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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Briefe der Freifrau von Bunsen,

uns dann nicht als solche betrachten, die im Glühofen des Leidens geweiht
wurden, um in besondrer Weise für den Rest unsres Lebens Gottes Werk zu
wirken?"

Kurz vor Weihnachten 1837 kehrte Bunsen zu seiner Familie zurück, blieb
aber nur auf kurze Zeit noch auf dem geliebten Capitol. Am 28. April 1838
verließ er es, festen Schrittes und ungebrochenen Geistes, indem er zu seiner
Frau sprach: "Komm und laß uns anderswo ein neues Capitol suchen."

Auf kurze Zeit besuchte Frau Bunsen mit ihren Kindern die Mutter in
Llanover. Ende 1839 reiste sie mit ihrem Gemahl nach Bern. Nach manchen
Irrungen war Bunsen durch die Huld des Königs wie durch die Neigung des
Kronprinzen zum Botschafter in der Schweiz ernannt worden.

Aber der Aufenthalt in Bern war vorübergehend. Im Jahre 1841 wurde
Bunsen in besondrer Mission nach England gesendet, und noch in demselben
Jahre erhielt er die Berufung als Gesandter am Hofe von Se. James.

Welches Glück nun für Frances, wieder in der Heimat, in der Nähe der
zärtlich geliebten Mutter weilen zu dürfen! Man wird aber auch Bunsens Stolz
begreifen, wenn er am 1. Juli 1841 an die Schwiegermutter folgenden Brief
richtete: "Es ist ein sehr feierlicher Augenblick für mich, indem ich Ihnen schreibe.
Heute vor vierundzwanzig Jahren wurde Ihre unschätzbare Fanny in Rom mein
Weib. Sie und Ihr vortrefflicher Gatte gaben sie mir, einem Ihnen an Ge¬
burt und Nationalität fremden, einem jungen Manne, der Ihnen auf der hohe"
Fluth des Lebens zufällig begegnete, in einem fremden Lande, ohne Vermögen
und ohne irgend eine andre Stellung in der Gesellschaft, als die,'zu der ihn
seine Erziehung berechtigte. Ihm vertrauten Sie Ihr kostbares Gut an, wohl
wissend, daß Ihre Freunde Sie deshalb tadeln würden. Der Mann steht heute
vor Ihnen als der Botschafter eines der größten Könige der Welt, eines Königs,
der sich seinen Freund nennt und der sich ihm wie ein Bruder und Vater er¬
wiesen, ein Botschafter, der in einer wichtigen, friedlichen Angelegenheit in Ihr
Land gesandt wird."

Bis ins Jahr 1854 blieb Bunsen, von seinem königlichen Herrn in den
Freiherrnstand erhoben, auf seinem ehrenvollen Posten. Dann kam er um seine
Entlassung ein. Um ungestört seinen Studien leben zu können, siedelte er erst
nach Heidelberg, später nach Bonn über. Dort ging seine Kraft zu Ende. Am
11. October 1860 begann seine Krankheit. "In jener Nacht," schreibt Freifrau
von Bunsen an ihren in der Ferne weilenden Sohn, "sah ich zum letztenmale
den vollen Glanz seines Auges und Lächelns, indem er feierlich Abschied nahm,
da er die Nähe des Todes zu fühlen glaubte -- "Liebe, liebe -- wir haben
einander geliebt -- Liebe kann nicht aufhören -- die Liebe ist ewig -- lebe
in der Liebe Gottes und Christi -- die, welche in der Liebe Gottes leben,
müssen sich einst wiederfinden, wenn wir auch nicht wissen wie -- wir werden
uns wiederfinden.""


Die Briefe der Freifrau von Bunsen,

uns dann nicht als solche betrachten, die im Glühofen des Leidens geweiht
wurden, um in besondrer Weise für den Rest unsres Lebens Gottes Werk zu
wirken?"

Kurz vor Weihnachten 1837 kehrte Bunsen zu seiner Familie zurück, blieb
aber nur auf kurze Zeit noch auf dem geliebten Capitol. Am 28. April 1838
verließ er es, festen Schrittes und ungebrochenen Geistes, indem er zu seiner
Frau sprach: „Komm und laß uns anderswo ein neues Capitol suchen."

Auf kurze Zeit besuchte Frau Bunsen mit ihren Kindern die Mutter in
Llanover. Ende 1839 reiste sie mit ihrem Gemahl nach Bern. Nach manchen
Irrungen war Bunsen durch die Huld des Königs wie durch die Neigung des
Kronprinzen zum Botschafter in der Schweiz ernannt worden.

Aber der Aufenthalt in Bern war vorübergehend. Im Jahre 1841 wurde
Bunsen in besondrer Mission nach England gesendet, und noch in demselben
Jahre erhielt er die Berufung als Gesandter am Hofe von Se. James.

Welches Glück nun für Frances, wieder in der Heimat, in der Nähe der
zärtlich geliebten Mutter weilen zu dürfen! Man wird aber auch Bunsens Stolz
begreifen, wenn er am 1. Juli 1841 an die Schwiegermutter folgenden Brief
richtete: „Es ist ein sehr feierlicher Augenblick für mich, indem ich Ihnen schreibe.
Heute vor vierundzwanzig Jahren wurde Ihre unschätzbare Fanny in Rom mein
Weib. Sie und Ihr vortrefflicher Gatte gaben sie mir, einem Ihnen an Ge¬
burt und Nationalität fremden, einem jungen Manne, der Ihnen auf der hohe»
Fluth des Lebens zufällig begegnete, in einem fremden Lande, ohne Vermögen
und ohne irgend eine andre Stellung in der Gesellschaft, als die,'zu der ihn
seine Erziehung berechtigte. Ihm vertrauten Sie Ihr kostbares Gut an, wohl
wissend, daß Ihre Freunde Sie deshalb tadeln würden. Der Mann steht heute
vor Ihnen als der Botschafter eines der größten Könige der Welt, eines Königs,
der sich seinen Freund nennt und der sich ihm wie ein Bruder und Vater er¬
wiesen, ein Botschafter, der in einer wichtigen, friedlichen Angelegenheit in Ihr
Land gesandt wird."

Bis ins Jahr 1854 blieb Bunsen, von seinem königlichen Herrn in den
Freiherrnstand erhoben, auf seinem ehrenvollen Posten. Dann kam er um seine
Entlassung ein. Um ungestört seinen Studien leben zu können, siedelte er erst
nach Heidelberg, später nach Bonn über. Dort ging seine Kraft zu Ende. Am
11. October 1860 begann seine Krankheit. „In jener Nacht," schreibt Freifrau
von Bunsen an ihren in der Ferne weilenden Sohn, „sah ich zum letztenmale
den vollen Glanz seines Auges und Lächelns, indem er feierlich Abschied nahm,
da er die Nähe des Todes zu fühlen glaubte — »Liebe, liebe — wir haben
einander geliebt — Liebe kann nicht aufhören — die Liebe ist ewig — lebe
in der Liebe Gottes und Christi — die, welche in der Liebe Gottes leben,
müssen sich einst wiederfinden, wenn wir auch nicht wissen wie — wir werden
uns wiederfinden.«"


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[0124] Die Briefe der Freifrau von Bunsen, uns dann nicht als solche betrachten, die im Glühofen des Leidens geweiht wurden, um in besondrer Weise für den Rest unsres Lebens Gottes Werk zu wirken?" Kurz vor Weihnachten 1837 kehrte Bunsen zu seiner Familie zurück, blieb aber nur auf kurze Zeit noch auf dem geliebten Capitol. Am 28. April 1838 verließ er es, festen Schrittes und ungebrochenen Geistes, indem er zu seiner Frau sprach: „Komm und laß uns anderswo ein neues Capitol suchen." Auf kurze Zeit besuchte Frau Bunsen mit ihren Kindern die Mutter in Llanover. Ende 1839 reiste sie mit ihrem Gemahl nach Bern. Nach manchen Irrungen war Bunsen durch die Huld des Königs wie durch die Neigung des Kronprinzen zum Botschafter in der Schweiz ernannt worden. Aber der Aufenthalt in Bern war vorübergehend. Im Jahre 1841 wurde Bunsen in besondrer Mission nach England gesendet, und noch in demselben Jahre erhielt er die Berufung als Gesandter am Hofe von Se. James. Welches Glück nun für Frances, wieder in der Heimat, in der Nähe der zärtlich geliebten Mutter weilen zu dürfen! Man wird aber auch Bunsens Stolz begreifen, wenn er am 1. Juli 1841 an die Schwiegermutter folgenden Brief richtete: „Es ist ein sehr feierlicher Augenblick für mich, indem ich Ihnen schreibe. Heute vor vierundzwanzig Jahren wurde Ihre unschätzbare Fanny in Rom mein Weib. Sie und Ihr vortrefflicher Gatte gaben sie mir, einem Ihnen an Ge¬ burt und Nationalität fremden, einem jungen Manne, der Ihnen auf der hohe» Fluth des Lebens zufällig begegnete, in einem fremden Lande, ohne Vermögen und ohne irgend eine andre Stellung in der Gesellschaft, als die,'zu der ihn seine Erziehung berechtigte. Ihm vertrauten Sie Ihr kostbares Gut an, wohl wissend, daß Ihre Freunde Sie deshalb tadeln würden. Der Mann steht heute vor Ihnen als der Botschafter eines der größten Könige der Welt, eines Königs, der sich seinen Freund nennt und der sich ihm wie ein Bruder und Vater er¬ wiesen, ein Botschafter, der in einer wichtigen, friedlichen Angelegenheit in Ihr Land gesandt wird." Bis ins Jahr 1854 blieb Bunsen, von seinem königlichen Herrn in den Freiherrnstand erhoben, auf seinem ehrenvollen Posten. Dann kam er um seine Entlassung ein. Um ungestört seinen Studien leben zu können, siedelte er erst nach Heidelberg, später nach Bonn über. Dort ging seine Kraft zu Ende. Am 11. October 1860 begann seine Krankheit. „In jener Nacht," schreibt Freifrau von Bunsen an ihren in der Ferne weilenden Sohn, „sah ich zum letztenmale den vollen Glanz seines Auges und Lächelns, indem er feierlich Abschied nahm, da er die Nähe des Todes zu fühlen glaubte — »Liebe, liebe — wir haben einander geliebt — Liebe kann nicht aufhören — die Liebe ist ewig — lebe in der Liebe Gottes und Christi — die, welche in der Liebe Gottes leben, müssen sich einst wiederfinden, wenn wir auch nicht wissen wie — wir werden uns wiederfinden.«"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/124>, abgerufen am 15.05.2024.