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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Bertuchs Briefe an Gloim.

Anspielung eins die schlüpfrige Wielandsche Richtung als auf Carl Augusts un-
kiudliches Verhalten gegen die Mutter gewesen. Man hatte die Stellung Carl
Augusts in Bezug auf die Regierungsverhältnissc formell ungebührlich einge¬
schränkt; aber bald hatte trotzdem die Mutter von den Behörden kaum noch das
für sie nöthige Geld herausbekommen können. Vielleicht hatte gerade der staats-
männische Görtz Carl August die Augen darüber geöffnet, daß ihm als Erb¬
prinzen nicht die Ehren bestimmt waren, die er hätte beanspruchen können. Jeden¬
falls gelang es Wielnnd, der selbst in Gefahr war, beseitigt zu werden, den
Grafen zu stürzen, wenn auch nur deshalb, weil Görtz wegen eines Todesfalls
hatte verreisen müssen. In den nachfolgenden Briefen vom 27. Juni 1776,
2. Juli 1775 und 14. Juli 1775 wird dies zum ersten Male dargelegt.
Durch sein Auftreten in dieser Sache bewährte sich Wieland seiner Meinung
nach gewiß als den Manu, der Carl August, diesem ^leick "1 1>ivio, schon in
seiner Dichtung "Hercules am Scheidewege" nach Kräften seine Rathschläge er¬
theilt hatte.

Was Wieland selbst viel zurückhaltender über diese Angelegenheit an Gleim
schrieb, stimmt doch mit Bertuchs Briefen an Gleim gar wohl überein, selbst wenn
man davon absieht, daß Wielnnd öfters auf die Ergänzung durch Bertuchs Corre-
spondenz gerechnet haben mag. Wielands Feindseligkeit bestätigt auch der in Kens
"Frau Rath" abgedruckte Brief Wielands. In der Biographie des Grafen Görtz
von Heinrich Döring*) wird zwar gesagt, der Grund, warum Görtz seine Stelle
als Oberhvfineister niedergelegt habe, sei nicht bekannt; allein weiterhin wird doch
bemerkt: "Ob sich das freundschaftliche Verhältniß zwischen Görtz und Wieland
auch später erhalten, ist zweifelhaft. Aus der Korrespondenz zwischen Görtz und
Dalberg scheint hervorzugehen, daß das Verhältniß durch ein zweideutiges Be¬
nehmen Wielands gegen seinen ehemaligen Freund lockerer geworden.
.Wenn Wieland etwas entschuldigt, schrieb uuter anderem Dalberg am 18. Sep¬
tember 177S, so ist es die Eigenschaft eines Dichters.'"

So hatte sich Wieland die Herzogin verpflichtet und seine in dieser Zeit
auch durch deu Hainbund tief erschütterte Stellung wenigstens am Hofe zu
Weimar für immer befestigt. Daß ohne Wielands Sieg auch Goethe in Weimar
nicht möglich gewesen wäre, scheint mir ohne Grund behauptet worden zu sein. Da-



*) Freiherr von Biedermann in Dresden hatte die Güte mich uns diese wenig bekannte
Arbeit in der allgemeinen Encyklopädie I. Serie, 72. Theil, S. 178 -- 196 aufmerksam zu
machen. DöringS Urtheil hatte um so mehr Gewicht, als er von Bertuch und Wielands Sohne
das Richtige wissen konnte. Doch ist diese Stelle bei Döring entnommen aus Görtz' Denk>
Würdigkeiten I. S. 27 und 28. Döring schrieb mich Bertnchs Biographie in den Zeitgenossen,
Neue Reihe, Bd. S. Heft XIX S. 77-103.
Bertuchs Briefe an Gloim.

Anspielung eins die schlüpfrige Wielandsche Richtung als auf Carl Augusts un-
kiudliches Verhalten gegen die Mutter gewesen. Man hatte die Stellung Carl
Augusts in Bezug auf die Regierungsverhältnissc formell ungebührlich einge¬
schränkt; aber bald hatte trotzdem die Mutter von den Behörden kaum noch das
für sie nöthige Geld herausbekommen können. Vielleicht hatte gerade der staats-
männische Görtz Carl August die Augen darüber geöffnet, daß ihm als Erb¬
prinzen nicht die Ehren bestimmt waren, die er hätte beanspruchen können. Jeden¬
falls gelang es Wielnnd, der selbst in Gefahr war, beseitigt zu werden, den
Grafen zu stürzen, wenn auch nur deshalb, weil Görtz wegen eines Todesfalls
hatte verreisen müssen. In den nachfolgenden Briefen vom 27. Juni 1776,
2. Juli 1775 und 14. Juli 1775 wird dies zum ersten Male dargelegt.
Durch sein Auftreten in dieser Sache bewährte sich Wieland seiner Meinung
nach gewiß als den Manu, der Carl August, diesem ^leick »1 1>ivio, schon in
seiner Dichtung „Hercules am Scheidewege" nach Kräften seine Rathschläge er¬
theilt hatte.

Was Wieland selbst viel zurückhaltender über diese Angelegenheit an Gleim
schrieb, stimmt doch mit Bertuchs Briefen an Gleim gar wohl überein, selbst wenn
man davon absieht, daß Wielnnd öfters auf die Ergänzung durch Bertuchs Corre-
spondenz gerechnet haben mag. Wielands Feindseligkeit bestätigt auch der in Kens
„Frau Rath" abgedruckte Brief Wielands. In der Biographie des Grafen Görtz
von Heinrich Döring*) wird zwar gesagt, der Grund, warum Görtz seine Stelle
als Oberhvfineister niedergelegt habe, sei nicht bekannt; allein weiterhin wird doch
bemerkt: „Ob sich das freundschaftliche Verhältniß zwischen Görtz und Wieland
auch später erhalten, ist zweifelhaft. Aus der Korrespondenz zwischen Görtz und
Dalberg scheint hervorzugehen, daß das Verhältniß durch ein zweideutiges Be¬
nehmen Wielands gegen seinen ehemaligen Freund lockerer geworden.
.Wenn Wieland etwas entschuldigt, schrieb uuter anderem Dalberg am 18. Sep¬
tember 177S, so ist es die Eigenschaft eines Dichters.'"

So hatte sich Wieland die Herzogin verpflichtet und seine in dieser Zeit
auch durch deu Hainbund tief erschütterte Stellung wenigstens am Hofe zu
Weimar für immer befestigt. Daß ohne Wielands Sieg auch Goethe in Weimar
nicht möglich gewesen wäre, scheint mir ohne Grund behauptet worden zu sein. Da-



*) Freiherr von Biedermann in Dresden hatte die Güte mich uns diese wenig bekannte
Arbeit in der allgemeinen Encyklopädie I. Serie, 72. Theil, S. 178 — 196 aufmerksam zu
machen. DöringS Urtheil hatte um so mehr Gewicht, als er von Bertuch und Wielands Sohne
das Richtige wissen konnte. Doch ist diese Stelle bei Döring entnommen aus Görtz' Denk>
Würdigkeiten I. S. 27 und 28. Döring schrieb mich Bertnchs Biographie in den Zeitgenossen,
Neue Reihe, Bd. S. Heft XIX S. 77-103.
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[0443] Bertuchs Briefe an Gloim. Anspielung eins die schlüpfrige Wielandsche Richtung als auf Carl Augusts un- kiudliches Verhalten gegen die Mutter gewesen. Man hatte die Stellung Carl Augusts in Bezug auf die Regierungsverhältnissc formell ungebührlich einge¬ schränkt; aber bald hatte trotzdem die Mutter von den Behörden kaum noch das für sie nöthige Geld herausbekommen können. Vielleicht hatte gerade der staats- männische Görtz Carl August die Augen darüber geöffnet, daß ihm als Erb¬ prinzen nicht die Ehren bestimmt waren, die er hätte beanspruchen können. Jeden¬ falls gelang es Wielnnd, der selbst in Gefahr war, beseitigt zu werden, den Grafen zu stürzen, wenn auch nur deshalb, weil Görtz wegen eines Todesfalls hatte verreisen müssen. In den nachfolgenden Briefen vom 27. Juni 1776, 2. Juli 1775 und 14. Juli 1775 wird dies zum ersten Male dargelegt. Durch sein Auftreten in dieser Sache bewährte sich Wieland seiner Meinung nach gewiß als den Manu, der Carl August, diesem ^leick »1 1>ivio, schon in seiner Dichtung „Hercules am Scheidewege" nach Kräften seine Rathschläge er¬ theilt hatte. Was Wieland selbst viel zurückhaltender über diese Angelegenheit an Gleim schrieb, stimmt doch mit Bertuchs Briefen an Gleim gar wohl überein, selbst wenn man davon absieht, daß Wielnnd öfters auf die Ergänzung durch Bertuchs Corre- spondenz gerechnet haben mag. Wielands Feindseligkeit bestätigt auch der in Kens „Frau Rath" abgedruckte Brief Wielands. In der Biographie des Grafen Görtz von Heinrich Döring*) wird zwar gesagt, der Grund, warum Görtz seine Stelle als Oberhvfineister niedergelegt habe, sei nicht bekannt; allein weiterhin wird doch bemerkt: „Ob sich das freundschaftliche Verhältniß zwischen Görtz und Wieland auch später erhalten, ist zweifelhaft. Aus der Korrespondenz zwischen Görtz und Dalberg scheint hervorzugehen, daß das Verhältniß durch ein zweideutiges Be¬ nehmen Wielands gegen seinen ehemaligen Freund lockerer geworden. .Wenn Wieland etwas entschuldigt, schrieb uuter anderem Dalberg am 18. Sep¬ tember 177S, so ist es die Eigenschaft eines Dichters.'" So hatte sich Wieland die Herzogin verpflichtet und seine in dieser Zeit auch durch deu Hainbund tief erschütterte Stellung wenigstens am Hofe zu Weimar für immer befestigt. Daß ohne Wielands Sieg auch Goethe in Weimar nicht möglich gewesen wäre, scheint mir ohne Grund behauptet worden zu sein. Da- *) Freiherr von Biedermann in Dresden hatte die Güte mich uns diese wenig bekannte Arbeit in der allgemeinen Encyklopädie I. Serie, 72. Theil, S. 178 — 196 aufmerksam zu machen. DöringS Urtheil hatte um so mehr Gewicht, als er von Bertuch und Wielands Sohne das Richtige wissen konnte. Doch ist diese Stelle bei Döring entnommen aus Görtz' Denk> Würdigkeiten I. S. 27 und 28. Döring schrieb mich Bertnchs Biographie in den Zeitgenossen, Neue Reihe, Bd. S. Heft XIX S. 77-103.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/443>, abgerufen am 28.05.2024.