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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Rubens in Italien.

bewußt gewesen, daß er denen, die in der Heimat seine ersten Schritte leiteten,
nichts verdankte. Die einzige Stelle, an welcher er Otto van Veens gedenkt,
findet sich in einem Briefe an dessen Bruder Peter van Veer.*) Hier spricht
er nur von sissnor Ottavio Vssn suo tratsllo, dem Herrn Bruder, und aus
dem ganzen Zusammenhange dieser Stelle geht sogar hervor, daß er damals mit
seinem frühern Lehrherrn -- durch wessen Schuld, ist nicht ersichtlich -- auf
gespanntem Fuße stand.

Das einzige authentische Document, welches uns über Rubens' Lehrer be¬
richtet, ist eine lateinische Biographie, die sein Neffe Philipp Rubens nach An¬
gaben seines Sohnes Albert auf Ansuchen des französischen Malers Roger de
Piles verfaßt hat, welcher die Lebensbeschreibung des großen Antwerpener
Meisters in sein Sammelwerk ^.drs^^ as ig, Vis ass ^sintrss aufnehmen wollte.
In dieser nach dem Muster des Cornelius Nepos lateinisch geschriebenen Bio¬
graphie heißt es: Als seine Mutter nach dem im Jahre 1587 erfolgten Tode
ihres Gatten von Köln nach Antwerpen gezogen war, gab sie den jungen Peter
Paul in das Haus "der Frau Margarete von Ligne, der Wittwe des Grafen
Philipp von Lalaing, wo er eine zeitlang Pagendienfte verrichtete. Aber da er
bald des höfischen Lebens überdrüssig wurde und sein Genius ihn zur Malerei
trieb, setzte er es bei der Mutter, deren Mittel durch die Kriege geschmälert
waren, durch, daß er bei dem Antwerpener Maler Adam van Noort in die
Lehre gegeben wurde. Bei diesem Meister legte er vier Jahre lang die Grund¬
langen zu seiner Kunst mit solchem Erfolge, daß ihn die Natur selbst dazu be¬
stimmt zu haben schien. Darauf brachte er weitere vier Jahre beinahe ganz
unter der Zucht Otto van Veens zu, der damals der erste belgische Maler war.
Als sein Ruf aber schon soweit gestiegen war, daß die Ueberlegenheit seines
Lehrmeisters zweifelhaft wurde, bekam er große Lust, Italien zu scheu, damit
er die dort im höchsten Ansehen stehenden Werke älterer und neuerer Künstler
sich näher ansehen und nach ihrem Muster seine Malfertigkeit weiter ausbilden
könnte. Er reiste am 9. Mai 1600 ab."

Das ist alles authentische, was wir von Rubens' Lehrzeit wissen. Einige
Biographien ohne Autorität nennen zwar noch den Landschaftsmaler Tobias
Verhaecht unter seinen Lehrern, und zwar als den ersten derselben. Mer diese
Behauptung wird durch nichts anderes unterstützt als durch eine Unterschrist
unter einem Porträt Verhaechts, welche ihn als Rubens' Lehrer bezeichnet.
Thatsache ist jedenfalls, daß Rubens selbst ein ausgezeichneter Landschaftsmaler
gewesen ist, der nicht nur auf die freie Ausbildung der landschaftlichen Hinter¬
gründe seiner Kompositionen einen großen Werth legte, sondern auch eine Reihe
von Landschaften gemalt hat, die beweisen, daß er der Hilfe eines Jan Brueghel
oder eines Jan Wildens gar nicht bedürfte, daß diese vielmehr in ihrem Fache



*) S. Rosenberg, Rubensbriefc. Leipzig, Seemann, 1881. S. 63.
Rubens in Italien.

bewußt gewesen, daß er denen, die in der Heimat seine ersten Schritte leiteten,
nichts verdankte. Die einzige Stelle, an welcher er Otto van Veens gedenkt,
findet sich in einem Briefe an dessen Bruder Peter van Veer.*) Hier spricht
er nur von sissnor Ottavio Vssn suo tratsllo, dem Herrn Bruder, und aus
dem ganzen Zusammenhange dieser Stelle geht sogar hervor, daß er damals mit
seinem frühern Lehrherrn — durch wessen Schuld, ist nicht ersichtlich — auf
gespanntem Fuße stand.

Das einzige authentische Document, welches uns über Rubens' Lehrer be¬
richtet, ist eine lateinische Biographie, die sein Neffe Philipp Rubens nach An¬
gaben seines Sohnes Albert auf Ansuchen des französischen Malers Roger de
Piles verfaßt hat, welcher die Lebensbeschreibung des großen Antwerpener
Meisters in sein Sammelwerk ^.drs^^ as ig, Vis ass ^sintrss aufnehmen wollte.
In dieser nach dem Muster des Cornelius Nepos lateinisch geschriebenen Bio¬
graphie heißt es: Als seine Mutter nach dem im Jahre 1587 erfolgten Tode
ihres Gatten von Köln nach Antwerpen gezogen war, gab sie den jungen Peter
Paul in das Haus „der Frau Margarete von Ligne, der Wittwe des Grafen
Philipp von Lalaing, wo er eine zeitlang Pagendienfte verrichtete. Aber da er
bald des höfischen Lebens überdrüssig wurde und sein Genius ihn zur Malerei
trieb, setzte er es bei der Mutter, deren Mittel durch die Kriege geschmälert
waren, durch, daß er bei dem Antwerpener Maler Adam van Noort in die
Lehre gegeben wurde. Bei diesem Meister legte er vier Jahre lang die Grund¬
langen zu seiner Kunst mit solchem Erfolge, daß ihn die Natur selbst dazu be¬
stimmt zu haben schien. Darauf brachte er weitere vier Jahre beinahe ganz
unter der Zucht Otto van Veens zu, der damals der erste belgische Maler war.
Als sein Ruf aber schon soweit gestiegen war, daß die Ueberlegenheit seines
Lehrmeisters zweifelhaft wurde, bekam er große Lust, Italien zu scheu, damit
er die dort im höchsten Ansehen stehenden Werke älterer und neuerer Künstler
sich näher ansehen und nach ihrem Muster seine Malfertigkeit weiter ausbilden
könnte. Er reiste am 9. Mai 1600 ab."

Das ist alles authentische, was wir von Rubens' Lehrzeit wissen. Einige
Biographien ohne Autorität nennen zwar noch den Landschaftsmaler Tobias
Verhaecht unter seinen Lehrern, und zwar als den ersten derselben. Mer diese
Behauptung wird durch nichts anderes unterstützt als durch eine Unterschrist
unter einem Porträt Verhaechts, welche ihn als Rubens' Lehrer bezeichnet.
Thatsache ist jedenfalls, daß Rubens selbst ein ausgezeichneter Landschaftsmaler
gewesen ist, der nicht nur auf die freie Ausbildung der landschaftlichen Hinter¬
gründe seiner Kompositionen einen großen Werth legte, sondern auch eine Reihe
von Landschaften gemalt hat, die beweisen, daß er der Hilfe eines Jan Brueghel
oder eines Jan Wildens gar nicht bedürfte, daß diese vielmehr in ihrem Fache



*) S. Rosenberg, Rubensbriefc. Leipzig, Seemann, 1881. S. 63.
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[0216] Rubens in Italien. bewußt gewesen, daß er denen, die in der Heimat seine ersten Schritte leiteten, nichts verdankte. Die einzige Stelle, an welcher er Otto van Veens gedenkt, findet sich in einem Briefe an dessen Bruder Peter van Veer.*) Hier spricht er nur von sissnor Ottavio Vssn suo tratsllo, dem Herrn Bruder, und aus dem ganzen Zusammenhange dieser Stelle geht sogar hervor, daß er damals mit seinem frühern Lehrherrn — durch wessen Schuld, ist nicht ersichtlich — auf gespanntem Fuße stand. Das einzige authentische Document, welches uns über Rubens' Lehrer be¬ richtet, ist eine lateinische Biographie, die sein Neffe Philipp Rubens nach An¬ gaben seines Sohnes Albert auf Ansuchen des französischen Malers Roger de Piles verfaßt hat, welcher die Lebensbeschreibung des großen Antwerpener Meisters in sein Sammelwerk ^.drs^^ as ig, Vis ass ^sintrss aufnehmen wollte. In dieser nach dem Muster des Cornelius Nepos lateinisch geschriebenen Bio¬ graphie heißt es: Als seine Mutter nach dem im Jahre 1587 erfolgten Tode ihres Gatten von Köln nach Antwerpen gezogen war, gab sie den jungen Peter Paul in das Haus „der Frau Margarete von Ligne, der Wittwe des Grafen Philipp von Lalaing, wo er eine zeitlang Pagendienfte verrichtete. Aber da er bald des höfischen Lebens überdrüssig wurde und sein Genius ihn zur Malerei trieb, setzte er es bei der Mutter, deren Mittel durch die Kriege geschmälert waren, durch, daß er bei dem Antwerpener Maler Adam van Noort in die Lehre gegeben wurde. Bei diesem Meister legte er vier Jahre lang die Grund¬ langen zu seiner Kunst mit solchem Erfolge, daß ihn die Natur selbst dazu be¬ stimmt zu haben schien. Darauf brachte er weitere vier Jahre beinahe ganz unter der Zucht Otto van Veens zu, der damals der erste belgische Maler war. Als sein Ruf aber schon soweit gestiegen war, daß die Ueberlegenheit seines Lehrmeisters zweifelhaft wurde, bekam er große Lust, Italien zu scheu, damit er die dort im höchsten Ansehen stehenden Werke älterer und neuerer Künstler sich näher ansehen und nach ihrem Muster seine Malfertigkeit weiter ausbilden könnte. Er reiste am 9. Mai 1600 ab." Das ist alles authentische, was wir von Rubens' Lehrzeit wissen. Einige Biographien ohne Autorität nennen zwar noch den Landschaftsmaler Tobias Verhaecht unter seinen Lehrern, und zwar als den ersten derselben. Mer diese Behauptung wird durch nichts anderes unterstützt als durch eine Unterschrist unter einem Porträt Verhaechts, welche ihn als Rubens' Lehrer bezeichnet. Thatsache ist jedenfalls, daß Rubens selbst ein ausgezeichneter Landschaftsmaler gewesen ist, der nicht nur auf die freie Ausbildung der landschaftlichen Hinter¬ gründe seiner Kompositionen einen großen Werth legte, sondern auch eine Reihe von Landschaften gemalt hat, die beweisen, daß er der Hilfe eines Jan Brueghel oder eines Jan Wildens gar nicht bedürfte, daß diese vielmehr in ihrem Fache *) S. Rosenberg, Rubensbriefc. Leipzig, Seemann, 1881. S. 63.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/216>, abgerufen am 16.05.2024.