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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Das dabei ins Auge zu fassende Gebiet ist vorzüglich in Thessalien zu suchen. Das¬
selbe ist fruchtbar, vorzüglich an Getreide, es umfaßt die Von der Pforte zum
Schutze ihrer thessalischen Grenze errichteten festen Punkte mit Einschluß von Volo,
Armyro, Domoko, die wichtige Stellung von Trikala, desgleichen die Städte Fersala
und Larissa, lauter Positionen, durch welche Griechenland in seiner Widerstandskraft
gegenüber einem Angriffe von Norden her beträchtlich gestärkt wird. Auch der Besitz
des Hafens von Volo trägt wesentlich zur Sicherheit Griechenlands bei.

England, von dem man bisher angenommen, daß es die Griechen insgeheim
ermuthige, bei ihren Ansprüchen zu beharren, scheint nichts der Art gethan zu haben,
wenigstens stellt dies eine Depesche, die Granville am 6. April an den britischen
Bevollmächtigten in Athen richtete, entschieden in Abrede, indem er dein Gesandten
zugleich erklärt, daß es jetzt nothwendig erscheine, den Griechen klar und deutlich
kundzuthun, man werde sich nicht von den übrigen Mächten trennen, und Griechen¬
land habe vou Großbritannien keinerlei Unterstützung zu hoffen, falls es den Vor¬
schriften einer gesunden Politik zum Trotze den Rath Europas zurückweisen sollte.

Die Botschafter brachten den von ihnen vereinbarten Plan einer anderweitigen
Lösung der Grcnzfrage in Cvllcctivnoten der Pforte und dem griechischen Cabinet
zur Kenntniß. In der identischen Note vom 7. April, mit der dies in Athen ge¬
schah, hieß es: "Da die in der Schlußacte der Berliner Konferenz enthaltnen
Conelusionen die von den Cabinetten in Aussicht genommene friedliche Verwirk¬
lichung nicht zu erlangen vermocht, so haben die vermittelnden Mächte ihren Ver¬
tretern in Konstantinopel aufgetragen, unter sich diejenige Grenzlinie ausfindig zu
machen und festzustellen, welche nach ihrer Anschauung den Anforderungen der Lage
am besten entspreche. Nachdem sie die verschiednen in Borschlag zu bringenden
Lösungen reiflich geprüft, haben die in Konstantinopel beglaubigten Vertreter der
Mächte ihren Regierungen die Träne und die Stipulationen, über welche sie sich
geeinigt, einstimmig empfohlen." Nun folgt in der Note der Text des Protokolls
der Botschafter, welches die oben angegebne neue Grenze bestimmt, und dann schließt
das Actenstück mit den Worten: "Nachdem die Mächte die Vorschläge ihrer Ver¬
treter in Konstantinopel einstimmig gebilligt, thun sie der hellenischen Regierung
hiermit zu wissen, daß die vorstehenden Conelnsionen von ihnen den in der Schluß-
aete der Berliner Conferenz aufgestellten von jetzt ab förmlich substituirt werden,
und daß die Mächte im Interesse des allgemeinen Friedens an dieser Lösung, welche
nunmehr als eine von Europa getroffne Entscheidung zu betrachten ist, festzuhalten
gewillt sind. Die hellenische Regierung wird deshalb eingeladen, das im gegen¬
wärtigen Aktenstück enthaltne Arrangement anzunehmen, und die Mächte drücken
das Vertrauen aus, daß das griechische Cabinet nicht durch Verweigerung seiner
Zustimmung sich die Sympathien Europas entfremden und die unermeßliche Ver¬
antwortlichkeit, welche die Vermitteluden Mächte ihm zuWälzen würden, auf sich
nehmen und sich der vollständigen Jsolirung, welche die unausbleibliche Folge seiner
Weigerung sein würde, aussetzen werde. Wenn aber, wie die vermittelnden Mächte


Das dabei ins Auge zu fassende Gebiet ist vorzüglich in Thessalien zu suchen. Das¬
selbe ist fruchtbar, vorzüglich an Getreide, es umfaßt die Von der Pforte zum
Schutze ihrer thessalischen Grenze errichteten festen Punkte mit Einschluß von Volo,
Armyro, Domoko, die wichtige Stellung von Trikala, desgleichen die Städte Fersala
und Larissa, lauter Positionen, durch welche Griechenland in seiner Widerstandskraft
gegenüber einem Angriffe von Norden her beträchtlich gestärkt wird. Auch der Besitz
des Hafens von Volo trägt wesentlich zur Sicherheit Griechenlands bei.

England, von dem man bisher angenommen, daß es die Griechen insgeheim
ermuthige, bei ihren Ansprüchen zu beharren, scheint nichts der Art gethan zu haben,
wenigstens stellt dies eine Depesche, die Granville am 6. April an den britischen
Bevollmächtigten in Athen richtete, entschieden in Abrede, indem er dein Gesandten
zugleich erklärt, daß es jetzt nothwendig erscheine, den Griechen klar und deutlich
kundzuthun, man werde sich nicht von den übrigen Mächten trennen, und Griechen¬
land habe vou Großbritannien keinerlei Unterstützung zu hoffen, falls es den Vor¬
schriften einer gesunden Politik zum Trotze den Rath Europas zurückweisen sollte.

Die Botschafter brachten den von ihnen vereinbarten Plan einer anderweitigen
Lösung der Grcnzfrage in Cvllcctivnoten der Pforte und dem griechischen Cabinet
zur Kenntniß. In der identischen Note vom 7. April, mit der dies in Athen ge¬
schah, hieß es: „Da die in der Schlußacte der Berliner Konferenz enthaltnen
Conelusionen die von den Cabinetten in Aussicht genommene friedliche Verwirk¬
lichung nicht zu erlangen vermocht, so haben die vermittelnden Mächte ihren Ver¬
tretern in Konstantinopel aufgetragen, unter sich diejenige Grenzlinie ausfindig zu
machen und festzustellen, welche nach ihrer Anschauung den Anforderungen der Lage
am besten entspreche. Nachdem sie die verschiednen in Borschlag zu bringenden
Lösungen reiflich geprüft, haben die in Konstantinopel beglaubigten Vertreter der
Mächte ihren Regierungen die Träne und die Stipulationen, über welche sie sich
geeinigt, einstimmig empfohlen." Nun folgt in der Note der Text des Protokolls
der Botschafter, welches die oben angegebne neue Grenze bestimmt, und dann schließt
das Actenstück mit den Worten: „Nachdem die Mächte die Vorschläge ihrer Ver¬
treter in Konstantinopel einstimmig gebilligt, thun sie der hellenischen Regierung
hiermit zu wissen, daß die vorstehenden Conelnsionen von ihnen den in der Schluß-
aete der Berliner Conferenz aufgestellten von jetzt ab förmlich substituirt werden,
und daß die Mächte im Interesse des allgemeinen Friedens an dieser Lösung, welche
nunmehr als eine von Europa getroffne Entscheidung zu betrachten ist, festzuhalten
gewillt sind. Die hellenische Regierung wird deshalb eingeladen, das im gegen¬
wärtigen Aktenstück enthaltne Arrangement anzunehmen, und die Mächte drücken
das Vertrauen aus, daß das griechische Cabinet nicht durch Verweigerung seiner
Zustimmung sich die Sympathien Europas entfremden und die unermeßliche Ver¬
antwortlichkeit, welche die Vermitteluden Mächte ihm zuWälzen würden, auf sich
nehmen und sich der vollständigen Jsolirung, welche die unausbleibliche Folge seiner
Weigerung sein würde, aussetzen werde. Wenn aber, wie die vermittelnden Mächte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/351>, abgerufen am 10.06.2024.