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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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häusliches Loben in Skandinavien im sechzehnten Icchrlmndert,

lagen die Küche und die übrigen Zimmer, soviele ihrer das Hans enthielt. Selbst¬
verständlich hingen Größe, Anzahl und die ganze Ausstattung dieser Räume
hauptsächlich von den Vermögensumständen des Besitzers ab. Aber alle zeigten
sie doch, indem sie jenen Stempel der Einfachheit an sich trugen, welcher der
Borzeit eigen war, eine unverkennbare Familienähnlichkeit,

Der erste Eindruck, den unsereiner von der Wohnstube bekommen hätte,
würde der des bunten, überfüllten, gedrückten gewesen sein. Wenn der Um¬
fang nicht zu groß erschienen wäre und der Lehmfußboden nicht dagegen ge¬
sprochen Hütte, so hätte man glauben können, in eine Kajüte versetzt zu sein,
wo man jeden Zoll der Wände benutzt, um dieses oder jenes aufzubewahren
und Bänke oder feste Kojen anzubringen und wo die kleinen Fensterscheiben wohl
vernagelt werden, aus Furcht vor dem Andrange der Meereswogen.

Das Möbel war nicht mehr wie in den Bauernstuben ein Bestandtheil der
Wand, des Hauses, des Fußbodens, es war anch nicht leicht beweglich wie bei
uns, sondern befand sich in einem Uebergangsstadium, Dieser Proceß der
Emancipation vollzog sich seit dem 16. Jahrhundert, Der bisher verschlossene
Alkoven sprang auf vier Beinen ins Zimmer hinein als .Himmelbett, Die Bank,
welche als ein mit Deckeln und Klappen versehener Behälter mit der Wand
vereinigt war, folgte dem Rufe nach Freiheit, zuerst als Lade, dann als Bank,
als Stuhl, Das Sopha des 18, Jahrhunderts erinnert allein noch, eine Art
Atavismus, um das letzte Stück Bank, Der Tisch machte ebenfalls mobil. Immer
unruhiger wurde die Bewegung. Während einzelne Theile der Bank heraus¬
führen in Gestalt von Laden, richteten sich einige der letzter" auf ihren Hinter¬
beinen auf und standen als Schränke da. Dann kreuzten sich die Racen: Schränke
traten auf mit Ausziehtischen, bald größere als Schubladen, bald kleinere als
Kommoden. Und unter alledem schrumpfte das Getäfel der Wände zusammen
oder schälte sich in einzelnen Schirmbrcttern ab.

Dieser Unruhe gegenüber machte eine" soliden Eindruck allein der Ofen,
Er blieb an seinem Platze, Hier aber erlebte er in rascher Folge allerhand
Metamorphosen, Er begann als Kamin, schloß sich zum Backsteinofeu, ver¬
besserte sich zum Kachelofen, gürtete sich mit Eisenplatten, kurz, er zeigte eine
Fülle von Wandlungen, in denen der Menscheuwitz den Kampf mit dein un¬
erbittlichen Winter zu bestehen suchte.

Das größte Möbel, zugleich der Gradmesser für den Wohlstand und Ge¬
schmack der Bewohner, war das mächtige Himmelbett, das sofort beim Eintritt
alle Aufmerksamkeit gefangen nahm. Die verhüllenden Vorhänge, ursprünglich
Wolle oder Baumwolle, dann Seide, silberdurchwirkter Damast, Stoffe aus
Nürnberg oder Arms von bunter Farbe, waren offenbar Gegenstand zärtlichster
Fürsorge der Hansfrau. An Festtagen ganz besonders prangte das Bett als
etwas großes, reiches, ehrfurchtgebietendes, als der Thron des Hauses, an sich
selbst ein Haus, jedenfalls als ein Hausgeräth, dem unsre Zeit nichts an die


häusliches Loben in Skandinavien im sechzehnten Icchrlmndert,

lagen die Küche und die übrigen Zimmer, soviele ihrer das Hans enthielt. Selbst¬
verständlich hingen Größe, Anzahl und die ganze Ausstattung dieser Räume
hauptsächlich von den Vermögensumständen des Besitzers ab. Aber alle zeigten
sie doch, indem sie jenen Stempel der Einfachheit an sich trugen, welcher der
Borzeit eigen war, eine unverkennbare Familienähnlichkeit,

Der erste Eindruck, den unsereiner von der Wohnstube bekommen hätte,
würde der des bunten, überfüllten, gedrückten gewesen sein. Wenn der Um¬
fang nicht zu groß erschienen wäre und der Lehmfußboden nicht dagegen ge¬
sprochen Hütte, so hätte man glauben können, in eine Kajüte versetzt zu sein,
wo man jeden Zoll der Wände benutzt, um dieses oder jenes aufzubewahren
und Bänke oder feste Kojen anzubringen und wo die kleinen Fensterscheiben wohl
vernagelt werden, aus Furcht vor dem Andrange der Meereswogen.

Das Möbel war nicht mehr wie in den Bauernstuben ein Bestandtheil der
Wand, des Hauses, des Fußbodens, es war anch nicht leicht beweglich wie bei
uns, sondern befand sich in einem Uebergangsstadium, Dieser Proceß der
Emancipation vollzog sich seit dem 16. Jahrhundert, Der bisher verschlossene
Alkoven sprang auf vier Beinen ins Zimmer hinein als .Himmelbett, Die Bank,
welche als ein mit Deckeln und Klappen versehener Behälter mit der Wand
vereinigt war, folgte dem Rufe nach Freiheit, zuerst als Lade, dann als Bank,
als Stuhl, Das Sopha des 18, Jahrhunderts erinnert allein noch, eine Art
Atavismus, um das letzte Stück Bank, Der Tisch machte ebenfalls mobil. Immer
unruhiger wurde die Bewegung. Während einzelne Theile der Bank heraus¬
führen in Gestalt von Laden, richteten sich einige der letzter« auf ihren Hinter¬
beinen auf und standen als Schränke da. Dann kreuzten sich die Racen: Schränke
traten auf mit Ausziehtischen, bald größere als Schubladen, bald kleinere als
Kommoden. Und unter alledem schrumpfte das Getäfel der Wände zusammen
oder schälte sich in einzelnen Schirmbrcttern ab.

Dieser Unruhe gegenüber machte eine» soliden Eindruck allein der Ofen,
Er blieb an seinem Platze, Hier aber erlebte er in rascher Folge allerhand
Metamorphosen, Er begann als Kamin, schloß sich zum Backsteinofeu, ver¬
besserte sich zum Kachelofen, gürtete sich mit Eisenplatten, kurz, er zeigte eine
Fülle von Wandlungen, in denen der Menscheuwitz den Kampf mit dein un¬
erbittlichen Winter zu bestehen suchte.

Das größte Möbel, zugleich der Gradmesser für den Wohlstand und Ge¬
schmack der Bewohner, war das mächtige Himmelbett, das sofort beim Eintritt
alle Aufmerksamkeit gefangen nahm. Die verhüllenden Vorhänge, ursprünglich
Wolle oder Baumwolle, dann Seide, silberdurchwirkter Damast, Stoffe aus
Nürnberg oder Arms von bunter Farbe, waren offenbar Gegenstand zärtlichster
Fürsorge der Hansfrau. An Festtagen ganz besonders prangte das Bett als
etwas großes, reiches, ehrfurchtgebietendes, als der Thron des Hauses, an sich
selbst ein Haus, jedenfalls als ein Hausgeräth, dem unsre Zeit nichts an die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/205>, abgerufen am 30.05.2024.