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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Politische Briefe.

entwicklnng, welche ihr den Wettbewerb mit den seefahrenden Nationen erschwert.
Die beiden einzigen, für die Verbindung mit dem Ozean belangreichen Häfen
dieser Meeresküste sind infolge der langen Zerrissenheit Depots für einen
internationalen Zwischenhandel geworden, d, h, Depots, wo fremde Waaren ge¬
lagert, behandelt und theils nach Deutschland, theils wiederum nach der Fremde
verfrachtet werden. Der Wiederherstelle des deutschen Reiches erachtet zur
Wiederherstellung den Gewinn der deutschen Häfen für den deutschen Eigen-
Handel für unentbehrlich. Er will aber die Freihafenbezirke und den ans ihnen
ruhenden Zwischenhandel keineswegs zerstören, sondern nur verhindern, daß
dieses Freihandels- und Zwischenhandclsgebiet gleich einer Jnnndation den ganzen
Bereich der Elbmündung, von welcher zunächst die Rede, in Beschlag nehme
und für den deutschen Eigenhandel und Gewerbfleiß unfruchtbar mache. Es
werden deshalb mit deu Senaten der Freistätte vertrauliche Verhandlungen an¬
geknüpft, die natürlich zu nichts führen. Wenn die Zeitungen richtig gemeldet,
so hat der hamlmrgische Senat noch 1879 jede Einschränkung des Frcihafen-
bezirks für unmöglich erklärt, eines Bezirkes, der u. a. die preußische Stadt
Altona, die Elbufer der preußischen Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein
umfaßte. Da beantragt die preußische Regierung die Einschränkung des Frei¬
hafenbezirks dnrch den Bundesrath, welcher Behörde nach richtiger Interpre¬
tation der Reichsverfassung die Begrenzung des Freihafenbezirks lediglich zusteht.
Da rüstet sich der Particularismus, die preußische Regierung im Bundesrath
zu überstimme". Unter einer energischen Warnung, den Weg der Majorisirung
anstatt der gütlichen Verständigung zu beschreiten, zieht der Reichskanzler den
Antrag namens der preußischen Regierung zurück. Der zurückgezogne Antrag
hatte die Einbeziehung einer Hamburgischen Vorstadt in die Reichszollgrcnze
bezweckt. Dies hatte wohl zumeist den Particularismus aufgeregt, aber die
Zurückfordrung ihrer eignen Stadt Altona für den Reichszvllverbnnd Hütte man
der preußischen Negierung selbst von Seiten des Particularismus auf keine Weise
verweigern können. Bevor der Reichskanzler jedoch als preußischer Minister¬
präsident dazu schritt, knüpfte er neue Verhandlungen mit Hamburg bezüglich
einer freiwilligen Uebereinkunft an, welche zunächst zu dem principiellen Zugc-
stcindniß des hamburgischen Eintritts führten. Aber wie immer, flüchtete sich
der Widerstand der hamburgischen Zwischenhändler hinter die Schwierigkeit der
Ausführung. Man hat jetzt den Weg der Ueberwindung gefunden, der an sich
immer zu finden war und auf den schon 1867 inmitten Hamburgs selbst hin-
gewiesen worden ist.

Während zwischen den Organen des Reichs und dem Hamburgischen Senat
diese vertraulichen Nerhandlnngcn schwebten, ereigneten sich verschiedne Zwischen-


Politische Briefe.

entwicklnng, welche ihr den Wettbewerb mit den seefahrenden Nationen erschwert.
Die beiden einzigen, für die Verbindung mit dem Ozean belangreichen Häfen
dieser Meeresküste sind infolge der langen Zerrissenheit Depots für einen
internationalen Zwischenhandel geworden, d, h, Depots, wo fremde Waaren ge¬
lagert, behandelt und theils nach Deutschland, theils wiederum nach der Fremde
verfrachtet werden. Der Wiederherstelle des deutschen Reiches erachtet zur
Wiederherstellung den Gewinn der deutschen Häfen für den deutschen Eigen-
Handel für unentbehrlich. Er will aber die Freihafenbezirke und den ans ihnen
ruhenden Zwischenhandel keineswegs zerstören, sondern nur verhindern, daß
dieses Freihandels- und Zwischenhandclsgebiet gleich einer Jnnndation den ganzen
Bereich der Elbmündung, von welcher zunächst die Rede, in Beschlag nehme
und für den deutschen Eigenhandel und Gewerbfleiß unfruchtbar mache. Es
werden deshalb mit deu Senaten der Freistätte vertrauliche Verhandlungen an¬
geknüpft, die natürlich zu nichts führen. Wenn die Zeitungen richtig gemeldet,
so hat der hamlmrgische Senat noch 1879 jede Einschränkung des Frcihafen-
bezirks für unmöglich erklärt, eines Bezirkes, der u. a. die preußische Stadt
Altona, die Elbufer der preußischen Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein
umfaßte. Da beantragt die preußische Regierung die Einschränkung des Frei¬
hafenbezirks dnrch den Bundesrath, welcher Behörde nach richtiger Interpre¬
tation der Reichsverfassung die Begrenzung des Freihafenbezirks lediglich zusteht.
Da rüstet sich der Particularismus, die preußische Regierung im Bundesrath
zu überstimme». Unter einer energischen Warnung, den Weg der Majorisirung
anstatt der gütlichen Verständigung zu beschreiten, zieht der Reichskanzler den
Antrag namens der preußischen Regierung zurück. Der zurückgezogne Antrag
hatte die Einbeziehung einer Hamburgischen Vorstadt in die Reichszollgrcnze
bezweckt. Dies hatte wohl zumeist den Particularismus aufgeregt, aber die
Zurückfordrung ihrer eignen Stadt Altona für den Reichszvllverbnnd Hütte man
der preußischen Negierung selbst von Seiten des Particularismus auf keine Weise
verweigern können. Bevor der Reichskanzler jedoch als preußischer Minister¬
präsident dazu schritt, knüpfte er neue Verhandlungen mit Hamburg bezüglich
einer freiwilligen Uebereinkunft an, welche zunächst zu dem principiellen Zugc-
stcindniß des hamburgischen Eintritts führten. Aber wie immer, flüchtete sich
der Widerstand der hamburgischen Zwischenhändler hinter die Schwierigkeit der
Ausführung. Man hat jetzt den Weg der Ueberwindung gefunden, der an sich
immer zu finden war und auf den schon 1867 inmitten Hamburgs selbst hin-
gewiesen worden ist.

Während zwischen den Organen des Reichs und dem Hamburgischen Senat
diese vertraulichen Nerhandlnngcn schwebten, ereigneten sich verschiedne Zwischen-


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[0432] Politische Briefe. entwicklnng, welche ihr den Wettbewerb mit den seefahrenden Nationen erschwert. Die beiden einzigen, für die Verbindung mit dem Ozean belangreichen Häfen dieser Meeresküste sind infolge der langen Zerrissenheit Depots für einen internationalen Zwischenhandel geworden, d, h, Depots, wo fremde Waaren ge¬ lagert, behandelt und theils nach Deutschland, theils wiederum nach der Fremde verfrachtet werden. Der Wiederherstelle des deutschen Reiches erachtet zur Wiederherstellung den Gewinn der deutschen Häfen für den deutschen Eigen- Handel für unentbehrlich. Er will aber die Freihafenbezirke und den ans ihnen ruhenden Zwischenhandel keineswegs zerstören, sondern nur verhindern, daß dieses Freihandels- und Zwischenhandclsgebiet gleich einer Jnnndation den ganzen Bereich der Elbmündung, von welcher zunächst die Rede, in Beschlag nehme und für den deutschen Eigenhandel und Gewerbfleiß unfruchtbar mache. Es werden deshalb mit deu Senaten der Freistätte vertrauliche Verhandlungen an¬ geknüpft, die natürlich zu nichts führen. Wenn die Zeitungen richtig gemeldet, so hat der hamlmrgische Senat noch 1879 jede Einschränkung des Frcihafen- bezirks für unmöglich erklärt, eines Bezirkes, der u. a. die preußische Stadt Altona, die Elbufer der preußischen Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein umfaßte. Da beantragt die preußische Regierung die Einschränkung des Frei¬ hafenbezirks dnrch den Bundesrath, welcher Behörde nach richtiger Interpre¬ tation der Reichsverfassung die Begrenzung des Freihafenbezirks lediglich zusteht. Da rüstet sich der Particularismus, die preußische Regierung im Bundesrath zu überstimme». Unter einer energischen Warnung, den Weg der Majorisirung anstatt der gütlichen Verständigung zu beschreiten, zieht der Reichskanzler den Antrag namens der preußischen Regierung zurück. Der zurückgezogne Antrag hatte die Einbeziehung einer Hamburgischen Vorstadt in die Reichszollgrcnze bezweckt. Dies hatte wohl zumeist den Particularismus aufgeregt, aber die Zurückfordrung ihrer eignen Stadt Altona für den Reichszvllverbnnd Hütte man der preußischen Negierung selbst von Seiten des Particularismus auf keine Weise verweigern können. Bevor der Reichskanzler jedoch als preußischer Minister¬ präsident dazu schritt, knüpfte er neue Verhandlungen mit Hamburg bezüglich einer freiwilligen Uebereinkunft an, welche zunächst zu dem principiellen Zugc- stcindniß des hamburgischen Eintritts führten. Aber wie immer, flüchtete sich der Widerstand der hamburgischen Zwischenhändler hinter die Schwierigkeit der Ausführung. Man hat jetzt den Weg der Ueberwindung gefunden, der an sich immer zu finden war und auf den schon 1867 inmitten Hamburgs selbst hin- gewiesen worden ist. Während zwischen den Organen des Reichs und dem Hamburgischen Senat diese vertraulichen Nerhandlnngcn schwebten, ereigneten sich verschiedne Zwischen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/432>, abgerufen am 17.06.2024.