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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Der Porträtmaler unsrer Klassiker.

gesehenen Stellung, wie es in dem Schreiben Hirzels an Gleim "Ueber Sulzer
den Weltweisen" heißt, sondern weil er bei Graff "ein Gemüth fand, das so
hell und rein war als deo schönste Frühlingstag," und bereits im October 1771
fand in Berlin die Hochzeit der Verlobten statt.

Inzwischen hatte sich auch Graffs materielle Lage noch günstiger gestaltet.
Durch Sulzer war er in Berlin bei Hofe und bei den Vornehmen bekannt
geworden, und es fehlte ihm, so oft er hinkam, nicht an Aufträgen. In
Dresden aber wurde ihm 1774 neben einer kleinen Ausbesserung seines Gehaltes
(50 Thaler Quartiergeld jährlich) eine wichtige Vergünstigung zu Theil: während
er bisher vor jeder Reise besonders hatte um Urlaub bitten müssen, erhielt er
jetzt vom Hofe die Erlaubniß, jedes Jahr mehrere Monate zu reisen, ohne
vorher um Urlaub nachzusuchen. Um so unbegreiflicher ist es, daß er gerade
in dieser Zeit sich mit dem Gedanken trug, Dresden zu verlassen. Ende 1774
stand dieser Entschluß ganz fest bei ihm, und er schwankte nur noch, ob er sich
in Leipzig oder Berlin niederlassen sollte. Was der Grund zu diesen: Entschlüsse
gewesen, läßt sich nur vermuthen. Sulzer schreibt im November 1774 an ihn:
"Sie melden mir nicht, mein lieber Herr Sohn, ob man Ihnen in Dresden
Ihre Pension noch bezahlt oder nicht, welches ich gern wissen möchte," und
Geßner später: "Die Art, wie Sie der Hof verlassen und wieder gesucht hat,
macht Ihnen desto mehr Ehre. Ein Windbeutel kann sich oft hervordrängen,
aber dann steht es desto gefährlicher; ein Mann von wahren Verdiensten kann
oft darunter leiden." Jedenfalls also war die Gunst des Hofes, deren Graff
sich erfreute, sei es nun durch sein eignes Wesen oder durch fremde Intriguen,
eine Zeit lang etwas erschüttert. Doch scheint der Conflict bald wieder beigelegt
worden zu sein; im Sommer 177S ist von dem Plane, Dresden zu verlassen,
nicht weiter die Rede.

Am 24. Januar 178V starb Hagedorn, und sein Nachfolger als Director
der Dresdener Kunstakademie wurde Camillo Graf Marcolini. Unter ihm be¬
hauptete sich die Akademie nicht auf ihrer bisherigen Höhe, in die materiellen
Verhältnisse derselben aber griff er wirksam ein, und namentlich gestaltete er die
Stellung der Lehrer vortheilhafter. Auch Graff hatte sich über ihn nicht zu
beklagen. Zum erstenmale nach mehr als fünfzehn Jahren konnte er im Sommer
1781 auf mehrere Monate nach seiner Heimat Winterthur reisen, wo er, der
inzwischen weit berühmt gewordene Künstler, aufs freundlichste bewillkommnet,
auch sofort von Geßner nach Zürich eingeladen wurde. Aus den nächsten
Jahren ist vor allem der neugewonnenen Bekanntschaft mit der Familie Körner
zu gedenken, durch die sein Dresdener Freundeskreis den schönsten Abschluß fand.
Christian Gottfried Körner, hatte sich im August 1785 mit Minna Stock, der
Tochter des Leipziger Kupferstechers, verheiratet und war darauf mit seiner
jungen Frau und deren älteren Schwester Dora nach Dresden übergesiedelt.
Diese drei, aus Schillers Leben allbekannt geworden, bildeten fortan den in--


Der Porträtmaler unsrer Klassiker.

gesehenen Stellung, wie es in dem Schreiben Hirzels an Gleim „Ueber Sulzer
den Weltweisen" heißt, sondern weil er bei Graff „ein Gemüth fand, das so
hell und rein war als deo schönste Frühlingstag," und bereits im October 1771
fand in Berlin die Hochzeit der Verlobten statt.

Inzwischen hatte sich auch Graffs materielle Lage noch günstiger gestaltet.
Durch Sulzer war er in Berlin bei Hofe und bei den Vornehmen bekannt
geworden, und es fehlte ihm, so oft er hinkam, nicht an Aufträgen. In
Dresden aber wurde ihm 1774 neben einer kleinen Ausbesserung seines Gehaltes
(50 Thaler Quartiergeld jährlich) eine wichtige Vergünstigung zu Theil: während
er bisher vor jeder Reise besonders hatte um Urlaub bitten müssen, erhielt er
jetzt vom Hofe die Erlaubniß, jedes Jahr mehrere Monate zu reisen, ohne
vorher um Urlaub nachzusuchen. Um so unbegreiflicher ist es, daß er gerade
in dieser Zeit sich mit dem Gedanken trug, Dresden zu verlassen. Ende 1774
stand dieser Entschluß ganz fest bei ihm, und er schwankte nur noch, ob er sich
in Leipzig oder Berlin niederlassen sollte. Was der Grund zu diesen: Entschlüsse
gewesen, läßt sich nur vermuthen. Sulzer schreibt im November 1774 an ihn:
„Sie melden mir nicht, mein lieber Herr Sohn, ob man Ihnen in Dresden
Ihre Pension noch bezahlt oder nicht, welches ich gern wissen möchte," und
Geßner später: „Die Art, wie Sie der Hof verlassen und wieder gesucht hat,
macht Ihnen desto mehr Ehre. Ein Windbeutel kann sich oft hervordrängen,
aber dann steht es desto gefährlicher; ein Mann von wahren Verdiensten kann
oft darunter leiden." Jedenfalls also war die Gunst des Hofes, deren Graff
sich erfreute, sei es nun durch sein eignes Wesen oder durch fremde Intriguen,
eine Zeit lang etwas erschüttert. Doch scheint der Conflict bald wieder beigelegt
worden zu sein; im Sommer 177S ist von dem Plane, Dresden zu verlassen,
nicht weiter die Rede.

Am 24. Januar 178V starb Hagedorn, und sein Nachfolger als Director
der Dresdener Kunstakademie wurde Camillo Graf Marcolini. Unter ihm be¬
hauptete sich die Akademie nicht auf ihrer bisherigen Höhe, in die materiellen
Verhältnisse derselben aber griff er wirksam ein, und namentlich gestaltete er die
Stellung der Lehrer vortheilhafter. Auch Graff hatte sich über ihn nicht zu
beklagen. Zum erstenmale nach mehr als fünfzehn Jahren konnte er im Sommer
1781 auf mehrere Monate nach seiner Heimat Winterthur reisen, wo er, der
inzwischen weit berühmt gewordene Künstler, aufs freundlichste bewillkommnet,
auch sofort von Geßner nach Zürich eingeladen wurde. Aus den nächsten
Jahren ist vor allem der neugewonnenen Bekanntschaft mit der Familie Körner
zu gedenken, durch die sein Dresdener Freundeskreis den schönsten Abschluß fand.
Christian Gottfried Körner, hatte sich im August 1785 mit Minna Stock, der
Tochter des Leipziger Kupferstechers, verheiratet und war darauf mit seiner
jungen Frau und deren älteren Schwester Dora nach Dresden übergesiedelt.
Diese drei, aus Schillers Leben allbekannt geworden, bildeten fortan den in--


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[0162] Der Porträtmaler unsrer Klassiker. gesehenen Stellung, wie es in dem Schreiben Hirzels an Gleim „Ueber Sulzer den Weltweisen" heißt, sondern weil er bei Graff „ein Gemüth fand, das so hell und rein war als deo schönste Frühlingstag," und bereits im October 1771 fand in Berlin die Hochzeit der Verlobten statt. Inzwischen hatte sich auch Graffs materielle Lage noch günstiger gestaltet. Durch Sulzer war er in Berlin bei Hofe und bei den Vornehmen bekannt geworden, und es fehlte ihm, so oft er hinkam, nicht an Aufträgen. In Dresden aber wurde ihm 1774 neben einer kleinen Ausbesserung seines Gehaltes (50 Thaler Quartiergeld jährlich) eine wichtige Vergünstigung zu Theil: während er bisher vor jeder Reise besonders hatte um Urlaub bitten müssen, erhielt er jetzt vom Hofe die Erlaubniß, jedes Jahr mehrere Monate zu reisen, ohne vorher um Urlaub nachzusuchen. Um so unbegreiflicher ist es, daß er gerade in dieser Zeit sich mit dem Gedanken trug, Dresden zu verlassen. Ende 1774 stand dieser Entschluß ganz fest bei ihm, und er schwankte nur noch, ob er sich in Leipzig oder Berlin niederlassen sollte. Was der Grund zu diesen: Entschlüsse gewesen, läßt sich nur vermuthen. Sulzer schreibt im November 1774 an ihn: „Sie melden mir nicht, mein lieber Herr Sohn, ob man Ihnen in Dresden Ihre Pension noch bezahlt oder nicht, welches ich gern wissen möchte," und Geßner später: „Die Art, wie Sie der Hof verlassen und wieder gesucht hat, macht Ihnen desto mehr Ehre. Ein Windbeutel kann sich oft hervordrängen, aber dann steht es desto gefährlicher; ein Mann von wahren Verdiensten kann oft darunter leiden." Jedenfalls also war die Gunst des Hofes, deren Graff sich erfreute, sei es nun durch sein eignes Wesen oder durch fremde Intriguen, eine Zeit lang etwas erschüttert. Doch scheint der Conflict bald wieder beigelegt worden zu sein; im Sommer 177S ist von dem Plane, Dresden zu verlassen, nicht weiter die Rede. Am 24. Januar 178V starb Hagedorn, und sein Nachfolger als Director der Dresdener Kunstakademie wurde Camillo Graf Marcolini. Unter ihm be¬ hauptete sich die Akademie nicht auf ihrer bisherigen Höhe, in die materiellen Verhältnisse derselben aber griff er wirksam ein, und namentlich gestaltete er die Stellung der Lehrer vortheilhafter. Auch Graff hatte sich über ihn nicht zu beklagen. Zum erstenmale nach mehr als fünfzehn Jahren konnte er im Sommer 1781 auf mehrere Monate nach seiner Heimat Winterthur reisen, wo er, der inzwischen weit berühmt gewordene Künstler, aufs freundlichste bewillkommnet, auch sofort von Geßner nach Zürich eingeladen wurde. Aus den nächsten Jahren ist vor allem der neugewonnenen Bekanntschaft mit der Familie Körner zu gedenken, durch die sein Dresdener Freundeskreis den schönsten Abschluß fand. Christian Gottfried Körner, hatte sich im August 1785 mit Minna Stock, der Tochter des Leipziger Kupferstechers, verheiratet und war darauf mit seiner jungen Frau und deren älteren Schwester Dora nach Dresden übergesiedelt. Diese drei, aus Schillers Leben allbekannt geworden, bildeten fortan den in--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/162>, abgerufen am 29.05.2024.