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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Bertuchs Briefe an Gleim.

gegen konnte von Gleims Uebersiedlung nach Weimar, von der in den nachfolgenden
Briefen viel gesprochen wird, nach Goethes Einzuge keine Rede mehr sein. Die
Ursache davon, daß Gleim sich in Halberstadt nicht gefiel, mag die gewesen sein,
daß er sich als Dvmsecretnr durch seinen Streit mit Spalding, in welchem dieser
im Rechte war, geschadet hatte. Die läppische Geschichte vom Pastor Amor, die
in dem Briefe vom 24. Oct. 1774 gut erzählt ist, hatte neuen Verdruß gemacht.
Aber auch sein Amt an sich war dadurch unangenehm, daß die ergiebigen Ein¬
nahmequellen desselben zu wenig geregelt waren. Das Vermögen, welches er zu
jener Zeit schon besaß, an Wielands Seite in Weimar zu genießen, mußte für
ihn ein verlockender Gedanke sein. Indessen verräth uns Bertuchs Brief vom
28. April 177S, daß Gleim Wielands Charakter nicht traute. Außerdem entging
es Gleim gewiß nicht, daß der eigennützige Bertuch ihn in buchhändlerische Specu-
lationen zu verflechten gedachte. Suchte doch Bertuch noch in seinem reichen und
glücklichen Alter Ludwig Wieland, den Sohn seines Freundes, als Redacteur des
Oppositionsblattes auf eine unerlaubte Weise auszunutzen, wie dieser selbst gegen
Heinrich Döring geklagt hat.

Die Beziehungen der Herzogin und Wielands zu Görtz blieben unfreundlich.
Wieland und die Herzogin aber blieben lebenslänglich im besten Einverständnis
Carl August wußte sich Görtz bei der Entlassung zu verbinden. Er begnügte
sich nicht damit, daß Görtz schon durch das Entlassungsdeeret der Herzogin vom
1. Juli 1775 deu Titel Excellenz und eine lebenslängliche Pension von 1500
Thalern erhalten hatte; er verschaffte ihm auch noch 20 000 Thaler durch die
Landstände, nahm ihn mit zu seiner Vermählung und machte ihn zum Oberhof¬
meister der neuen Herzogin. Indessen zeigte sichs bald, daß Anna Amalia nicht
ohne Grund den Grafen Görtz gefürchtet hatte. War er auch in dem Jntriguen-
spiele der Dichter und Frauen zu Weimar unterlegen, König Friedrich berief ihn
zu den ehrenvollsten diplomatischen Arbeiten vor dem baierischen Erbfolgekriege
und am Fürstenbunde.

Bertuch konnte schon seinen Brief vom 16. September 1775 aus Schloß
Belvedere datiren. Als geheimer Secretär hatte er auch die Aufsicht über den
Park. Ob das, was Bertuch als Gärtner gethan, auf Goethes Wahlverwandt¬
schaften eingewirkt hat, weiß ich uicht. Aber daß Bertuchs Frau, eine geborne
Slevogt aus Waldeck, junge Mädchen in der Verfertigung künstlicher Blumen
unterrichtete, hat, wenn ich nicht irre, seinen Schatten in Goethes Leben und
Dichtungen geworfen.

Ich lasse uun zunächst den Briefwechsel zwischen Bertuch und Gleim
folgen, wie er in der Gleimschen Familienbibliothek zu Halberstadt aufbewahrt
wird.


Bertuchs Briefe an Gleim.

gegen konnte von Gleims Uebersiedlung nach Weimar, von der in den nachfolgenden
Briefen viel gesprochen wird, nach Goethes Einzuge keine Rede mehr sein. Die
Ursache davon, daß Gleim sich in Halberstadt nicht gefiel, mag die gewesen sein,
daß er sich als Dvmsecretnr durch seinen Streit mit Spalding, in welchem dieser
im Rechte war, geschadet hatte. Die läppische Geschichte vom Pastor Amor, die
in dem Briefe vom 24. Oct. 1774 gut erzählt ist, hatte neuen Verdruß gemacht.
Aber auch sein Amt an sich war dadurch unangenehm, daß die ergiebigen Ein¬
nahmequellen desselben zu wenig geregelt waren. Das Vermögen, welches er zu
jener Zeit schon besaß, an Wielands Seite in Weimar zu genießen, mußte für
ihn ein verlockender Gedanke sein. Indessen verräth uns Bertuchs Brief vom
28. April 177S, daß Gleim Wielands Charakter nicht traute. Außerdem entging
es Gleim gewiß nicht, daß der eigennützige Bertuch ihn in buchhändlerische Specu-
lationen zu verflechten gedachte. Suchte doch Bertuch noch in seinem reichen und
glücklichen Alter Ludwig Wieland, den Sohn seines Freundes, als Redacteur des
Oppositionsblattes auf eine unerlaubte Weise auszunutzen, wie dieser selbst gegen
Heinrich Döring geklagt hat.

Die Beziehungen der Herzogin und Wielands zu Görtz blieben unfreundlich.
Wieland und die Herzogin aber blieben lebenslänglich im besten Einverständnis
Carl August wußte sich Görtz bei der Entlassung zu verbinden. Er begnügte
sich nicht damit, daß Görtz schon durch das Entlassungsdeeret der Herzogin vom
1. Juli 1775 deu Titel Excellenz und eine lebenslängliche Pension von 1500
Thalern erhalten hatte; er verschaffte ihm auch noch 20 000 Thaler durch die
Landstände, nahm ihn mit zu seiner Vermählung und machte ihn zum Oberhof¬
meister der neuen Herzogin. Indessen zeigte sichs bald, daß Anna Amalia nicht
ohne Grund den Grafen Görtz gefürchtet hatte. War er auch in dem Jntriguen-
spiele der Dichter und Frauen zu Weimar unterlegen, König Friedrich berief ihn
zu den ehrenvollsten diplomatischen Arbeiten vor dem baierischen Erbfolgekriege
und am Fürstenbunde.

Bertuch konnte schon seinen Brief vom 16. September 1775 aus Schloß
Belvedere datiren. Als geheimer Secretär hatte er auch die Aufsicht über den
Park. Ob das, was Bertuch als Gärtner gethan, auf Goethes Wahlverwandt¬
schaften eingewirkt hat, weiß ich uicht. Aber daß Bertuchs Frau, eine geborne
Slevogt aus Waldeck, junge Mädchen in der Verfertigung künstlicher Blumen
unterrichtete, hat, wenn ich nicht irre, seinen Schatten in Goethes Leben und
Dichtungen geworfen.

Ich lasse uun zunächst den Briefwechsel zwischen Bertuch und Gleim
folgen, wie er in der Gleimschen Familienbibliothek zu Halberstadt aufbewahrt
wird.


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[0444] Bertuchs Briefe an Gleim. gegen konnte von Gleims Uebersiedlung nach Weimar, von der in den nachfolgenden Briefen viel gesprochen wird, nach Goethes Einzuge keine Rede mehr sein. Die Ursache davon, daß Gleim sich in Halberstadt nicht gefiel, mag die gewesen sein, daß er sich als Dvmsecretnr durch seinen Streit mit Spalding, in welchem dieser im Rechte war, geschadet hatte. Die läppische Geschichte vom Pastor Amor, die in dem Briefe vom 24. Oct. 1774 gut erzählt ist, hatte neuen Verdruß gemacht. Aber auch sein Amt an sich war dadurch unangenehm, daß die ergiebigen Ein¬ nahmequellen desselben zu wenig geregelt waren. Das Vermögen, welches er zu jener Zeit schon besaß, an Wielands Seite in Weimar zu genießen, mußte für ihn ein verlockender Gedanke sein. Indessen verräth uns Bertuchs Brief vom 28. April 177S, daß Gleim Wielands Charakter nicht traute. Außerdem entging es Gleim gewiß nicht, daß der eigennützige Bertuch ihn in buchhändlerische Specu- lationen zu verflechten gedachte. Suchte doch Bertuch noch in seinem reichen und glücklichen Alter Ludwig Wieland, den Sohn seines Freundes, als Redacteur des Oppositionsblattes auf eine unerlaubte Weise auszunutzen, wie dieser selbst gegen Heinrich Döring geklagt hat. Die Beziehungen der Herzogin und Wielands zu Görtz blieben unfreundlich. Wieland und die Herzogin aber blieben lebenslänglich im besten Einverständnis Carl August wußte sich Görtz bei der Entlassung zu verbinden. Er begnügte sich nicht damit, daß Görtz schon durch das Entlassungsdeeret der Herzogin vom 1. Juli 1775 deu Titel Excellenz und eine lebenslängliche Pension von 1500 Thalern erhalten hatte; er verschaffte ihm auch noch 20 000 Thaler durch die Landstände, nahm ihn mit zu seiner Vermählung und machte ihn zum Oberhof¬ meister der neuen Herzogin. Indessen zeigte sichs bald, daß Anna Amalia nicht ohne Grund den Grafen Görtz gefürchtet hatte. War er auch in dem Jntriguen- spiele der Dichter und Frauen zu Weimar unterlegen, König Friedrich berief ihn zu den ehrenvollsten diplomatischen Arbeiten vor dem baierischen Erbfolgekriege und am Fürstenbunde. Bertuch konnte schon seinen Brief vom 16. September 1775 aus Schloß Belvedere datiren. Als geheimer Secretär hatte er auch die Aufsicht über den Park. Ob das, was Bertuch als Gärtner gethan, auf Goethes Wahlverwandt¬ schaften eingewirkt hat, weiß ich uicht. Aber daß Bertuchs Frau, eine geborne Slevogt aus Waldeck, junge Mädchen in der Verfertigung künstlicher Blumen unterrichtete, hat, wenn ich nicht irre, seinen Schatten in Goethes Leben und Dichtungen geworfen. Ich lasse uun zunächst den Briefwechsel zwischen Bertuch und Gleim folgen, wie er in der Gleimschen Familienbibliothek zu Halberstadt aufbewahrt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/444>, abgerufen am 14.05.2024.