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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Briefe der Freifrau von Bunsen.

Feder Hans Tharaus in unsre Hände kam.*) Sie zu empfehlen und zugleich
in die Lectüre des Buches selbst einzuführen, ist der Zweck der nachfolgenden
Zeilen.

In der That, wir kennen wenige Werke der Art, die es in gleichem Maße ver¬
dienen, empfohlen zu werden. Man erwarte nicht unterhaltende politische Enthüllun¬
gen und interessante Mittheilungen über bedeutsame Persönlichkeiten, wie sie wohl
in den Briefen der Frau eines Staatsmannes, der zwei wichtige Gesandtschafts¬
posten seiner Regierung erst in Rom, dann, nach einem kurzen Aufenthalte in
Bern, in London bekleidete, und das Vertrauen zweier preußischer Herrscher
genoß, gesucht werden konnten. Von alledem findet man hier nur sehr wenig.
Nimmt auch die geistvolle Briefschreiberin hie und da Bezug auf die zu ihrer
Zeit das politische Leben bewegenden Vorkommnisse, charakterisirt sie auch bis¬
weilen die durch Geist oder Stellung hervorragenden Männer, mit denen sie,
zumal in Rom, in gesellschaftliche Berührung kam, so sind derartige Bemerkungen
doch immer nur die Nebensache. In überwiegender Menge schildern die Briefe
mit einfachen, herzlichen Worten das Leben in der Familie inmitten der zahl¬
reichen Kinderschaar mit seinen Freuden und Leiden, Ausflüge, Gesellschaften,
Studien, und sie sind fast sämmtlich nur an Personen gerichtet, die der Schrei-
berin nahe standen, vor allem an die im fernen Wales weilende Mutter, den
oft abwesenden Gatten und theure Anverwandte. Aber man fürchte nicht, daß
man auch nur auf einer Seite der je 360 Seiten zählenden beiden Bände,
welche, wenige den Zusammenhang vermittelnde Worte des Herausgebers ab¬
gerechnet, nur Briefe enthalten, Ermüdung empfinden werde. Es ist ein eigen¬
thümlicher Zauber über diese Briefe ausgegossen. Wie oft auch Frau Bunsen
der geliebten Mutter, von der getrennt leben zu müssen ihr immer ein bitterer
Schmerz war, die kleine Chronik ihres Familienlebens erzählt, wie oft sie auch
neben den Gefühlen ihres Herzens und neben den großen auf ihr Leben einflu߬
reich wirkenden Ereignissen allerhand kleine Vorkommnisse schildert, lesenswerth
bleibt jeder Brief ihrer Hand. Denn in jeder Zeile spiegelt sich ein liebreiches
und liebenswerthes Leben wieder, ein warmes, edles Herz, ein streng religiöser
Sinn und ein gerechtes klares Urtheil über Menschen und Dinge, so daß jedem
Leser der Eindruck von der Lauterkeit und Hoheit ihres Herzens und Geistes
bleiben wird.

Frances von Bunsen war im Jahre 1791 in Denston Park in Berkshire
geboren. Kurze Zeit nach ihrer Geburt siedelte der Vater, Mr. Waddington,
mit seiner schönen jungen Frau nach Llcmover, einem Gute im Süden von Wales,
über, um in vollkommener Abgeschiedenheit zu leben. Hier war es, wo Frances



*) Freifrau von Bunsen. Ein Lebensbild aus ihren Briefen zusammengestellt von
Augustus I. C. Harn. Deutsche Ausgabe von Hans Thnrau. 2 Bde. Gotha, Fr. Andr.
Perthes, 1881.
Die Briefe der Freifrau von Bunsen.

Feder Hans Tharaus in unsre Hände kam.*) Sie zu empfehlen und zugleich
in die Lectüre des Buches selbst einzuführen, ist der Zweck der nachfolgenden
Zeilen.

In der That, wir kennen wenige Werke der Art, die es in gleichem Maße ver¬
dienen, empfohlen zu werden. Man erwarte nicht unterhaltende politische Enthüllun¬
gen und interessante Mittheilungen über bedeutsame Persönlichkeiten, wie sie wohl
in den Briefen der Frau eines Staatsmannes, der zwei wichtige Gesandtschafts¬
posten seiner Regierung erst in Rom, dann, nach einem kurzen Aufenthalte in
Bern, in London bekleidete, und das Vertrauen zweier preußischer Herrscher
genoß, gesucht werden konnten. Von alledem findet man hier nur sehr wenig.
Nimmt auch die geistvolle Briefschreiberin hie und da Bezug auf die zu ihrer
Zeit das politische Leben bewegenden Vorkommnisse, charakterisirt sie auch bis¬
weilen die durch Geist oder Stellung hervorragenden Männer, mit denen sie,
zumal in Rom, in gesellschaftliche Berührung kam, so sind derartige Bemerkungen
doch immer nur die Nebensache. In überwiegender Menge schildern die Briefe
mit einfachen, herzlichen Worten das Leben in der Familie inmitten der zahl¬
reichen Kinderschaar mit seinen Freuden und Leiden, Ausflüge, Gesellschaften,
Studien, und sie sind fast sämmtlich nur an Personen gerichtet, die der Schrei-
berin nahe standen, vor allem an die im fernen Wales weilende Mutter, den
oft abwesenden Gatten und theure Anverwandte. Aber man fürchte nicht, daß
man auch nur auf einer Seite der je 360 Seiten zählenden beiden Bände,
welche, wenige den Zusammenhang vermittelnde Worte des Herausgebers ab¬
gerechnet, nur Briefe enthalten, Ermüdung empfinden werde. Es ist ein eigen¬
thümlicher Zauber über diese Briefe ausgegossen. Wie oft auch Frau Bunsen
der geliebten Mutter, von der getrennt leben zu müssen ihr immer ein bitterer
Schmerz war, die kleine Chronik ihres Familienlebens erzählt, wie oft sie auch
neben den Gefühlen ihres Herzens und neben den großen auf ihr Leben einflu߬
reich wirkenden Ereignissen allerhand kleine Vorkommnisse schildert, lesenswerth
bleibt jeder Brief ihrer Hand. Denn in jeder Zeile spiegelt sich ein liebreiches
und liebenswerthes Leben wieder, ein warmes, edles Herz, ein streng religiöser
Sinn und ein gerechtes klares Urtheil über Menschen und Dinge, so daß jedem
Leser der Eindruck von der Lauterkeit und Hoheit ihres Herzens und Geistes
bleiben wird.

Frances von Bunsen war im Jahre 1791 in Denston Park in Berkshire
geboren. Kurze Zeit nach ihrer Geburt siedelte der Vater, Mr. Waddington,
mit seiner schönen jungen Frau nach Llcmover, einem Gute im Süden von Wales,
über, um in vollkommener Abgeschiedenheit zu leben. Hier war es, wo Frances



*) Freifrau von Bunsen. Ein Lebensbild aus ihren Briefen zusammengestellt von
Augustus I. C. Harn. Deutsche Ausgabe von Hans Thnrau. 2 Bde. Gotha, Fr. Andr.
Perthes, 1881.
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[0118] Die Briefe der Freifrau von Bunsen. Feder Hans Tharaus in unsre Hände kam.*) Sie zu empfehlen und zugleich in die Lectüre des Buches selbst einzuführen, ist der Zweck der nachfolgenden Zeilen. In der That, wir kennen wenige Werke der Art, die es in gleichem Maße ver¬ dienen, empfohlen zu werden. Man erwarte nicht unterhaltende politische Enthüllun¬ gen und interessante Mittheilungen über bedeutsame Persönlichkeiten, wie sie wohl in den Briefen der Frau eines Staatsmannes, der zwei wichtige Gesandtschafts¬ posten seiner Regierung erst in Rom, dann, nach einem kurzen Aufenthalte in Bern, in London bekleidete, und das Vertrauen zweier preußischer Herrscher genoß, gesucht werden konnten. Von alledem findet man hier nur sehr wenig. Nimmt auch die geistvolle Briefschreiberin hie und da Bezug auf die zu ihrer Zeit das politische Leben bewegenden Vorkommnisse, charakterisirt sie auch bis¬ weilen die durch Geist oder Stellung hervorragenden Männer, mit denen sie, zumal in Rom, in gesellschaftliche Berührung kam, so sind derartige Bemerkungen doch immer nur die Nebensache. In überwiegender Menge schildern die Briefe mit einfachen, herzlichen Worten das Leben in der Familie inmitten der zahl¬ reichen Kinderschaar mit seinen Freuden und Leiden, Ausflüge, Gesellschaften, Studien, und sie sind fast sämmtlich nur an Personen gerichtet, die der Schrei- berin nahe standen, vor allem an die im fernen Wales weilende Mutter, den oft abwesenden Gatten und theure Anverwandte. Aber man fürchte nicht, daß man auch nur auf einer Seite der je 360 Seiten zählenden beiden Bände, welche, wenige den Zusammenhang vermittelnde Worte des Herausgebers ab¬ gerechnet, nur Briefe enthalten, Ermüdung empfinden werde. Es ist ein eigen¬ thümlicher Zauber über diese Briefe ausgegossen. Wie oft auch Frau Bunsen der geliebten Mutter, von der getrennt leben zu müssen ihr immer ein bitterer Schmerz war, die kleine Chronik ihres Familienlebens erzählt, wie oft sie auch neben den Gefühlen ihres Herzens und neben den großen auf ihr Leben einflu߬ reich wirkenden Ereignissen allerhand kleine Vorkommnisse schildert, lesenswerth bleibt jeder Brief ihrer Hand. Denn in jeder Zeile spiegelt sich ein liebreiches und liebenswerthes Leben wieder, ein warmes, edles Herz, ein streng religiöser Sinn und ein gerechtes klares Urtheil über Menschen und Dinge, so daß jedem Leser der Eindruck von der Lauterkeit und Hoheit ihres Herzens und Geistes bleiben wird. Frances von Bunsen war im Jahre 1791 in Denston Park in Berkshire geboren. Kurze Zeit nach ihrer Geburt siedelte der Vater, Mr. Waddington, mit seiner schönen jungen Frau nach Llcmover, einem Gute im Süden von Wales, über, um in vollkommener Abgeschiedenheit zu leben. Hier war es, wo Frances *) Freifrau von Bunsen. Ein Lebensbild aus ihren Briefen zusammengestellt von Augustus I. C. Harn. Deutsche Ausgabe von Hans Thnrau. 2 Bde. Gotha, Fr. Andr. Perthes, 1881.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/118>, abgerufen am 15.05.2024.