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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Garfields Tod und seine politischen Folgen.

aus dem öffentlichen Leben die Nation erschüttern. Die Sonne wird morgen
früh zur richtigen Stunde aufgehen, der Wind rauscht durch die Bäume, und die
Natur ist so schön, als wären diese beiden Herren (Conkling und Platt, welche
eben ihre Mandate als Senatoren von New-Iorl niedergelegt hatten) noch im
Bundessenate. Ich werde auf der eingeschlagenen Bahn beharren und meine
Pflicht thun, genau so, als wenn gar nichts vorgefallen wäre." Diese Worte
legen ein glänzendes Zeugniß für den Muth, die Energie und das Pflichtgefühl
Garfields ab. Dennoch dürfte es die Frage sein, ob sich nicht bei einem längern
Leben Abraham Lincolns die Reconstruction der Südstaaten friedlicher und besser
vollzogen hätte, als unter der Administration seines Nachfolgers Andrew Johnson.
Und ebenso fraglich ist es jetzt, ob sich die Verhältnisse in der nordamerikanischen
Union so günstig gestalten werden, namentlich ob sich die so nothwendige Reform
im öffentlichen Aemterwesen so umsichtig und gründlich wird durchführen lassen,
als dies aller Wahrscheinlichkeit nach unter Garfields Administration geschehen
wäre. Es liegt auf der Hand, daß eine vollständige Beantwortung dieser Frage
nicht möglich ist, schon einfach darum, weil wir nicht wissen können, was das
Endresultat einer ungestörten Administration Garfields gewesen sein würde.
Immerhin aber wird es erlaubt sein, die möglichen Folgen von Garfields früh¬
zeitigem Tode etwas näher ins Auge zu fassen.

Die Partei der sogenannten "Stalwcirts," d. h. der Anhänger von Grant,
Conkling, Cameron und jener zahlreichen Clique, welche im öffentlichen Aemter-
Wesen das Beutesystem begünstigt und den Privatvortheil weit über das allge¬
meine Wohl stellt, ist noch immer in den Vereinigten Staaten einflußreich und
mächtig, denn ein Uebel, das über fünfzig Jahre in der ganzen Union wucherte
und in jedem Einzelstaate bei nationalen Wahlen und bei Staatswahlen tiefe
Wurzeln schlug, läßt sich nicht so leicht ausrotten. Die Anläufe, welche Präsi¬
dent Hayes nahm und welche Garfield während der ersten vier Monate seiner
Administration kräftig fortsetzte, um die Mißbräuche im Aemterwesen abzustellen,
verdienen zwar alle Anerkennung, aber eine nachhaltige Ausrottung des Aemter¬
schachers ist keineswegs zustande gekommen. Präsident Arthur war nun, solange
er sich an politischen Dingen betheiligte, ein getreuer Anhänger der Vertheidiger
des Beutesystems, er war ein intimer Freund Conklings und unterstützte warm
die dritte Präsidentschaft des Generals U. S. Grant. Dieses sein Verhältniß
zu Grant und Conkling verschaffte ihm bekanntlich auf der letzten National-
eonventivn der republikanischen Partei zu Chicago die Nomination für das Amt
des Vicepräsidenten. Ohne Grant und Conkling wäre er niemals der Amts¬
nachfolger von Garfield geworden. Es ist deshalb wohl der Zweifel gerecht¬
fertigt, ob er die Kraft besitzen und imstande sein wird, seine Beziehungen zu
den genannten beiden Häuptern der "Stalwarts" abzubrechen, wenigstens so
weit, daß er die von Hayes und Garfield inaugurirte Neformpolitik mit Nach¬
druck wird fortsetzen können. Zu leugnen ist zwar nicht, daß er sich während


Garfields Tod und seine politischen Folgen.

aus dem öffentlichen Leben die Nation erschüttern. Die Sonne wird morgen
früh zur richtigen Stunde aufgehen, der Wind rauscht durch die Bäume, und die
Natur ist so schön, als wären diese beiden Herren (Conkling und Platt, welche
eben ihre Mandate als Senatoren von New-Iorl niedergelegt hatten) noch im
Bundessenate. Ich werde auf der eingeschlagenen Bahn beharren und meine
Pflicht thun, genau so, als wenn gar nichts vorgefallen wäre." Diese Worte
legen ein glänzendes Zeugniß für den Muth, die Energie und das Pflichtgefühl
Garfields ab. Dennoch dürfte es die Frage sein, ob sich nicht bei einem längern
Leben Abraham Lincolns die Reconstruction der Südstaaten friedlicher und besser
vollzogen hätte, als unter der Administration seines Nachfolgers Andrew Johnson.
Und ebenso fraglich ist es jetzt, ob sich die Verhältnisse in der nordamerikanischen
Union so günstig gestalten werden, namentlich ob sich die so nothwendige Reform
im öffentlichen Aemterwesen so umsichtig und gründlich wird durchführen lassen,
als dies aller Wahrscheinlichkeit nach unter Garfields Administration geschehen
wäre. Es liegt auf der Hand, daß eine vollständige Beantwortung dieser Frage
nicht möglich ist, schon einfach darum, weil wir nicht wissen können, was das
Endresultat einer ungestörten Administration Garfields gewesen sein würde.
Immerhin aber wird es erlaubt sein, die möglichen Folgen von Garfields früh¬
zeitigem Tode etwas näher ins Auge zu fassen.

Die Partei der sogenannten „Stalwcirts," d. h. der Anhänger von Grant,
Conkling, Cameron und jener zahlreichen Clique, welche im öffentlichen Aemter-
Wesen das Beutesystem begünstigt und den Privatvortheil weit über das allge¬
meine Wohl stellt, ist noch immer in den Vereinigten Staaten einflußreich und
mächtig, denn ein Uebel, das über fünfzig Jahre in der ganzen Union wucherte
und in jedem Einzelstaate bei nationalen Wahlen und bei Staatswahlen tiefe
Wurzeln schlug, läßt sich nicht so leicht ausrotten. Die Anläufe, welche Präsi¬
dent Hayes nahm und welche Garfield während der ersten vier Monate seiner
Administration kräftig fortsetzte, um die Mißbräuche im Aemterwesen abzustellen,
verdienen zwar alle Anerkennung, aber eine nachhaltige Ausrottung des Aemter¬
schachers ist keineswegs zustande gekommen. Präsident Arthur war nun, solange
er sich an politischen Dingen betheiligte, ein getreuer Anhänger der Vertheidiger
des Beutesystems, er war ein intimer Freund Conklings und unterstützte warm
die dritte Präsidentschaft des Generals U. S. Grant. Dieses sein Verhältniß
zu Grant und Conkling verschaffte ihm bekanntlich auf der letzten National-
eonventivn der republikanischen Partei zu Chicago die Nomination für das Amt
des Vicepräsidenten. Ohne Grant und Conkling wäre er niemals der Amts¬
nachfolger von Garfield geworden. Es ist deshalb wohl der Zweifel gerecht¬
fertigt, ob er die Kraft besitzen und imstande sein wird, seine Beziehungen zu
den genannten beiden Häuptern der „Stalwarts" abzubrechen, wenigstens so
weit, daß er die von Hayes und Garfield inaugurirte Neformpolitik mit Nach¬
druck wird fortsetzen können. Zu leugnen ist zwar nicht, daß er sich während


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[0137] Garfields Tod und seine politischen Folgen. aus dem öffentlichen Leben die Nation erschüttern. Die Sonne wird morgen früh zur richtigen Stunde aufgehen, der Wind rauscht durch die Bäume, und die Natur ist so schön, als wären diese beiden Herren (Conkling und Platt, welche eben ihre Mandate als Senatoren von New-Iorl niedergelegt hatten) noch im Bundessenate. Ich werde auf der eingeschlagenen Bahn beharren und meine Pflicht thun, genau so, als wenn gar nichts vorgefallen wäre." Diese Worte legen ein glänzendes Zeugniß für den Muth, die Energie und das Pflichtgefühl Garfields ab. Dennoch dürfte es die Frage sein, ob sich nicht bei einem längern Leben Abraham Lincolns die Reconstruction der Südstaaten friedlicher und besser vollzogen hätte, als unter der Administration seines Nachfolgers Andrew Johnson. Und ebenso fraglich ist es jetzt, ob sich die Verhältnisse in der nordamerikanischen Union so günstig gestalten werden, namentlich ob sich die so nothwendige Reform im öffentlichen Aemterwesen so umsichtig und gründlich wird durchführen lassen, als dies aller Wahrscheinlichkeit nach unter Garfields Administration geschehen wäre. Es liegt auf der Hand, daß eine vollständige Beantwortung dieser Frage nicht möglich ist, schon einfach darum, weil wir nicht wissen können, was das Endresultat einer ungestörten Administration Garfields gewesen sein würde. Immerhin aber wird es erlaubt sein, die möglichen Folgen von Garfields früh¬ zeitigem Tode etwas näher ins Auge zu fassen. Die Partei der sogenannten „Stalwcirts," d. h. der Anhänger von Grant, Conkling, Cameron und jener zahlreichen Clique, welche im öffentlichen Aemter- Wesen das Beutesystem begünstigt und den Privatvortheil weit über das allge¬ meine Wohl stellt, ist noch immer in den Vereinigten Staaten einflußreich und mächtig, denn ein Uebel, das über fünfzig Jahre in der ganzen Union wucherte und in jedem Einzelstaate bei nationalen Wahlen und bei Staatswahlen tiefe Wurzeln schlug, läßt sich nicht so leicht ausrotten. Die Anläufe, welche Präsi¬ dent Hayes nahm und welche Garfield während der ersten vier Monate seiner Administration kräftig fortsetzte, um die Mißbräuche im Aemterwesen abzustellen, verdienen zwar alle Anerkennung, aber eine nachhaltige Ausrottung des Aemter¬ schachers ist keineswegs zustande gekommen. Präsident Arthur war nun, solange er sich an politischen Dingen betheiligte, ein getreuer Anhänger der Vertheidiger des Beutesystems, er war ein intimer Freund Conklings und unterstützte warm die dritte Präsidentschaft des Generals U. S. Grant. Dieses sein Verhältniß zu Grant und Conkling verschaffte ihm bekanntlich auf der letzten National- eonventivn der republikanischen Partei zu Chicago die Nomination für das Amt des Vicepräsidenten. Ohne Grant und Conkling wäre er niemals der Amts¬ nachfolger von Garfield geworden. Es ist deshalb wohl der Zweifel gerecht¬ fertigt, ob er die Kraft besitzen und imstande sein wird, seine Beziehungen zu den genannten beiden Häuptern der „Stalwarts" abzubrechen, wenigstens so weit, daß er die von Hayes und Garfield inaugurirte Neformpolitik mit Nach¬ druck wird fortsetzen können. Zu leugnen ist zwar nicht, daß er sich während

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/137>, abgerufen am 03.06.2024.