich nicht zu erinnern, welch ein Rabenvater er den von der französischen Kriegsentschädigung übrig gebliebenen, unter seiner geringen Befähigung zu nutzbarer Anlegung dieser ungeheuern Summe vertrockneten und verflüchtigten Millionen gewesen war. Auch daran konnte er denken, daß er, nachdem er den Kanzler jahrelang mit dessen Anregungen zur Steuerreform hingehalten, zuletzt mit einer TabakSstener kam, die nicht zu gebrauchen war und nur von neuem seine schwache Befähigung in wirthschaftlichen Dingen darthat. Aber lassen wir ihn liegen, wo ihn die Erwiderung des von ihm ange¬ griffnen hingeworfen, und sehen wir uns einige andere Gegner des Fürsten bei der großen Debatte an. Graf Lippe war der erste, welcher der Versuchung, sein Müthchen zu kühlen, unterlag und mit größter Schärfe, Bitterkeit und Ge¬ hässigkeit gegen die Regierung in die Schranken ritt, der er ehedem angehört hatte. Ihm folgte auf gleicher Bahn der frühere Finanzminister v. Bodelschwingh,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/375>, abgerufen am 31.05.2024.