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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Briefe der Freifrau von Bunsen.

fassendes Zeugniß annehmen und bedenken, daß ich, die ich ihm die Nächste bin
und ihn am besten kenne, ihn auch am besten beurtheilen kann?"

Bis zum Jahre 1838 blieb Bunsen in dem hochgelegenen Palazzo Casia-
eelli auf dem Capitol, Es waren die schönsten Jahre in Frances' Leben, auf
welche nur die Trennung von den ältesten Söhnen, die um ihrer Ausbildung
willen nach Deutschland gebracht werden mußten, und die häufige Abwesenheit
Bunsens ihre Schatten warfen. Die Briefe aus dieser Zeit geben ein getreues
Bild von dem Leben der Schreiberin. Manche neue hervorragende Persönlichkeit
lernte sie kennen, so den nachmaligen Papst Pius IX., Mvnsignore Ferretti,
der bei dem Aufstande 1831 Riedl vertheidigt hatte. "Er erzählte mir selbst,"
schreibt sie, "wie er Musketenkugeln fabricirt und sein bischen Widerstands¬
material ausgetheilt habe und überhaupt eine so gute Miene zum bösen Spiel
gemacht, daß, mit Hilfe eines gewaltigen Hagelwetters, welches den Insurgenten
ins Gesicht schlug, letztere so verblüfft wurden, daß Riedl imstande war, sich
bis zur Ankunft des Obersten Marley zu halten, der einen forcirten Marsch
machte, um mit einem Theile der Papalini zu Hilfe zu kommen. Allein er
erzählte mir nicht, was er einmal Karl erzählte, daß, als die Abgesandten der
Insurgenten kamen, ihn zur Uebergabe aufzufordern, er sie zuerst feierlich vor
der großen Sünde des Aufruhrs warnte und ihnen in tsrinini as, vsZvovo ver¬
sicherte, er würde sich dessen nicht schuldig machen. Als er aber merkte, daß
^ ihm dadurch nicht gelungen, sie von dem Ernste seiner Worte zu überzeugen,
nahm er seine Bischofsmütze und sein Ornat ab, zog das Kreuz der Ehrenlegion
aus der Tasche, das er zur Zeit der Franzosen erhalten, befestigte es in seinem
Knopfloch und schüttete dann 3,11a, Roing-na alle Schimpfworte, deren die ita¬
lienische Zunge mächtig ist, über sie aus. was sie verstehen ließ, daß er nicht
mit sich spaßen lasse. Er gehört, sowohl seiner Erscheinung wie seinein Cha¬
rakter nach, vergangenen Zeiten an und besitzt die fein geschnittenen Züge und
das warme Colorit alter italienischer Bilder."

Von Gelehrten verkehrten damals in ihrem Hause am meisten Papencordt,
"ein ausgezeichneter Mensch und eine wahre Acquisition," Lepsius, "eine Per¬
sönlichkeit von staunenswerthen Geistesgaben und von allen möglichen Talenten"
und der getreue Abeken, der sie mit den Tragödien des Sophokles bekannt
machte und ihre Kinder unterrichtete.

Der letzte Winter wurde getrübt durch die Abwesenheit des Gatten, den
seine Amtsgeschäfte in Berlin zurückhielten, und durch das Wüthen der Cholera
>n Rom. Ueberall trat Frances mit ihren schwachen Mitteln helfend auf.
Mancher aus ihrer Umgebung fiel der Krankheit zum Opfer. Aber sie verzagte
Alast. "So im finstern Thale zu wandern, ist etwas entsetzliches!" schrieb
sie, "den Todesengel in fast greifbarer Gestalt und seine Pfeile nach allen
Richtungen hin fliegen zu sehen, tausende zu unsrer Seite fallen zu sehen und
Hunderte zu unsrer Rechten! Wenn wir schließlich verschont bleiben, sollten wir


Die Briefe der Freifrau von Bunsen.

fassendes Zeugniß annehmen und bedenken, daß ich, die ich ihm die Nächste bin
und ihn am besten kenne, ihn auch am besten beurtheilen kann?"

Bis zum Jahre 1838 blieb Bunsen in dem hochgelegenen Palazzo Casia-
eelli auf dem Capitol, Es waren die schönsten Jahre in Frances' Leben, auf
welche nur die Trennung von den ältesten Söhnen, die um ihrer Ausbildung
willen nach Deutschland gebracht werden mußten, und die häufige Abwesenheit
Bunsens ihre Schatten warfen. Die Briefe aus dieser Zeit geben ein getreues
Bild von dem Leben der Schreiberin. Manche neue hervorragende Persönlichkeit
lernte sie kennen, so den nachmaligen Papst Pius IX., Mvnsignore Ferretti,
der bei dem Aufstande 1831 Riedl vertheidigt hatte. „Er erzählte mir selbst,"
schreibt sie, „wie er Musketenkugeln fabricirt und sein bischen Widerstands¬
material ausgetheilt habe und überhaupt eine so gute Miene zum bösen Spiel
gemacht, daß, mit Hilfe eines gewaltigen Hagelwetters, welches den Insurgenten
ins Gesicht schlug, letztere so verblüfft wurden, daß Riedl imstande war, sich
bis zur Ankunft des Obersten Marley zu halten, der einen forcirten Marsch
machte, um mit einem Theile der Papalini zu Hilfe zu kommen. Allein er
erzählte mir nicht, was er einmal Karl erzählte, daß, als die Abgesandten der
Insurgenten kamen, ihn zur Uebergabe aufzufordern, er sie zuerst feierlich vor
der großen Sünde des Aufruhrs warnte und ihnen in tsrinini as, vsZvovo ver¬
sicherte, er würde sich dessen nicht schuldig machen. Als er aber merkte, daß
^ ihm dadurch nicht gelungen, sie von dem Ernste seiner Worte zu überzeugen,
nahm er seine Bischofsmütze und sein Ornat ab, zog das Kreuz der Ehrenlegion
aus der Tasche, das er zur Zeit der Franzosen erhalten, befestigte es in seinem
Knopfloch und schüttete dann 3,11a, Roing-na alle Schimpfworte, deren die ita¬
lienische Zunge mächtig ist, über sie aus. was sie verstehen ließ, daß er nicht
mit sich spaßen lasse. Er gehört, sowohl seiner Erscheinung wie seinein Cha¬
rakter nach, vergangenen Zeiten an und besitzt die fein geschnittenen Züge und
das warme Colorit alter italienischer Bilder."

Von Gelehrten verkehrten damals in ihrem Hause am meisten Papencordt,
«ein ausgezeichneter Mensch und eine wahre Acquisition," Lepsius, „eine Per¬
sönlichkeit von staunenswerthen Geistesgaben und von allen möglichen Talenten"
und der getreue Abeken, der sie mit den Tragödien des Sophokles bekannt
machte und ihre Kinder unterrichtete.

Der letzte Winter wurde getrübt durch die Abwesenheit des Gatten, den
seine Amtsgeschäfte in Berlin zurückhielten, und durch das Wüthen der Cholera
>n Rom. Ueberall trat Frances mit ihren schwachen Mitteln helfend auf.
Mancher aus ihrer Umgebung fiel der Krankheit zum Opfer. Aber sie verzagte
Alast. „So im finstern Thale zu wandern, ist etwas entsetzliches!" schrieb
sie, „den Todesengel in fast greifbarer Gestalt und seine Pfeile nach allen
Richtungen hin fliegen zu sehen, tausende zu unsrer Seite fallen zu sehen und
Hunderte zu unsrer Rechten! Wenn wir schließlich verschont bleiben, sollten wir


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[0123] Die Briefe der Freifrau von Bunsen. fassendes Zeugniß annehmen und bedenken, daß ich, die ich ihm die Nächste bin und ihn am besten kenne, ihn auch am besten beurtheilen kann?" Bis zum Jahre 1838 blieb Bunsen in dem hochgelegenen Palazzo Casia- eelli auf dem Capitol, Es waren die schönsten Jahre in Frances' Leben, auf welche nur die Trennung von den ältesten Söhnen, die um ihrer Ausbildung willen nach Deutschland gebracht werden mußten, und die häufige Abwesenheit Bunsens ihre Schatten warfen. Die Briefe aus dieser Zeit geben ein getreues Bild von dem Leben der Schreiberin. Manche neue hervorragende Persönlichkeit lernte sie kennen, so den nachmaligen Papst Pius IX., Mvnsignore Ferretti, der bei dem Aufstande 1831 Riedl vertheidigt hatte. „Er erzählte mir selbst," schreibt sie, „wie er Musketenkugeln fabricirt und sein bischen Widerstands¬ material ausgetheilt habe und überhaupt eine so gute Miene zum bösen Spiel gemacht, daß, mit Hilfe eines gewaltigen Hagelwetters, welches den Insurgenten ins Gesicht schlug, letztere so verblüfft wurden, daß Riedl imstande war, sich bis zur Ankunft des Obersten Marley zu halten, der einen forcirten Marsch machte, um mit einem Theile der Papalini zu Hilfe zu kommen. Allein er erzählte mir nicht, was er einmal Karl erzählte, daß, als die Abgesandten der Insurgenten kamen, ihn zur Uebergabe aufzufordern, er sie zuerst feierlich vor der großen Sünde des Aufruhrs warnte und ihnen in tsrinini as, vsZvovo ver¬ sicherte, er würde sich dessen nicht schuldig machen. Als er aber merkte, daß ^ ihm dadurch nicht gelungen, sie von dem Ernste seiner Worte zu überzeugen, nahm er seine Bischofsmütze und sein Ornat ab, zog das Kreuz der Ehrenlegion aus der Tasche, das er zur Zeit der Franzosen erhalten, befestigte es in seinem Knopfloch und schüttete dann 3,11a, Roing-na alle Schimpfworte, deren die ita¬ lienische Zunge mächtig ist, über sie aus. was sie verstehen ließ, daß er nicht mit sich spaßen lasse. Er gehört, sowohl seiner Erscheinung wie seinein Cha¬ rakter nach, vergangenen Zeiten an und besitzt die fein geschnittenen Züge und das warme Colorit alter italienischer Bilder." Von Gelehrten verkehrten damals in ihrem Hause am meisten Papencordt, «ein ausgezeichneter Mensch und eine wahre Acquisition," Lepsius, „eine Per¬ sönlichkeit von staunenswerthen Geistesgaben und von allen möglichen Talenten" und der getreue Abeken, der sie mit den Tragödien des Sophokles bekannt machte und ihre Kinder unterrichtete. Der letzte Winter wurde getrübt durch die Abwesenheit des Gatten, den seine Amtsgeschäfte in Berlin zurückhielten, und durch das Wüthen der Cholera >n Rom. Ueberall trat Frances mit ihren schwachen Mitteln helfend auf. Mancher aus ihrer Umgebung fiel der Krankheit zum Opfer. Aber sie verzagte Alast. „So im finstern Thale zu wandern, ist etwas entsetzliches!" schrieb sie, „den Todesengel in fast greifbarer Gestalt und seine Pfeile nach allen Richtungen hin fliegen zu sehen, tausende zu unsrer Seite fallen zu sehen und Hunderte zu unsrer Rechten! Wenn wir schließlich verschont bleiben, sollten wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/123>, abgerufen am 29.05.2024.