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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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vio Enthüllungen über die russische Politik in Asien.

und die russische Regierung auf freundschaftlichem Fuße mit einander stünden
und in ihren Absichten übereinstimmten, und daß Persien auf der Seite Ru߬
lands stünde... Die drei Mächte wünschten auf irgend eine Weise Besitz von
dem Gebiete Sr. Hoheit zu ergreifen und es unter sich zu vertheilen." Der
Berichterstatter fährt fort: "Als diese Bittschrift dem Emir vorgelesen wurde,
brach Se. Hoheit in Hunderte von Verwünschungen des Verfassers aus und
zerriß das Papier."

Wir wiederholen, daß die Citate nicht den Zweck haben, die Angaben der
englischen Presse in Betreff des russischen Theilungsplans zu bekräftigen; denn
diese enthielten eine feststehende, keinem ernsten Zweifel unterliegende Thatsache.
Sie sollten nur zeigen, wie unvorsichtig es war, wenn hohe englische Beamte
bei der Ableugnung von Verhandlungen vergaßen, daß ganz ähnliche Dinge
in den aller Welt zugänglichen Blaubüchern gedruckt zu lesen waren.

Warum wir so ausführlich auf die Sache eingegangen sind? Handelt es
sich doch um eine uns fernliegende Streitfrage. Wir entgegnen: mit Nichten fern¬
liegend. Absehend von der Verschlingung der centralasiatischen und der türkischen
Frage, erinnern wir daran, daß der siebenjährige Krieg sehr wesentlich ein Krieg
um französische und englische Interessen in Nordamerika war. Sodnnn aber hat
die Sache noch eine andere für uns beachtenswerthe Seite, indem sie in das
constitutionelle Leben hineinspielt. Was wir meinen, soll ein Artikel der Le.
^g-nos' 6ÄMtt>6 aussprechen, dem wir beipflichten. Es heißt da: "Es will
wirklich scheinen, als ob das englische Publicum, nachdem es nach der Theorie
der Verfassung im vorigen Jahre sein Urtheil über die Politik ausgesprochen,
die unser Land Nußland gegenüber zu verfolgen habe, endlich Gelegenheit er¬
halten solle, etwas von den wichtigsten Thatsachen des Falles zu erfahren. Wie
es kommt, daß diese Thatsachen so lange verhüllt geblieben sind, wollen wir
gegenwärtig nicht untersuchen. Es ist bei beiden Parteien, wie wir annehmen,
Grundsatz, daß wir unter einer Vvlksregierung leben, und daß es das Volk ist,
welches in letzter Instanz über das Verhalten der Minister zu Gerichte sitzen
muß, ein Grundsatz, der, wie wir vermuthen sollten, das gemeinsame Zugeständniß
beider Parteien einschließt, daß absichtliche Täuschung und Mystification des
obersten verfassungsmäßigen Tribunals nicht nur eine Beleidigung der Würde,
sondern ein Streich gegen das innerste Lebe" des politischen Systems ist, unter
dem wir leben. Zu solcher Täuschung und Mystification haben aber beide poli¬
tischen Parteien ihre Zuflucht genommen, und die Partei mit dem Wahlspruch:
.Vertrauen auf das Volk ist in der Sache ebenso schuldig wie die, der man vor¬
wirft, sie mißtraue dem Volke und weiche der Controle seiner Vertreter im Par¬
lamente aus. Beide haben gestattet und es zuweilen ermuthigt, daß ihre Lands-


vio Enthüllungen über die russische Politik in Asien.

und die russische Regierung auf freundschaftlichem Fuße mit einander stünden
und in ihren Absichten übereinstimmten, und daß Persien auf der Seite Ru߬
lands stünde... Die drei Mächte wünschten auf irgend eine Weise Besitz von
dem Gebiete Sr. Hoheit zu ergreifen und es unter sich zu vertheilen." Der
Berichterstatter fährt fort: „Als diese Bittschrift dem Emir vorgelesen wurde,
brach Se. Hoheit in Hunderte von Verwünschungen des Verfassers aus und
zerriß das Papier."

Wir wiederholen, daß die Citate nicht den Zweck haben, die Angaben der
englischen Presse in Betreff des russischen Theilungsplans zu bekräftigen; denn
diese enthielten eine feststehende, keinem ernsten Zweifel unterliegende Thatsache.
Sie sollten nur zeigen, wie unvorsichtig es war, wenn hohe englische Beamte
bei der Ableugnung von Verhandlungen vergaßen, daß ganz ähnliche Dinge
in den aller Welt zugänglichen Blaubüchern gedruckt zu lesen waren.

Warum wir so ausführlich auf die Sache eingegangen sind? Handelt es
sich doch um eine uns fernliegende Streitfrage. Wir entgegnen: mit Nichten fern¬
liegend. Absehend von der Verschlingung der centralasiatischen und der türkischen
Frage, erinnern wir daran, daß der siebenjährige Krieg sehr wesentlich ein Krieg
um französische und englische Interessen in Nordamerika war. Sodnnn aber hat
die Sache noch eine andere für uns beachtenswerthe Seite, indem sie in das
constitutionelle Leben hineinspielt. Was wir meinen, soll ein Artikel der Le.
^g-nos' 6ÄMtt>6 aussprechen, dem wir beipflichten. Es heißt da: „Es will
wirklich scheinen, als ob das englische Publicum, nachdem es nach der Theorie
der Verfassung im vorigen Jahre sein Urtheil über die Politik ausgesprochen,
die unser Land Nußland gegenüber zu verfolgen habe, endlich Gelegenheit er¬
halten solle, etwas von den wichtigsten Thatsachen des Falles zu erfahren. Wie
es kommt, daß diese Thatsachen so lange verhüllt geblieben sind, wollen wir
gegenwärtig nicht untersuchen. Es ist bei beiden Parteien, wie wir annehmen,
Grundsatz, daß wir unter einer Vvlksregierung leben, und daß es das Volk ist,
welches in letzter Instanz über das Verhalten der Minister zu Gerichte sitzen
muß, ein Grundsatz, der, wie wir vermuthen sollten, das gemeinsame Zugeständniß
beider Parteien einschließt, daß absichtliche Täuschung und Mystification des
obersten verfassungsmäßigen Tribunals nicht nur eine Beleidigung der Würde,
sondern ein Streich gegen das innerste Lebe» des politischen Systems ist, unter
dem wir leben. Zu solcher Täuschung und Mystification haben aber beide poli¬
tischen Parteien ihre Zuflucht genommen, und die Partei mit dem Wahlspruch:
.Vertrauen auf das Volk ist in der Sache ebenso schuldig wie die, der man vor¬
wirft, sie mißtraue dem Volke und weiche der Controle seiner Vertreter im Par¬
lamente aus. Beide haben gestattet und es zuweilen ermuthigt, daß ihre Lands-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/465>, abgerufen am 31.05.2024.