Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Das System ver'ciltsynagogcilen Theologie.

ein Ende machen solle. Von letzterer Seite hat man es mehr oder weniger
nachdrücklich ausgesprochen, daß man, da der verderbliche Einfluß der Juden
in erster Linie von ihrer religiösen, sittlichen und wissenschaftlichen Skepsis aus¬
gehe, eine Besserung erst dann erwarten dürfe, wenn die Juden von ihrem Un¬
glauben, der sich mit frivolem Spotte gleichmäßig gegen Judenthum wie Christen¬
thum richtet, zu einem strengern Glauben und damit zugleich zu einem strenger"
Festhalten an den sittlichen Forderungen des Judenthums zurückkehren würden.

Angesichts dieses Standpunktes ist vor allen Dingen die Frage zu erwägen,
ob die Principien des Judenthums wirklich derartige sind, daß sich von ihrer
gläubigen Befolgung eine Besserung für die gegenseitige Stellung der Christen
und Juden erwarten läßt, oder ob nicht vielleicht -- wie auch vielfach behauptet
worden ist -- gerade diese Principien von vornherein so geartet sind, daß sie
einer Anerkennung der berechtigten Ansprüche, die auch die Christen an die Juden
zu stellen haben, und so einer friedlichen Auseinandersetzung zwischen beiden Par¬
teien entgegenstehen. Denn man darf nicht vergessen, daß neben dem Reforin-
judenthum, dessen ungläubiger Abfall von der väterlichen Religion und seinem
Autoritätsglauben eben einen solchen zersetzenden Einfluß auf unsre sittlichen und
geistigen Anschauungen ausgeübt und durch die Macht der Presse in den weitesten
Kreisen verbreitet hat, doch noch immer als festgeschlvssne Majorität das ortho¬
doxe Judenthum steht, welches die Kernpunkte seiner sittlichen Grundsätze aus dem
Gesetze und dessen authentischer Auslegung in den Talmuden als der Norm
für sein gesäumtes Denken und Handel" entnimmt.

Da muß denn gleich von vornherein darauf hingewiesen werden, daß es
gewiß nicht zufällig ist, daß die von den Juden ausgehende zersetzende Wirkung
sich erst gezeigt hat, seitdem innerhalb des Judenthums selber jene auflösenden
Elemente einer allgemeinen Skepsis um sich gegriffen haben, wenngleich dabei
natürlich nicht außer Acht zu lassen ist, daß dieser verderbliche Einfluß sich erst seit
der Judenemancipation auf weitere Kreise erstrecken konnte. Ohne Zweifel ist diese
Thatsache, welche ein beachtenswerthes Zeugniß zu Gunsten des strenggläubigen
Judenthums und seiner religiösen Principien ablegt, mit in die Wagschale zu werfe",
wenn es gilt, die Frage zu beantworten, woraus die das moderne Judenthum be¬
herrschenden schädlichen Grundsätze, deren verderbliche Folgen in der letzten Zeit so
klar zu Tage getreten sind und ebeu darum die Judenfrage herbeigeführt haben,
hervorgegangen sind, ob sie zu betrachte" siud als die Frucht jeuer unvorbereitet
eingetretnen und vvllzogncn Mischung des in sich erstarrten altjüdischen Geistes
mit den freieren Anschauungen der modernen Welt, einer Mischung, die schon
ihrer Art und Entstehung nach einen zersetzenden Einfluß auf das plötzlich aller
Schranken ledige Judenthum und später auf die der Einwirkung der jüdische"


Das System ver'ciltsynagogcilen Theologie.

ein Ende machen solle. Von letzterer Seite hat man es mehr oder weniger
nachdrücklich ausgesprochen, daß man, da der verderbliche Einfluß der Juden
in erster Linie von ihrer religiösen, sittlichen und wissenschaftlichen Skepsis aus¬
gehe, eine Besserung erst dann erwarten dürfe, wenn die Juden von ihrem Un¬
glauben, der sich mit frivolem Spotte gleichmäßig gegen Judenthum wie Christen¬
thum richtet, zu einem strengern Glauben und damit zugleich zu einem strenger»
Festhalten an den sittlichen Forderungen des Judenthums zurückkehren würden.

Angesichts dieses Standpunktes ist vor allen Dingen die Frage zu erwägen,
ob die Principien des Judenthums wirklich derartige sind, daß sich von ihrer
gläubigen Befolgung eine Besserung für die gegenseitige Stellung der Christen
und Juden erwarten läßt, oder ob nicht vielleicht — wie auch vielfach behauptet
worden ist — gerade diese Principien von vornherein so geartet sind, daß sie
einer Anerkennung der berechtigten Ansprüche, die auch die Christen an die Juden
zu stellen haben, und so einer friedlichen Auseinandersetzung zwischen beiden Par¬
teien entgegenstehen. Denn man darf nicht vergessen, daß neben dem Reforin-
judenthum, dessen ungläubiger Abfall von der väterlichen Religion und seinem
Autoritätsglauben eben einen solchen zersetzenden Einfluß auf unsre sittlichen und
geistigen Anschauungen ausgeübt und durch die Macht der Presse in den weitesten
Kreisen verbreitet hat, doch noch immer als festgeschlvssne Majorität das ortho¬
doxe Judenthum steht, welches die Kernpunkte seiner sittlichen Grundsätze aus dem
Gesetze und dessen authentischer Auslegung in den Talmuden als der Norm
für sein gesäumtes Denken und Handel» entnimmt.

Da muß denn gleich von vornherein darauf hingewiesen werden, daß es
gewiß nicht zufällig ist, daß die von den Juden ausgehende zersetzende Wirkung
sich erst gezeigt hat, seitdem innerhalb des Judenthums selber jene auflösenden
Elemente einer allgemeinen Skepsis um sich gegriffen haben, wenngleich dabei
natürlich nicht außer Acht zu lassen ist, daß dieser verderbliche Einfluß sich erst seit
der Judenemancipation auf weitere Kreise erstrecken konnte. Ohne Zweifel ist diese
Thatsache, welche ein beachtenswerthes Zeugniß zu Gunsten des strenggläubigen
Judenthums und seiner religiösen Principien ablegt, mit in die Wagschale zu werfe»,
wenn es gilt, die Frage zu beantworten, woraus die das moderne Judenthum be¬
herrschenden schädlichen Grundsätze, deren verderbliche Folgen in der letzten Zeit so
klar zu Tage getreten sind und ebeu darum die Judenfrage herbeigeführt haben,
hervorgegangen sind, ob sie zu betrachte» siud als die Frucht jeuer unvorbereitet
eingetretnen und vvllzogncn Mischung des in sich erstarrten altjüdischen Geistes
mit den freieren Anschauungen der modernen Welt, einer Mischung, die schon
ihrer Art und Entstehung nach einen zersetzenden Einfluß auf das plötzlich aller
Schranken ledige Judenthum und später auf die der Einwirkung der jüdische»


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149490"/>
          <fw type="header" place="top"> Das System ver'ciltsynagogcilen Theologie.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1421" prev="#ID_1420"> ein Ende machen solle. Von letzterer Seite hat man es mehr oder weniger<lb/>
nachdrücklich ausgesprochen, daß man, da der verderbliche Einfluß der Juden<lb/>
in erster Linie von ihrer religiösen, sittlichen und wissenschaftlichen Skepsis aus¬<lb/>
gehe, eine Besserung erst dann erwarten dürfe, wenn die Juden von ihrem Un¬<lb/>
glauben, der sich mit frivolem Spotte gleichmäßig gegen Judenthum wie Christen¬<lb/>
thum richtet, zu einem strengern Glauben und damit zugleich zu einem strenger»<lb/>
Festhalten an den sittlichen Forderungen des Judenthums zurückkehren würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1422"> Angesichts dieses Standpunktes ist vor allen Dingen die Frage zu erwägen,<lb/>
ob die Principien des Judenthums wirklich derartige sind, daß sich von ihrer<lb/>
gläubigen Befolgung eine Besserung für die gegenseitige Stellung der Christen<lb/>
und Juden erwarten läßt, oder ob nicht vielleicht &#x2014; wie auch vielfach behauptet<lb/>
worden ist &#x2014; gerade diese Principien von vornherein so geartet sind, daß sie<lb/>
einer Anerkennung der berechtigten Ansprüche, die auch die Christen an die Juden<lb/>
zu stellen haben, und so einer friedlichen Auseinandersetzung zwischen beiden Par¬<lb/>
teien entgegenstehen. Denn man darf nicht vergessen, daß neben dem Reforin-<lb/>
judenthum, dessen ungläubiger Abfall von der väterlichen Religion und seinem<lb/>
Autoritätsglauben eben einen solchen zersetzenden Einfluß auf unsre sittlichen und<lb/>
geistigen Anschauungen ausgeübt und durch die Macht der Presse in den weitesten<lb/>
Kreisen verbreitet hat, doch noch immer als festgeschlvssne Majorität das ortho¬<lb/>
doxe Judenthum steht, welches die Kernpunkte seiner sittlichen Grundsätze aus dem<lb/>
Gesetze und dessen authentischer Auslegung in den Talmuden als der Norm<lb/>
für sein gesäumtes Denken und Handel» entnimmt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1423" next="#ID_1424"> Da muß denn gleich von vornherein darauf hingewiesen werden, daß es<lb/>
gewiß nicht zufällig ist, daß die von den Juden ausgehende zersetzende Wirkung<lb/>
sich erst gezeigt hat, seitdem innerhalb des Judenthums selber jene auflösenden<lb/>
Elemente einer allgemeinen Skepsis um sich gegriffen haben, wenngleich dabei<lb/>
natürlich nicht außer Acht zu lassen ist, daß dieser verderbliche Einfluß sich erst seit<lb/>
der Judenemancipation auf weitere Kreise erstrecken konnte. Ohne Zweifel ist diese<lb/>
Thatsache, welche ein beachtenswerthes Zeugniß zu Gunsten des strenggläubigen<lb/>
Judenthums und seiner religiösen Principien ablegt, mit in die Wagschale zu werfe»,<lb/>
wenn es gilt, die Frage zu beantworten, woraus die das moderne Judenthum be¬<lb/>
herrschenden schädlichen Grundsätze, deren verderbliche Folgen in der letzten Zeit so<lb/>
klar zu Tage getreten sind und ebeu darum die Judenfrage herbeigeführt haben,<lb/>
hervorgegangen sind, ob sie zu betrachte» siud als die Frucht jeuer unvorbereitet<lb/>
eingetretnen und vvllzogncn Mischung des in sich erstarrten altjüdischen Geistes<lb/>
mit den freieren Anschauungen der modernen Welt, einer Mischung, die schon<lb/>
ihrer Art und Entstehung nach einen zersetzenden Einfluß auf das plötzlich aller<lb/>
Schranken ledige Judenthum und später auf die der Einwirkung der jüdische»</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0506] Das System ver'ciltsynagogcilen Theologie. ein Ende machen solle. Von letzterer Seite hat man es mehr oder weniger nachdrücklich ausgesprochen, daß man, da der verderbliche Einfluß der Juden in erster Linie von ihrer religiösen, sittlichen und wissenschaftlichen Skepsis aus¬ gehe, eine Besserung erst dann erwarten dürfe, wenn die Juden von ihrem Un¬ glauben, der sich mit frivolem Spotte gleichmäßig gegen Judenthum wie Christen¬ thum richtet, zu einem strengern Glauben und damit zugleich zu einem strenger» Festhalten an den sittlichen Forderungen des Judenthums zurückkehren würden. Angesichts dieses Standpunktes ist vor allen Dingen die Frage zu erwägen, ob die Principien des Judenthums wirklich derartige sind, daß sich von ihrer gläubigen Befolgung eine Besserung für die gegenseitige Stellung der Christen und Juden erwarten läßt, oder ob nicht vielleicht — wie auch vielfach behauptet worden ist — gerade diese Principien von vornherein so geartet sind, daß sie einer Anerkennung der berechtigten Ansprüche, die auch die Christen an die Juden zu stellen haben, und so einer friedlichen Auseinandersetzung zwischen beiden Par¬ teien entgegenstehen. Denn man darf nicht vergessen, daß neben dem Reforin- judenthum, dessen ungläubiger Abfall von der väterlichen Religion und seinem Autoritätsglauben eben einen solchen zersetzenden Einfluß auf unsre sittlichen und geistigen Anschauungen ausgeübt und durch die Macht der Presse in den weitesten Kreisen verbreitet hat, doch noch immer als festgeschlvssne Majorität das ortho¬ doxe Judenthum steht, welches die Kernpunkte seiner sittlichen Grundsätze aus dem Gesetze und dessen authentischer Auslegung in den Talmuden als der Norm für sein gesäumtes Denken und Handel» entnimmt. Da muß denn gleich von vornherein darauf hingewiesen werden, daß es gewiß nicht zufällig ist, daß die von den Juden ausgehende zersetzende Wirkung sich erst gezeigt hat, seitdem innerhalb des Judenthums selber jene auflösenden Elemente einer allgemeinen Skepsis um sich gegriffen haben, wenngleich dabei natürlich nicht außer Acht zu lassen ist, daß dieser verderbliche Einfluß sich erst seit der Judenemancipation auf weitere Kreise erstrecken konnte. Ohne Zweifel ist diese Thatsache, welche ein beachtenswerthes Zeugniß zu Gunsten des strenggläubigen Judenthums und seiner religiösen Principien ablegt, mit in die Wagschale zu werfe», wenn es gilt, die Frage zu beantworten, woraus die das moderne Judenthum be¬ herrschenden schädlichen Grundsätze, deren verderbliche Folgen in der letzten Zeit so klar zu Tage getreten sind und ebeu darum die Judenfrage herbeigeführt haben, hervorgegangen sind, ob sie zu betrachte» siud als die Frucht jeuer unvorbereitet eingetretnen und vvllzogncn Mischung des in sich erstarrten altjüdischen Geistes mit den freieren Anschauungen der modernen Welt, einer Mischung, die schon ihrer Art und Entstehung nach einen zersetzenden Einfluß auf das plötzlich aller Schranken ledige Judenthum und später auf die der Einwirkung der jüdische»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/506
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/506>, abgerufen am 15.05.2024.