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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Bertnchs Briefe ein Gleim.

hab ichs vergehen und itzt ists dazu zu kurz. Aber schicken Sie ihn mir ja wieder,
denn sonst machen Sie mir eine Lücke in diese Liebespfänder, die ich von Sie
habe. Im Grunde ists ein wahrer Spaß mit anzusehen, wie unsre jungen
Genien, die doch immer nur Ephemeren sind, rasen. Da zieht auch so ein ge¬
waltiger Tyranncnwürger . . .

Hier bricht der Briefwechsel ab. Selbst die letzten Blätter des Briefes
von 18. December 1777 fehlen. Es wäre möglich, daß Gleim viele spätere Briefe
Bcrtuchs, der diese schon in den Briefen vom 7. November 1774 und besonders
vom 27. Juni 1775 ausdrücklich uur für Gleims Augen zu schreiben erklärt
hatte, wirklich verbrannt hätte. Daß die Korrespondenz nach diesem fragmen¬
tarischen Briefe nicht fortgesetzt worden sei, ist weniger wahrscheinlich, als daß
sie in Zeiten, da Wielands Einfluß auf die literarische Haltung des Hofes nicht
mehr der überwiegende war, allzu vertraute Mittheilungen enthalten habe. Sagt
doch Wegele, dnß Bertuch, "der Al Hast des christlichen Saladin" Carl August,
über die Ausgaben, welche die Genie's dem Herzoge nun verursachten, oft in
Verzweiflung gerathen sei. Sollten aber Bertnchs etwaige spätere Briefe an
Gleim in dem Gleim'schen Familienstifte noch aufgefunden werden, so werde"
sie vielleicht mehr Licht über Goethe's Verhältniß zu Carl August verbreiten
als Bertuch's Selbstbiographie, deren Vorhandensein man vermuthet hat. Eine
solche Lebensbeschreibung möchte sich wohl vorzugsweise mit Bertuchs Unter¬
nehmungen beschäftigen. Wenigstens handeln 28 meist an Göschen gerichtete
Briefe Bertuchs aus den Jahren 1777--1822, die mir bei dem Autographen-
Händler Herrn Spitta in Berlin noch einzusehen vergönnt war, fast nur von Ge¬
schäften. Auf Goethe wird nur in zwei Stellen Rücksicht genommen.

In einem Briefe an Göschen aus Weimar vom 6. Februar 1789 schreibt
Bertuch: "Den 8. Band von Göthe und 6 Unica hab' ich erhalten und danke.
Die Protestationen laufen jetzt täglich mehr bey der Allgemeinen Literatur-
zeitung ein, denn kein Mensch will was mit der 22 zu thun haben. In Halle
giebt man mich laut für den Verfasser des Commentars aus. Ich bin neugierig,
was Bcchrdt und Konsorten thun, und ob Sie (sie) mich angreifen oder die
Prügelsuppe in der Stille ertragen und heimlich wegzuschleichen suchen. Meine
Protestation haben Sie doch gelesen." Bertuch hatte 1784 den Plan zur Jenaischen
Allgemeinen Literaturzeitung entworfen. Bertuch wurde von Böttiger "der Vater
aller deutschen Litcratnrzcitungcn" genannt, weil ans der Jenaische" die Hallische
Literaturzeitung, späterhin aber noch andere Nachahmungen, z. B. in Wien,
Leipzig und München, hervorgingen.

Ausschließlich mit Goethe beschäftigt sich die zweite Briefstelle, in der Bertuch
aus Weimar vom 2ö. Juli 1786 an Göschen nach Prag schreibt: "Göthe ist


Bertnchs Briefe ein Gleim.

hab ichs vergehen und itzt ists dazu zu kurz. Aber schicken Sie ihn mir ja wieder,
denn sonst machen Sie mir eine Lücke in diese Liebespfänder, die ich von Sie
habe. Im Grunde ists ein wahrer Spaß mit anzusehen, wie unsre jungen
Genien, die doch immer nur Ephemeren sind, rasen. Da zieht auch so ein ge¬
waltiger Tyranncnwürger . . .

Hier bricht der Briefwechsel ab. Selbst die letzten Blätter des Briefes
von 18. December 1777 fehlen. Es wäre möglich, daß Gleim viele spätere Briefe
Bcrtuchs, der diese schon in den Briefen vom 7. November 1774 und besonders
vom 27. Juni 1775 ausdrücklich uur für Gleims Augen zu schreiben erklärt
hatte, wirklich verbrannt hätte. Daß die Korrespondenz nach diesem fragmen¬
tarischen Briefe nicht fortgesetzt worden sei, ist weniger wahrscheinlich, als daß
sie in Zeiten, da Wielands Einfluß auf die literarische Haltung des Hofes nicht
mehr der überwiegende war, allzu vertraute Mittheilungen enthalten habe. Sagt
doch Wegele, dnß Bertuch, „der Al Hast des christlichen Saladin" Carl August,
über die Ausgaben, welche die Genie's dem Herzoge nun verursachten, oft in
Verzweiflung gerathen sei. Sollten aber Bertnchs etwaige spätere Briefe an
Gleim in dem Gleim'schen Familienstifte noch aufgefunden werden, so werde»
sie vielleicht mehr Licht über Goethe's Verhältniß zu Carl August verbreiten
als Bertuch's Selbstbiographie, deren Vorhandensein man vermuthet hat. Eine
solche Lebensbeschreibung möchte sich wohl vorzugsweise mit Bertuchs Unter¬
nehmungen beschäftigen. Wenigstens handeln 28 meist an Göschen gerichtete
Briefe Bertuchs aus den Jahren 1777—1822, die mir bei dem Autographen-
Händler Herrn Spitta in Berlin noch einzusehen vergönnt war, fast nur von Ge¬
schäften. Auf Goethe wird nur in zwei Stellen Rücksicht genommen.

In einem Briefe an Göschen aus Weimar vom 6. Februar 1789 schreibt
Bertuch: „Den 8. Band von Göthe und 6 Unica hab' ich erhalten und danke.
Die Protestationen laufen jetzt täglich mehr bey der Allgemeinen Literatur-
zeitung ein, denn kein Mensch will was mit der 22 zu thun haben. In Halle
giebt man mich laut für den Verfasser des Commentars aus. Ich bin neugierig,
was Bcchrdt und Konsorten thun, und ob Sie (sie) mich angreifen oder die
Prügelsuppe in der Stille ertragen und heimlich wegzuschleichen suchen. Meine
Protestation haben Sie doch gelesen." Bertuch hatte 1784 den Plan zur Jenaischen
Allgemeinen Literaturzeitung entworfen. Bertuch wurde von Böttiger „der Vater
aller deutschen Litcratnrzcitungcn" genannt, weil ans der Jenaische» die Hallische
Literaturzeitung, späterhin aber noch andere Nachahmungen, z. B. in Wien,
Leipzig und München, hervorgingen.

Ausschließlich mit Goethe beschäftigt sich die zweite Briefstelle, in der Bertuch
aus Weimar vom 2ö. Juli 1786 an Göschen nach Prag schreibt: „Göthe ist


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[0492] Bertnchs Briefe ein Gleim. hab ichs vergehen und itzt ists dazu zu kurz. Aber schicken Sie ihn mir ja wieder, denn sonst machen Sie mir eine Lücke in diese Liebespfänder, die ich von Sie habe. Im Grunde ists ein wahrer Spaß mit anzusehen, wie unsre jungen Genien, die doch immer nur Ephemeren sind, rasen. Da zieht auch so ein ge¬ waltiger Tyranncnwürger . . . Hier bricht der Briefwechsel ab. Selbst die letzten Blätter des Briefes von 18. December 1777 fehlen. Es wäre möglich, daß Gleim viele spätere Briefe Bcrtuchs, der diese schon in den Briefen vom 7. November 1774 und besonders vom 27. Juni 1775 ausdrücklich uur für Gleims Augen zu schreiben erklärt hatte, wirklich verbrannt hätte. Daß die Korrespondenz nach diesem fragmen¬ tarischen Briefe nicht fortgesetzt worden sei, ist weniger wahrscheinlich, als daß sie in Zeiten, da Wielands Einfluß auf die literarische Haltung des Hofes nicht mehr der überwiegende war, allzu vertraute Mittheilungen enthalten habe. Sagt doch Wegele, dnß Bertuch, „der Al Hast des christlichen Saladin" Carl August, über die Ausgaben, welche die Genie's dem Herzoge nun verursachten, oft in Verzweiflung gerathen sei. Sollten aber Bertnchs etwaige spätere Briefe an Gleim in dem Gleim'schen Familienstifte noch aufgefunden werden, so werde» sie vielleicht mehr Licht über Goethe's Verhältniß zu Carl August verbreiten als Bertuch's Selbstbiographie, deren Vorhandensein man vermuthet hat. Eine solche Lebensbeschreibung möchte sich wohl vorzugsweise mit Bertuchs Unter¬ nehmungen beschäftigen. Wenigstens handeln 28 meist an Göschen gerichtete Briefe Bertuchs aus den Jahren 1777—1822, die mir bei dem Autographen- Händler Herrn Spitta in Berlin noch einzusehen vergönnt war, fast nur von Ge¬ schäften. Auf Goethe wird nur in zwei Stellen Rücksicht genommen. In einem Briefe an Göschen aus Weimar vom 6. Februar 1789 schreibt Bertuch: „Den 8. Band von Göthe und 6 Unica hab' ich erhalten und danke. Die Protestationen laufen jetzt täglich mehr bey der Allgemeinen Literatur- zeitung ein, denn kein Mensch will was mit der 22 zu thun haben. In Halle giebt man mich laut für den Verfasser des Commentars aus. Ich bin neugierig, was Bcchrdt und Konsorten thun, und ob Sie (sie) mich angreifen oder die Prügelsuppe in der Stille ertragen und heimlich wegzuschleichen suchen. Meine Protestation haben Sie doch gelesen." Bertuch hatte 1784 den Plan zur Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung entworfen. Bertuch wurde von Böttiger „der Vater aller deutschen Litcratnrzcitungcn" genannt, weil ans der Jenaische» die Hallische Literaturzeitung, späterhin aber noch andere Nachahmungen, z. B. in Wien, Leipzig und München, hervorgingen. Ausschließlich mit Goethe beschäftigt sich die zweite Briefstelle, in der Bertuch aus Weimar vom 2ö. Juli 1786 an Göschen nach Prag schreibt: „Göthe ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/492>, abgerufen am 14.05.2024.