Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Cornelius im Lichte der Gegenwart.

1840, einigen Malern gesagt hatte: "Ich werde Euch Herren den Cornelius
auf den Hals schicken!", hatte böses Blut gemacht, und man war mit Recht
darauf begierig zu sehen, was der Mann leisten würde, der alle meistern sollte.
Mit der ersten Aufgabe, die ihm übertragen wurde, hätte er sich, wenn er
gewollt, die Gunst der Berliner, welche ihren Schinkel schwärmerisch verehrten,
im Sturm erobern können. Schinkel lag, von einer unheilbaren Geisteskrank¬
heit ergriffen, langsam dahin siechend auf dem Sterbebette. Sowohl um der
Pflicht der Pietät zu genügen, als um seinem glänzendsten Werke, der Säulen¬
halle des Museums, den letzten Schmuck hinzuzufügen, hatte der König befohlen,
daß die Entwürfe Schinkels für die Wände dieser Halle nunmehr trosco
ausgeführt werden sollten, und Cornelius wurde mit der Leitung dieser Aus¬
führung betraut. Von den Schinkelschen Kompositionen, welche in Berlin der
Gegenstand lebhafter Bewunderung waren, hatte Kugler 1836 gesagt: "Sie sind
der Stolz einer Zeit und eines Staates, welche zu einem solchen Höhepunkte
der Bildung gelangten, daß dieselben aus ihrer Mitte hervorgehen konnten."
Cornelius fühlte die Grundverschiedenheit seiner Kunstrichtung von der Schin¬
kelschen schnell genug heraus, als daß er nicht mit Unlust an die ihm gewor¬
dene Aufgabe hätte herantreten sollen. Man hatte sich an ihn gewandt, weil
er die monumentale Freskotechnik seinem Vaterlande gleichsam wiedergeschenkt,
und weil man annehmen konnte, daß er während der großen Arbeiten in der
Glyptothek und in der Ludwigskirche genug Erfahrungen gesammelt haben würde,
um auch die Compositionen Schinkels zu einer würdigen Ausführung zu bringen.
Cornelius übertrug dieselbe an seine in der Freskotechnik erfahrnen Schüler
Carl Hermann und Stürmer, die sich mit einigen jüngern Künstlern frisch ans
Werk machten. Aber gleich der erste Versuch mißlang. Es stellte sich heraus,
daß der Malgrund zu schnell trocknete und die Farben sich eben so schnell ver¬
änderten. Was fertig war, mußte heruntergeschlagen und ein anderer Kalk¬
bewurf aufgetragen werden, der für den Augenblick wenigstens zweckentsprechen¬
der war. Da Cornelius auch manches Wort der Geringschätzung über die
Compositionen Schinkels hatte fallen lassen, welches geschäftig weiter colportirt
wurde, gestaltete sich sein Debüt in Berlin nicht gerade angenehm. Wie wenig
Cornelius die ganze Angelegenheit am Herzen lag, beweist eine Aeußerung, die
er nach vielen Jahren auf die Frage Lohdes that, ob es denn wahr sei, daß
er die Schinkelschen Entwürfe "Lafontainesche Fabeln" genannt habe. "Kann
wohl sein, die Sachen sind etwas modern. Ich wünschte, man hätte sich mehr
an die Mythologie gehalten. Nun, auf Wunsch des Königs habe ich dann
und wann einmal nachgesehen und angeordnet. Man sollte aber kaum glauben,
daß ein Architekt das componirt habe! Es ist doch gar zu wenig architektonisch,


Cornelius im Lichte der Gegenwart.

1840, einigen Malern gesagt hatte: „Ich werde Euch Herren den Cornelius
auf den Hals schicken!", hatte böses Blut gemacht, und man war mit Recht
darauf begierig zu sehen, was der Mann leisten würde, der alle meistern sollte.
Mit der ersten Aufgabe, die ihm übertragen wurde, hätte er sich, wenn er
gewollt, die Gunst der Berliner, welche ihren Schinkel schwärmerisch verehrten,
im Sturm erobern können. Schinkel lag, von einer unheilbaren Geisteskrank¬
heit ergriffen, langsam dahin siechend auf dem Sterbebette. Sowohl um der
Pflicht der Pietät zu genügen, als um seinem glänzendsten Werke, der Säulen¬
halle des Museums, den letzten Schmuck hinzuzufügen, hatte der König befohlen,
daß die Entwürfe Schinkels für die Wände dieser Halle nunmehr trosco
ausgeführt werden sollten, und Cornelius wurde mit der Leitung dieser Aus¬
führung betraut. Von den Schinkelschen Kompositionen, welche in Berlin der
Gegenstand lebhafter Bewunderung waren, hatte Kugler 1836 gesagt: „Sie sind
der Stolz einer Zeit und eines Staates, welche zu einem solchen Höhepunkte
der Bildung gelangten, daß dieselben aus ihrer Mitte hervorgehen konnten."
Cornelius fühlte die Grundverschiedenheit seiner Kunstrichtung von der Schin¬
kelschen schnell genug heraus, als daß er nicht mit Unlust an die ihm gewor¬
dene Aufgabe hätte herantreten sollen. Man hatte sich an ihn gewandt, weil
er die monumentale Freskotechnik seinem Vaterlande gleichsam wiedergeschenkt,
und weil man annehmen konnte, daß er während der großen Arbeiten in der
Glyptothek und in der Ludwigskirche genug Erfahrungen gesammelt haben würde,
um auch die Compositionen Schinkels zu einer würdigen Ausführung zu bringen.
Cornelius übertrug dieselbe an seine in der Freskotechnik erfahrnen Schüler
Carl Hermann und Stürmer, die sich mit einigen jüngern Künstlern frisch ans
Werk machten. Aber gleich der erste Versuch mißlang. Es stellte sich heraus,
daß der Malgrund zu schnell trocknete und die Farben sich eben so schnell ver¬
änderten. Was fertig war, mußte heruntergeschlagen und ein anderer Kalk¬
bewurf aufgetragen werden, der für den Augenblick wenigstens zweckentsprechen¬
der war. Da Cornelius auch manches Wort der Geringschätzung über die
Compositionen Schinkels hatte fallen lassen, welches geschäftig weiter colportirt
wurde, gestaltete sich sein Debüt in Berlin nicht gerade angenehm. Wie wenig
Cornelius die ganze Angelegenheit am Herzen lag, beweist eine Aeußerung, die
er nach vielen Jahren auf die Frage Lohdes that, ob es denn wahr sei, daß
er die Schinkelschen Entwürfe „Lafontainesche Fabeln" genannt habe. „Kann
wohl sein, die Sachen sind etwas modern. Ich wünschte, man hätte sich mehr
an die Mythologie gehalten. Nun, auf Wunsch des Königs habe ich dann
und wann einmal nachgesehen und angeordnet. Man sollte aber kaum glauben,
daß ein Architekt das componirt habe! Es ist doch gar zu wenig architektonisch,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149028"/>
          <fw type="header" place="top"> Cornelius im Lichte der Gegenwart.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_91" prev="#ID_90" next="#ID_92"> 1840, einigen Malern gesagt hatte: &#x201E;Ich werde Euch Herren den Cornelius<lb/>
auf den Hals schicken!", hatte böses Blut gemacht, und man war mit Recht<lb/>
darauf begierig zu sehen, was der Mann leisten würde, der alle meistern sollte.<lb/>
Mit der ersten Aufgabe, die ihm übertragen wurde, hätte er sich, wenn er<lb/>
gewollt, die Gunst der Berliner, welche ihren Schinkel schwärmerisch verehrten,<lb/>
im Sturm erobern können. Schinkel lag, von einer unheilbaren Geisteskrank¬<lb/>
heit ergriffen, langsam dahin siechend auf dem Sterbebette. Sowohl um der<lb/>
Pflicht der Pietät zu genügen, als um seinem glänzendsten Werke, der Säulen¬<lb/>
halle des Museums, den letzten Schmuck hinzuzufügen, hatte der König befohlen,<lb/>
daß die Entwürfe Schinkels für die Wände dieser Halle nunmehr trosco<lb/>
ausgeführt werden sollten, und Cornelius wurde mit der Leitung dieser Aus¬<lb/>
führung betraut. Von den Schinkelschen Kompositionen, welche in Berlin der<lb/>
Gegenstand lebhafter Bewunderung waren, hatte Kugler 1836 gesagt: &#x201E;Sie sind<lb/>
der Stolz einer Zeit und eines Staates, welche zu einem solchen Höhepunkte<lb/>
der Bildung gelangten, daß dieselben aus ihrer Mitte hervorgehen konnten."<lb/>
Cornelius fühlte die Grundverschiedenheit seiner Kunstrichtung von der Schin¬<lb/>
kelschen schnell genug heraus, als daß er nicht mit Unlust an die ihm gewor¬<lb/>
dene Aufgabe hätte herantreten sollen. Man hatte sich an ihn gewandt, weil<lb/>
er die monumentale Freskotechnik seinem Vaterlande gleichsam wiedergeschenkt,<lb/>
und weil man annehmen konnte, daß er während der großen Arbeiten in der<lb/>
Glyptothek und in der Ludwigskirche genug Erfahrungen gesammelt haben würde,<lb/>
um auch die Compositionen Schinkels zu einer würdigen Ausführung zu bringen.<lb/>
Cornelius übertrug dieselbe an seine in der Freskotechnik erfahrnen Schüler<lb/>
Carl Hermann und Stürmer, die sich mit einigen jüngern Künstlern frisch ans<lb/>
Werk machten. Aber gleich der erste Versuch mißlang. Es stellte sich heraus,<lb/>
daß der Malgrund zu schnell trocknete und die Farben sich eben so schnell ver¬<lb/>
änderten. Was fertig war, mußte heruntergeschlagen und ein anderer Kalk¬<lb/>
bewurf aufgetragen werden, der für den Augenblick wenigstens zweckentsprechen¬<lb/>
der war. Da Cornelius auch manches Wort der Geringschätzung über die<lb/>
Compositionen Schinkels hatte fallen lassen, welches geschäftig weiter colportirt<lb/>
wurde, gestaltete sich sein Debüt in Berlin nicht gerade angenehm. Wie wenig<lb/>
Cornelius die ganze Angelegenheit am Herzen lag, beweist eine Aeußerung, die<lb/>
er nach vielen Jahren auf die Frage Lohdes that, ob es denn wahr sei, daß<lb/>
er die Schinkelschen Entwürfe &#x201E;Lafontainesche Fabeln" genannt habe. &#x201E;Kann<lb/>
wohl sein, die Sachen sind etwas modern. Ich wünschte, man hätte sich mehr<lb/>
an die Mythologie gehalten. Nun, auf Wunsch des Königs habe ich dann<lb/>
und wann einmal nachgesehen und angeordnet. Man sollte aber kaum glauben,<lb/>
daß ein Architekt das componirt habe! Es ist doch gar zu wenig architektonisch,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] Cornelius im Lichte der Gegenwart. 1840, einigen Malern gesagt hatte: „Ich werde Euch Herren den Cornelius auf den Hals schicken!", hatte böses Blut gemacht, und man war mit Recht darauf begierig zu sehen, was der Mann leisten würde, der alle meistern sollte. Mit der ersten Aufgabe, die ihm übertragen wurde, hätte er sich, wenn er gewollt, die Gunst der Berliner, welche ihren Schinkel schwärmerisch verehrten, im Sturm erobern können. Schinkel lag, von einer unheilbaren Geisteskrank¬ heit ergriffen, langsam dahin siechend auf dem Sterbebette. Sowohl um der Pflicht der Pietät zu genügen, als um seinem glänzendsten Werke, der Säulen¬ halle des Museums, den letzten Schmuck hinzuzufügen, hatte der König befohlen, daß die Entwürfe Schinkels für die Wände dieser Halle nunmehr trosco ausgeführt werden sollten, und Cornelius wurde mit der Leitung dieser Aus¬ führung betraut. Von den Schinkelschen Kompositionen, welche in Berlin der Gegenstand lebhafter Bewunderung waren, hatte Kugler 1836 gesagt: „Sie sind der Stolz einer Zeit und eines Staates, welche zu einem solchen Höhepunkte der Bildung gelangten, daß dieselben aus ihrer Mitte hervorgehen konnten." Cornelius fühlte die Grundverschiedenheit seiner Kunstrichtung von der Schin¬ kelschen schnell genug heraus, als daß er nicht mit Unlust an die ihm gewor¬ dene Aufgabe hätte herantreten sollen. Man hatte sich an ihn gewandt, weil er die monumentale Freskotechnik seinem Vaterlande gleichsam wiedergeschenkt, und weil man annehmen konnte, daß er während der großen Arbeiten in der Glyptothek und in der Ludwigskirche genug Erfahrungen gesammelt haben würde, um auch die Compositionen Schinkels zu einer würdigen Ausführung zu bringen. Cornelius übertrug dieselbe an seine in der Freskotechnik erfahrnen Schüler Carl Hermann und Stürmer, die sich mit einigen jüngern Künstlern frisch ans Werk machten. Aber gleich der erste Versuch mißlang. Es stellte sich heraus, daß der Malgrund zu schnell trocknete und die Farben sich eben so schnell ver¬ änderten. Was fertig war, mußte heruntergeschlagen und ein anderer Kalk¬ bewurf aufgetragen werden, der für den Augenblick wenigstens zweckentsprechen¬ der war. Da Cornelius auch manches Wort der Geringschätzung über die Compositionen Schinkels hatte fallen lassen, welches geschäftig weiter colportirt wurde, gestaltete sich sein Debüt in Berlin nicht gerade angenehm. Wie wenig Cornelius die ganze Angelegenheit am Herzen lag, beweist eine Aeußerung, die er nach vielen Jahren auf die Frage Lohdes that, ob es denn wahr sei, daß er die Schinkelschen Entwürfe „Lafontainesche Fabeln" genannt habe. „Kann wohl sein, die Sachen sind etwas modern. Ich wünschte, man hätte sich mehr an die Mythologie gehalten. Nun, auf Wunsch des Königs habe ich dann und wann einmal nachgesehen und angeordnet. Man sollte aber kaum glauben, daß ein Architekt das componirt habe! Es ist doch gar zu wenig architektonisch,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/44
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/44>, abgerufen am 15.05.2024.