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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Cornelius in, Lichte der Gegenwart.

herbe Formenstrenge hatte etwas Unversöhnliches, Unmenschliches, und so wollte
sich keine Brücke bilden zwischen unserm Gefühl und seinem zürnenden Pathos.
"Cornelius hat es sich nicht angelegen sein lassen -- so klagte schon Kugler.....-
seinerseits zu uns in ein näheres Verhältniß zu treten. Er ist uns, wie es
scheint, mit einer gewissen Absichtlichkeit fremd geblieben." Diese Bemerkung ist
ebensowohl persönlich wie in figürlichen Sinne zu fassen. Er verschloß seine
Kunst gewissermaßen absichtlich mit sieben Siegeln, weil er dein großen Publi-
cum nicht gefallen wollte. Wie der alte Goethe, freute er sich, in seine Com-
positionen etwas "hiueinzugeheimnissen", damit die Leute sich die Köpfe zer¬
brechen konnten.

An diesen und den andern im Laufe dieses Artikels berührten Eigenarten,
die man dem Genius wohl zu Gute halten darf, ist Cornelius' Popularität
gescheitert, und es wird schwerlich jemals eine Zeit kommen, in welcher sie
wieder wachsen wird. Seine unbestrittene Größe wird für die kommenden
Generationen keine Sache der Ueberzeugung und der Empfindung, sondern nur
uoch eine Tradition sein, wie es mit Dante, Milton und vielleicht auch schon
mit Michelangelo der Fall ist. Ich kenne viele ehrliche Leute, die das lebhafteste
Bestreben gezeigt haben, zu Cornelius in ein näheres Verhältniß zu treten,
denen das aber beim besten Willen nicht gelungen ist, weil ihnen das empfan¬
gende Organ dazu fehlt.

In der Kunstgeschichte wird Cornelius immer seine bedeutungsvolle Stelle
behalten. Man wird seine einsame, erhabene Größe nicht bestreikn können,
aber man wird vielleicht auch sagen dürfen, daß seine imposante, machtvolle,
aber einseitige und maßlos subjective Erscheinung den Entwicklungsgang der
deutschen Kunst in der Richtung, wie er sich jetzt vollzieht, um zwanzig Jahre
aufgehalten hat. Man wird sagen dürfen, daß seine Einseitigkeit zum Theil
darin wurzelte, daß er den Proceß des künstlerischen Schaffens da aufhören
ließ, wo ihn andere beginnen lassen, im Carton. Vielleicht wird sich aber,
nachdem man diese Erkenntniß ausgesprochen hat, der richtige Weg zu seiner
Werthschätzung eröffnen.


Adolf Rosenberg.


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Cornelius in, Lichte der Gegenwart.

herbe Formenstrenge hatte etwas Unversöhnliches, Unmenschliches, und so wollte
sich keine Brücke bilden zwischen unserm Gefühl und seinem zürnenden Pathos.
„Cornelius hat es sich nicht angelegen sein lassen — so klagte schon Kugler.....-
seinerseits zu uns in ein näheres Verhältniß zu treten. Er ist uns, wie es
scheint, mit einer gewissen Absichtlichkeit fremd geblieben." Diese Bemerkung ist
ebensowohl persönlich wie in figürlichen Sinne zu fassen. Er verschloß seine
Kunst gewissermaßen absichtlich mit sieben Siegeln, weil er dein großen Publi-
cum nicht gefallen wollte. Wie der alte Goethe, freute er sich, in seine Com-
positionen etwas „hiueinzugeheimnissen", damit die Leute sich die Köpfe zer¬
brechen konnten.

An diesen und den andern im Laufe dieses Artikels berührten Eigenarten,
die man dem Genius wohl zu Gute halten darf, ist Cornelius' Popularität
gescheitert, und es wird schwerlich jemals eine Zeit kommen, in welcher sie
wieder wachsen wird. Seine unbestrittene Größe wird für die kommenden
Generationen keine Sache der Ueberzeugung und der Empfindung, sondern nur
uoch eine Tradition sein, wie es mit Dante, Milton und vielleicht auch schon
mit Michelangelo der Fall ist. Ich kenne viele ehrliche Leute, die das lebhafteste
Bestreben gezeigt haben, zu Cornelius in ein näheres Verhältniß zu treten,
denen das aber beim besten Willen nicht gelungen ist, weil ihnen das empfan¬
gende Organ dazu fehlt.

In der Kunstgeschichte wird Cornelius immer seine bedeutungsvolle Stelle
behalten. Man wird seine einsame, erhabene Größe nicht bestreikn können,
aber man wird vielleicht auch sagen dürfen, daß seine imposante, machtvolle,
aber einseitige und maßlos subjective Erscheinung den Entwicklungsgang der
deutschen Kunst in der Richtung, wie er sich jetzt vollzieht, um zwanzig Jahre
aufgehalten hat. Man wird sagen dürfen, daß seine Einseitigkeit zum Theil
darin wurzelte, daß er den Proceß des künstlerischen Schaffens da aufhören
ließ, wo ihn andere beginnen lassen, im Carton. Vielleicht wird sich aber,
nachdem man diese Erkenntniß ausgesprochen hat, der richtige Weg zu seiner
Werthschätzung eröffnen.


Adolf Rosenberg.


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[0049] Cornelius in, Lichte der Gegenwart. herbe Formenstrenge hatte etwas Unversöhnliches, Unmenschliches, und so wollte sich keine Brücke bilden zwischen unserm Gefühl und seinem zürnenden Pathos. „Cornelius hat es sich nicht angelegen sein lassen — so klagte schon Kugler.....- seinerseits zu uns in ein näheres Verhältniß zu treten. Er ist uns, wie es scheint, mit einer gewissen Absichtlichkeit fremd geblieben." Diese Bemerkung ist ebensowohl persönlich wie in figürlichen Sinne zu fassen. Er verschloß seine Kunst gewissermaßen absichtlich mit sieben Siegeln, weil er dein großen Publi- cum nicht gefallen wollte. Wie der alte Goethe, freute er sich, in seine Com- positionen etwas „hiueinzugeheimnissen", damit die Leute sich die Köpfe zer¬ brechen konnten. An diesen und den andern im Laufe dieses Artikels berührten Eigenarten, die man dem Genius wohl zu Gute halten darf, ist Cornelius' Popularität gescheitert, und es wird schwerlich jemals eine Zeit kommen, in welcher sie wieder wachsen wird. Seine unbestrittene Größe wird für die kommenden Generationen keine Sache der Ueberzeugung und der Empfindung, sondern nur uoch eine Tradition sein, wie es mit Dante, Milton und vielleicht auch schon mit Michelangelo der Fall ist. Ich kenne viele ehrliche Leute, die das lebhafteste Bestreben gezeigt haben, zu Cornelius in ein näheres Verhältniß zu treten, denen das aber beim besten Willen nicht gelungen ist, weil ihnen das empfan¬ gende Organ dazu fehlt. In der Kunstgeschichte wird Cornelius immer seine bedeutungsvolle Stelle behalten. Man wird seine einsame, erhabene Größe nicht bestreikn können, aber man wird vielleicht auch sagen dürfen, daß seine imposante, machtvolle, aber einseitige und maßlos subjective Erscheinung den Entwicklungsgang der deutschen Kunst in der Richtung, wie er sich jetzt vollzieht, um zwanzig Jahre aufgehalten hat. Man wird sagen dürfen, daß seine Einseitigkeit zum Theil darin wurzelte, daß er den Proceß des künstlerischen Schaffens da aufhören ließ, wo ihn andere beginnen lassen, im Carton. Vielleicht wird sich aber, nachdem man diese Erkenntniß ausgesprochen hat, der richtige Weg zu seiner Werthschätzung eröffnen. Adolf Rosenberg. Grenzboten l> l«8l.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/49>, abgerufen am 15.05.2024.