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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert.

Seite zu stellen hat. Dieser äußern Pracht entsprechend, mußte auch das Innere
des Bettes sich entwickeln. Mit Stroh hatte man begonnen; da dieses stach,
schlug man es in Leinen oder in Leder ein. Mit Pelz deckte man sich zu.
Bald aber trat die Matratze auf, Unterbetten, Kopfkissen machten sich breit, und
das Ganze verbarg sich sittsam unter einer Bettdecke. Unserm Geschmack würde
das Bett insofern nicht entsprechen, als es ein wenig zu kurz war und den
Schläfer rettungslos einem Ocean von Eiderdcmnen überantwortete. Selten
wurde das Bett nur von einem benutzt, in der Regel von mehreren. Außer
den Eltern pflegten in dem großen Bette noch eine Anzahl der Kinder zu
schlafen, welche wenigstens am Abend nach zwei Seiten, der "Schwert-" und der
"Kunkelseite," geordnet wurden; in der Mitte lagen Vater und Mutter als
Grenzscheide. Ob dann und wann noch ein werther Freund oder Anverwandter
Aufnahme finden sollte, hing von den Umständen ab. War im Herzen Raum,
dann fehlte es auch niemals an Raum im Hause. Jedenfalls lag man oft recht
dicht, und die Situation wird nicht angenehmer erscheinen, wenn man bedenkt,
daß Hemden nicht gebräuchlich waren und das einzige Kleidungsstück in der
Nachtmütze bestand. Diese nächtliche Ordnung war auch nicht ohne Gefahr für
die kleinern Kinder, welche das Unglück hatten, unter einen schweren Körper zu
gerathen. Im Stifte Aarhus allein wurden jährlich durchschnittlich 38 Kinder
"zu Tode gelegen." Der Brauch, sich des Morgens nach dem Aufstehen zu
waschen, wurde gleich so vielem andern eine Folge der veränderten Verhältnisse
des sechzehnten Jahrhunderts. Doch dienten wohl Waschbecken und Kannen
vielfach mehr zum Staat als zum täglichen Gebrauche. Auch die Handtücher
erschienen anfangs als ein entbehrlicher Luxus.

Gegen Ende des Jahrhunderts beginnt eine verschwenderische Anwendung
von Teppichen. Erst deckte man damit das Bett zu, dann den Tisch, dann be¬
hängte man auch die Wände damit. Was ursprünglich nur festliche Gelegen-
heiten als eine Zierde erforderten, sank bald bei Vermögenderen zu einer Sitte
des Werkeltags herab. Der Fußboden rivalisirte selten mit einer solchen Aus¬
schmückung. Der Lehm wurde zwar verdrängt durch Pflaster oder kleine Fliesen,
aber Teppiche darauf zu legen war wider die Sitte der Zeit. Nicht vergessen
sei endlich ein neuer Zierrath: die neumodische Uhr, ein werthvolles Stück des
Hauses.

Zum Schlüsse werfen wir noch einen Blick auf die übrigen Gemächer des
Hauses. Da war zunächst die Küche mit ihren zahlreichen Geschirren, die Bor-
mthskammer mit Lebensmitteln auf Monate hinaus, die "große Stube," die,
ähnlich der Wohnstube eingerichtet, nur bei festlichen Gelegenheiten sich öffnete,
endlich die unumgänglich nothwendige Badestube. Letztere wurde allmählich durch
die öffentlichen Badestuben verdrängt, die Stätten von allerhand Lustbarkeiten,
aber auch, da eine Trennung der Geschlechter nicht stattfand, von mancher
Unsitte.


Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert.

Seite zu stellen hat. Dieser äußern Pracht entsprechend, mußte auch das Innere
des Bettes sich entwickeln. Mit Stroh hatte man begonnen; da dieses stach,
schlug man es in Leinen oder in Leder ein. Mit Pelz deckte man sich zu.
Bald aber trat die Matratze auf, Unterbetten, Kopfkissen machten sich breit, und
das Ganze verbarg sich sittsam unter einer Bettdecke. Unserm Geschmack würde
das Bett insofern nicht entsprechen, als es ein wenig zu kurz war und den
Schläfer rettungslos einem Ocean von Eiderdcmnen überantwortete. Selten
wurde das Bett nur von einem benutzt, in der Regel von mehreren. Außer
den Eltern pflegten in dem großen Bette noch eine Anzahl der Kinder zu
schlafen, welche wenigstens am Abend nach zwei Seiten, der „Schwert-" und der
„Kunkelseite," geordnet wurden; in der Mitte lagen Vater und Mutter als
Grenzscheide. Ob dann und wann noch ein werther Freund oder Anverwandter
Aufnahme finden sollte, hing von den Umständen ab. War im Herzen Raum,
dann fehlte es auch niemals an Raum im Hause. Jedenfalls lag man oft recht
dicht, und die Situation wird nicht angenehmer erscheinen, wenn man bedenkt,
daß Hemden nicht gebräuchlich waren und das einzige Kleidungsstück in der
Nachtmütze bestand. Diese nächtliche Ordnung war auch nicht ohne Gefahr für
die kleinern Kinder, welche das Unglück hatten, unter einen schweren Körper zu
gerathen. Im Stifte Aarhus allein wurden jährlich durchschnittlich 38 Kinder
„zu Tode gelegen." Der Brauch, sich des Morgens nach dem Aufstehen zu
waschen, wurde gleich so vielem andern eine Folge der veränderten Verhältnisse
des sechzehnten Jahrhunderts. Doch dienten wohl Waschbecken und Kannen
vielfach mehr zum Staat als zum täglichen Gebrauche. Auch die Handtücher
erschienen anfangs als ein entbehrlicher Luxus.

Gegen Ende des Jahrhunderts beginnt eine verschwenderische Anwendung
von Teppichen. Erst deckte man damit das Bett zu, dann den Tisch, dann be¬
hängte man auch die Wände damit. Was ursprünglich nur festliche Gelegen-
heiten als eine Zierde erforderten, sank bald bei Vermögenderen zu einer Sitte
des Werkeltags herab. Der Fußboden rivalisirte selten mit einer solchen Aus¬
schmückung. Der Lehm wurde zwar verdrängt durch Pflaster oder kleine Fliesen,
aber Teppiche darauf zu legen war wider die Sitte der Zeit. Nicht vergessen
sei endlich ein neuer Zierrath: die neumodische Uhr, ein werthvolles Stück des
Hauses.

Zum Schlüsse werfen wir noch einen Blick auf die übrigen Gemächer des
Hauses. Da war zunächst die Küche mit ihren zahlreichen Geschirren, die Bor-
mthskammer mit Lebensmitteln auf Monate hinaus, die „große Stube," die,
ähnlich der Wohnstube eingerichtet, nur bei festlichen Gelegenheiten sich öffnete,
endlich die unumgänglich nothwendige Badestube. Letztere wurde allmählich durch
die öffentlichen Badestuben verdrängt, die Stätten von allerhand Lustbarkeiten,
aber auch, da eine Trennung der Geschlechter nicht stattfand, von mancher
Unsitte.


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[0206] Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert. Seite zu stellen hat. Dieser äußern Pracht entsprechend, mußte auch das Innere des Bettes sich entwickeln. Mit Stroh hatte man begonnen; da dieses stach, schlug man es in Leinen oder in Leder ein. Mit Pelz deckte man sich zu. Bald aber trat die Matratze auf, Unterbetten, Kopfkissen machten sich breit, und das Ganze verbarg sich sittsam unter einer Bettdecke. Unserm Geschmack würde das Bett insofern nicht entsprechen, als es ein wenig zu kurz war und den Schläfer rettungslos einem Ocean von Eiderdcmnen überantwortete. Selten wurde das Bett nur von einem benutzt, in der Regel von mehreren. Außer den Eltern pflegten in dem großen Bette noch eine Anzahl der Kinder zu schlafen, welche wenigstens am Abend nach zwei Seiten, der „Schwert-" und der „Kunkelseite," geordnet wurden; in der Mitte lagen Vater und Mutter als Grenzscheide. Ob dann und wann noch ein werther Freund oder Anverwandter Aufnahme finden sollte, hing von den Umständen ab. War im Herzen Raum, dann fehlte es auch niemals an Raum im Hause. Jedenfalls lag man oft recht dicht, und die Situation wird nicht angenehmer erscheinen, wenn man bedenkt, daß Hemden nicht gebräuchlich waren und das einzige Kleidungsstück in der Nachtmütze bestand. Diese nächtliche Ordnung war auch nicht ohne Gefahr für die kleinern Kinder, welche das Unglück hatten, unter einen schweren Körper zu gerathen. Im Stifte Aarhus allein wurden jährlich durchschnittlich 38 Kinder „zu Tode gelegen." Der Brauch, sich des Morgens nach dem Aufstehen zu waschen, wurde gleich so vielem andern eine Folge der veränderten Verhältnisse des sechzehnten Jahrhunderts. Doch dienten wohl Waschbecken und Kannen vielfach mehr zum Staat als zum täglichen Gebrauche. Auch die Handtücher erschienen anfangs als ein entbehrlicher Luxus. Gegen Ende des Jahrhunderts beginnt eine verschwenderische Anwendung von Teppichen. Erst deckte man damit das Bett zu, dann den Tisch, dann be¬ hängte man auch die Wände damit. Was ursprünglich nur festliche Gelegen- heiten als eine Zierde erforderten, sank bald bei Vermögenderen zu einer Sitte des Werkeltags herab. Der Fußboden rivalisirte selten mit einer solchen Aus¬ schmückung. Der Lehm wurde zwar verdrängt durch Pflaster oder kleine Fliesen, aber Teppiche darauf zu legen war wider die Sitte der Zeit. Nicht vergessen sei endlich ein neuer Zierrath: die neumodische Uhr, ein werthvolles Stück des Hauses. Zum Schlüsse werfen wir noch einen Blick auf die übrigen Gemächer des Hauses. Da war zunächst die Küche mit ihren zahlreichen Geschirren, die Bor- mthskammer mit Lebensmitteln auf Monate hinaus, die „große Stube," die, ähnlich der Wohnstube eingerichtet, nur bei festlichen Gelegenheiten sich öffnete, endlich die unumgänglich nothwendige Badestube. Letztere wurde allmählich durch die öffentlichen Badestuben verdrängt, die Stätten von allerhand Lustbarkeiten, aber auch, da eine Trennung der Geschlechter nicht stattfand, von mancher Unsitte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/206>, abgerufen am 14.05.2024.