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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Cornelius im Lichte der Gegenwart.

unbegrenzten Ehrgeize erfüllt war, der ihn vor keiner Intrigue, vor keiner
Kleinlichkeit zurückschrecken ließ, wenn es galt, einem Kunstgenossen ein Bein zu
stellen oder ihm einen Auftrag wegzuschnappen. Er war durchaus nicht der
selbstlose Idealist, der nur im Reiche der Gedanken lebte, wo er mit seinen gran¬
diosen Schöpfungen allein war. Er klebte so sehr am Staube wie jeder an¬
dere Erdenmeusch und beobachtete mit hämischer Freude den Niedergang Raf-
faels und die Machinationen seiner Feinde, denen er sogar nicht fern stand.
Aus dieser verzehrenden Leidenschaftlichkeit erklärt sich manches in seiner Kunst:
die herbe, rücksichtslose, eigensinnige Strenge, welche dem Zeitgeschmack keine
Concession macht, welche sich zu allem, was andere schön finden, in Opposition
stellt, ferner die verächtliche Geringschätzung aller technischen Fertigkeiten, in
welchen sich geringere Geister mit Eifer bemühen, und daneben wieder das Ri-
valisiren mit ihnen auch in diesen verachteten Fertigkeiten, ein Versuch, der ge¬
wöhnlich mit einem Fiasco endet, weil der Feuergeist die Form zersprengt.¬

Auch in diesen barocken Auswüchsen war Cornelius Mit Michelangelo ver
wandt. Anfangs Romantiker, verließ er diese Bahn, als die Romantik in
Deutschland zur Herrschaft zu gelangen begann. Als er nach Rom kam, schloß
er sich an die Nazarener an, um sich auch von ihnen bald zu trennen, als ihre
Schaar größer und größer wurde. In den Fresken der Glyptothek vollzog sich
dann sein Uebergang zur Antike. "Ich war damals noch so was man Naza¬
rener nennt" -- so äußerte er sich zu seinem letzten Schüler Max Löste, dessen
Aufzeichnungen über Cornelius' Ansichten von seiner Kunst und der Kunst über¬
haupt äußerst wichtig sind -- "hatte erst ein wenig Scheu, aber bald schmeckte
es. Nun gewann aber erst die Antike wirkliches Leben......Im Griechen-
thum werden wir immer unser Licht und unsere Leuchte suchen müssen; aber
die Tiefe der Ideen ist jetzt eine größere, die Anschauungen sind richtigere." Aber
auch dieses Verhältniß zum Alterthum, welches in den Glyptothek-Fresken zur
Erscheinung gelangt ist, war nur ein vorübergehendes. Mit Bezug darauf
äußerte er einmal: "Ich bin christlicher Maler und stehe dem classischen Alter¬
thum fern: ihm habe ich in der Glyptothek für immer genug gethan."

Wäre Cornelius zu jener Zeit nach Berlin gekommen, als die Götter und
Helden Griechenlands seine Seele füllten, so würden die Berliner, welche sich
durch Schinkels begeisterte und begeisternde Wirksamkeit ganz in das hellenische
Alterthum hineingelebt hatten, vielleicht auch ihn ganz anders aufgenommen
haben. Aber Cornelius war damals schon der starre Dogmatiker, der sich in
seiner Kunst bereits völlig jeglicher Formenschönheit entäußert hatte. Das erste,
was er in Berlin that, war, daß er sich zu Schinkel in Opposition setzte. Der
Boden, den er betrat, war schon an und für sich nicht günstig für ehr. Eine
Aeußerung des Königs, der unzufrieden mit der Kunstausstellung des Jahres


Cornelius im Lichte der Gegenwart.

unbegrenzten Ehrgeize erfüllt war, der ihn vor keiner Intrigue, vor keiner
Kleinlichkeit zurückschrecken ließ, wenn es galt, einem Kunstgenossen ein Bein zu
stellen oder ihm einen Auftrag wegzuschnappen. Er war durchaus nicht der
selbstlose Idealist, der nur im Reiche der Gedanken lebte, wo er mit seinen gran¬
diosen Schöpfungen allein war. Er klebte so sehr am Staube wie jeder an¬
dere Erdenmeusch und beobachtete mit hämischer Freude den Niedergang Raf-
faels und die Machinationen seiner Feinde, denen er sogar nicht fern stand.
Aus dieser verzehrenden Leidenschaftlichkeit erklärt sich manches in seiner Kunst:
die herbe, rücksichtslose, eigensinnige Strenge, welche dem Zeitgeschmack keine
Concession macht, welche sich zu allem, was andere schön finden, in Opposition
stellt, ferner die verächtliche Geringschätzung aller technischen Fertigkeiten, in
welchen sich geringere Geister mit Eifer bemühen, und daneben wieder das Ri-
valisiren mit ihnen auch in diesen verachteten Fertigkeiten, ein Versuch, der ge¬
wöhnlich mit einem Fiasco endet, weil der Feuergeist die Form zersprengt.¬

Auch in diesen barocken Auswüchsen war Cornelius Mit Michelangelo ver
wandt. Anfangs Romantiker, verließ er diese Bahn, als die Romantik in
Deutschland zur Herrschaft zu gelangen begann. Als er nach Rom kam, schloß
er sich an die Nazarener an, um sich auch von ihnen bald zu trennen, als ihre
Schaar größer und größer wurde. In den Fresken der Glyptothek vollzog sich
dann sein Uebergang zur Antike. „Ich war damals noch so was man Naza¬
rener nennt" — so äußerte er sich zu seinem letzten Schüler Max Löste, dessen
Aufzeichnungen über Cornelius' Ansichten von seiner Kunst und der Kunst über¬
haupt äußerst wichtig sind — „hatte erst ein wenig Scheu, aber bald schmeckte
es. Nun gewann aber erst die Antike wirkliches Leben......Im Griechen-
thum werden wir immer unser Licht und unsere Leuchte suchen müssen; aber
die Tiefe der Ideen ist jetzt eine größere, die Anschauungen sind richtigere." Aber
auch dieses Verhältniß zum Alterthum, welches in den Glyptothek-Fresken zur
Erscheinung gelangt ist, war nur ein vorübergehendes. Mit Bezug darauf
äußerte er einmal: „Ich bin christlicher Maler und stehe dem classischen Alter¬
thum fern: ihm habe ich in der Glyptothek für immer genug gethan."

Wäre Cornelius zu jener Zeit nach Berlin gekommen, als die Götter und
Helden Griechenlands seine Seele füllten, so würden die Berliner, welche sich
durch Schinkels begeisterte und begeisternde Wirksamkeit ganz in das hellenische
Alterthum hineingelebt hatten, vielleicht auch ihn ganz anders aufgenommen
haben. Aber Cornelius war damals schon der starre Dogmatiker, der sich in
seiner Kunst bereits völlig jeglicher Formenschönheit entäußert hatte. Das erste,
was er in Berlin that, war, daß er sich zu Schinkel in Opposition setzte. Der
Boden, den er betrat, war schon an und für sich nicht günstig für ehr. Eine
Aeußerung des Königs, der unzufrieden mit der Kunstausstellung des Jahres


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[0043] Cornelius im Lichte der Gegenwart. unbegrenzten Ehrgeize erfüllt war, der ihn vor keiner Intrigue, vor keiner Kleinlichkeit zurückschrecken ließ, wenn es galt, einem Kunstgenossen ein Bein zu stellen oder ihm einen Auftrag wegzuschnappen. Er war durchaus nicht der selbstlose Idealist, der nur im Reiche der Gedanken lebte, wo er mit seinen gran¬ diosen Schöpfungen allein war. Er klebte so sehr am Staube wie jeder an¬ dere Erdenmeusch und beobachtete mit hämischer Freude den Niedergang Raf- faels und die Machinationen seiner Feinde, denen er sogar nicht fern stand. Aus dieser verzehrenden Leidenschaftlichkeit erklärt sich manches in seiner Kunst: die herbe, rücksichtslose, eigensinnige Strenge, welche dem Zeitgeschmack keine Concession macht, welche sich zu allem, was andere schön finden, in Opposition stellt, ferner die verächtliche Geringschätzung aller technischen Fertigkeiten, in welchen sich geringere Geister mit Eifer bemühen, und daneben wieder das Ri- valisiren mit ihnen auch in diesen verachteten Fertigkeiten, ein Versuch, der ge¬ wöhnlich mit einem Fiasco endet, weil der Feuergeist die Form zersprengt.¬ Auch in diesen barocken Auswüchsen war Cornelius Mit Michelangelo ver wandt. Anfangs Romantiker, verließ er diese Bahn, als die Romantik in Deutschland zur Herrschaft zu gelangen begann. Als er nach Rom kam, schloß er sich an die Nazarener an, um sich auch von ihnen bald zu trennen, als ihre Schaar größer und größer wurde. In den Fresken der Glyptothek vollzog sich dann sein Uebergang zur Antike. „Ich war damals noch so was man Naza¬ rener nennt" — so äußerte er sich zu seinem letzten Schüler Max Löste, dessen Aufzeichnungen über Cornelius' Ansichten von seiner Kunst und der Kunst über¬ haupt äußerst wichtig sind — „hatte erst ein wenig Scheu, aber bald schmeckte es. Nun gewann aber erst die Antike wirkliches Leben......Im Griechen- thum werden wir immer unser Licht und unsere Leuchte suchen müssen; aber die Tiefe der Ideen ist jetzt eine größere, die Anschauungen sind richtigere." Aber auch dieses Verhältniß zum Alterthum, welches in den Glyptothek-Fresken zur Erscheinung gelangt ist, war nur ein vorübergehendes. Mit Bezug darauf äußerte er einmal: „Ich bin christlicher Maler und stehe dem classischen Alter¬ thum fern: ihm habe ich in der Glyptothek für immer genug gethan." Wäre Cornelius zu jener Zeit nach Berlin gekommen, als die Götter und Helden Griechenlands seine Seele füllten, so würden die Berliner, welche sich durch Schinkels begeisterte und begeisternde Wirksamkeit ganz in das hellenische Alterthum hineingelebt hatten, vielleicht auch ihn ganz anders aufgenommen haben. Aber Cornelius war damals schon der starre Dogmatiker, der sich in seiner Kunst bereits völlig jeglicher Formenschönheit entäußert hatte. Das erste, was er in Berlin that, war, daß er sich zu Schinkel in Opposition setzte. Der Boden, den er betrat, war schon an und für sich nicht günstig für ehr. Eine Aeußerung des Königs, der unzufrieden mit der Kunstausstellung des Jahres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/43>, abgerufen am 16.05.2024.