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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Rubens in Italien.

noch von ihm lernten, wie es David Teniers und Brouwer und die Rijckaerts
für ihre Bauern gethan haben. Man setzt die berühmten Landschaften, welche
das Louvre und das Wiener Belvedere besitzen, gewöhnlich und wohl auch mit
Recht in die letzten Lebensjahre des Meisters, in die Zeit von 1630--1640.
Daß er sich aber schon frühzeitig, unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Italien,
landschaftlichen Studien gewidmet hat, beweist eine Zeichnung des Berliner
Kupferstichcabinets aus dem Jahre 1610, eine Winterlandschaft mit drei stroh¬
gedeckten Hütten und kahlen Weiden im Vordergrunde, welche außer der Jahres¬
zahl die Inschrift: as Kosvö KM rvAs ofte, der Hof beim rauhen Felde, und
den Namen des Meisters trägt. Wir haben also ein Studium nach der Natur
vor uns, dessen Motiv der Meister aus der Nachbarschaft Antwerpens geschöpft
haben wird. Ein Seitenstück zu dieser Zeichnung besitzt das Dresdener Kupfer-
stichcabinet: ein Bauerngehöft mit einem Ziehbrunnen und einem Misthaufen in
der Mitte, auf welchem sich ein paar Schweine vergnügen. Das Laub der
Bäume, welche vor und hinter den Häusern sichtbar sind, deutet auf den Früh¬
ling. Wie das Berliner Blatt, ist auch das Dresdener mit der Feder gezeichnet,
nur etwas eingehender im Detail, leicht lavirt und die Luft blau angelegt.

Während seines Aufenthalts in Italien scheint Rubens solche landschaft¬
lichen Studien nicht gemacht zu haben. Wenigstens ist uns keine Spur davon
erhalten.*) Es wäre auch ganz charakteristisch für den Nordländer, daß die
Liebe zur Natur erst wieder in ihm erwachte, als er in der Heimat feste Wurzeln
gefaßt hatte.

Wir müssen uns also darauf beschränken, in Adam van Noort und Otto
van Van" Rubens' Lehrer zu sehen. Von dem ersteren kennen wir zu wenig,
um uns ein Urtheil über den Einfluß zu bilden, den er etwa auf die Entwick¬
lung seines großen Schülers geübt hat. Dieser Einfluß wird kaum nennens-
werth gewesen sein, da Rubens in Italien sogar alles abgeschüttelt hat, was
uoch an Otto van Been erinnern könnte. Aber wenn nicht der Maler, so wird
doch der fein gebildete Hofmann, der in der classischen Literatur gut belesen
war und sich gerne mit allegorischen Spitzfindigkeiten befaßte, auf Rubens nach¬
haltig eingewirkt haben, wenn auch dieser Einfluß erst in spätern Jahren, als
der aufschäumende Jugeudmost der sinnigen Beschaulichkeit des reiferen Mannes¬
alters Platz gemacht hatte, zur Geltung kam. Otto Vaenius, wie er nach der
Sitte einer Zeit, die im römischen Alterthum das höchste Ziel ihres Strebens
sah, mit Vorliebe genannt wurde, gehört als Maler noch völlig der letzten Hälfte
des sechzehnten Jahrhunderts an, also einer Periode der flämischen Malerei,
die wenig erfreuliche Früchte gezeitigt hat. Die italienischen Meister von Giulio



*) Im Besitze des 1880 in Kassel gestorbenen Malers Joh. Wilh, Stahl befand sich
eme dein Rubens zugeschriebene Skizze "Der Ausbruch des Vesuv." Ich habe sie nicht gc-
sclM, weiß also auch nicht, ob sie Rubens' Namen mit Recht triigt.
Rubens in Italien.

noch von ihm lernten, wie es David Teniers und Brouwer und die Rijckaerts
für ihre Bauern gethan haben. Man setzt die berühmten Landschaften, welche
das Louvre und das Wiener Belvedere besitzen, gewöhnlich und wohl auch mit
Recht in die letzten Lebensjahre des Meisters, in die Zeit von 1630—1640.
Daß er sich aber schon frühzeitig, unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Italien,
landschaftlichen Studien gewidmet hat, beweist eine Zeichnung des Berliner
Kupferstichcabinets aus dem Jahre 1610, eine Winterlandschaft mit drei stroh¬
gedeckten Hütten und kahlen Weiden im Vordergrunde, welche außer der Jahres¬
zahl die Inschrift: as Kosvö KM rvAs ofte, der Hof beim rauhen Felde, und
den Namen des Meisters trägt. Wir haben also ein Studium nach der Natur
vor uns, dessen Motiv der Meister aus der Nachbarschaft Antwerpens geschöpft
haben wird. Ein Seitenstück zu dieser Zeichnung besitzt das Dresdener Kupfer-
stichcabinet: ein Bauerngehöft mit einem Ziehbrunnen und einem Misthaufen in
der Mitte, auf welchem sich ein paar Schweine vergnügen. Das Laub der
Bäume, welche vor und hinter den Häusern sichtbar sind, deutet auf den Früh¬
ling. Wie das Berliner Blatt, ist auch das Dresdener mit der Feder gezeichnet,
nur etwas eingehender im Detail, leicht lavirt und die Luft blau angelegt.

Während seines Aufenthalts in Italien scheint Rubens solche landschaft¬
lichen Studien nicht gemacht zu haben. Wenigstens ist uns keine Spur davon
erhalten.*) Es wäre auch ganz charakteristisch für den Nordländer, daß die
Liebe zur Natur erst wieder in ihm erwachte, als er in der Heimat feste Wurzeln
gefaßt hatte.

Wir müssen uns also darauf beschränken, in Adam van Noort und Otto
van Van» Rubens' Lehrer zu sehen. Von dem ersteren kennen wir zu wenig,
um uns ein Urtheil über den Einfluß zu bilden, den er etwa auf die Entwick¬
lung seines großen Schülers geübt hat. Dieser Einfluß wird kaum nennens-
werth gewesen sein, da Rubens in Italien sogar alles abgeschüttelt hat, was
uoch an Otto van Been erinnern könnte. Aber wenn nicht der Maler, so wird
doch der fein gebildete Hofmann, der in der classischen Literatur gut belesen
war und sich gerne mit allegorischen Spitzfindigkeiten befaßte, auf Rubens nach¬
haltig eingewirkt haben, wenn auch dieser Einfluß erst in spätern Jahren, als
der aufschäumende Jugeudmost der sinnigen Beschaulichkeit des reiferen Mannes¬
alters Platz gemacht hatte, zur Geltung kam. Otto Vaenius, wie er nach der
Sitte einer Zeit, die im römischen Alterthum das höchste Ziel ihres Strebens
sah, mit Vorliebe genannt wurde, gehört als Maler noch völlig der letzten Hälfte
des sechzehnten Jahrhunderts an, also einer Periode der flämischen Malerei,
die wenig erfreuliche Früchte gezeitigt hat. Die italienischen Meister von Giulio



*) Im Besitze des 1880 in Kassel gestorbenen Malers Joh. Wilh, Stahl befand sich
eme dein Rubens zugeschriebene Skizze „Der Ausbruch des Vesuv." Ich habe sie nicht gc-
sclM, weiß also auch nicht, ob sie Rubens' Namen mit Recht triigt.
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[0217] Rubens in Italien. noch von ihm lernten, wie es David Teniers und Brouwer und die Rijckaerts für ihre Bauern gethan haben. Man setzt die berühmten Landschaften, welche das Louvre und das Wiener Belvedere besitzen, gewöhnlich und wohl auch mit Recht in die letzten Lebensjahre des Meisters, in die Zeit von 1630—1640. Daß er sich aber schon frühzeitig, unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Italien, landschaftlichen Studien gewidmet hat, beweist eine Zeichnung des Berliner Kupferstichcabinets aus dem Jahre 1610, eine Winterlandschaft mit drei stroh¬ gedeckten Hütten und kahlen Weiden im Vordergrunde, welche außer der Jahres¬ zahl die Inschrift: as Kosvö KM rvAs ofte, der Hof beim rauhen Felde, und den Namen des Meisters trägt. Wir haben also ein Studium nach der Natur vor uns, dessen Motiv der Meister aus der Nachbarschaft Antwerpens geschöpft haben wird. Ein Seitenstück zu dieser Zeichnung besitzt das Dresdener Kupfer- stichcabinet: ein Bauerngehöft mit einem Ziehbrunnen und einem Misthaufen in der Mitte, auf welchem sich ein paar Schweine vergnügen. Das Laub der Bäume, welche vor und hinter den Häusern sichtbar sind, deutet auf den Früh¬ ling. Wie das Berliner Blatt, ist auch das Dresdener mit der Feder gezeichnet, nur etwas eingehender im Detail, leicht lavirt und die Luft blau angelegt. Während seines Aufenthalts in Italien scheint Rubens solche landschaft¬ lichen Studien nicht gemacht zu haben. Wenigstens ist uns keine Spur davon erhalten.*) Es wäre auch ganz charakteristisch für den Nordländer, daß die Liebe zur Natur erst wieder in ihm erwachte, als er in der Heimat feste Wurzeln gefaßt hatte. Wir müssen uns also darauf beschränken, in Adam van Noort und Otto van Van» Rubens' Lehrer zu sehen. Von dem ersteren kennen wir zu wenig, um uns ein Urtheil über den Einfluß zu bilden, den er etwa auf die Entwick¬ lung seines großen Schülers geübt hat. Dieser Einfluß wird kaum nennens- werth gewesen sein, da Rubens in Italien sogar alles abgeschüttelt hat, was uoch an Otto van Been erinnern könnte. Aber wenn nicht der Maler, so wird doch der fein gebildete Hofmann, der in der classischen Literatur gut belesen war und sich gerne mit allegorischen Spitzfindigkeiten befaßte, auf Rubens nach¬ haltig eingewirkt haben, wenn auch dieser Einfluß erst in spätern Jahren, als der aufschäumende Jugeudmost der sinnigen Beschaulichkeit des reiferen Mannes¬ alters Platz gemacht hatte, zur Geltung kam. Otto Vaenius, wie er nach der Sitte einer Zeit, die im römischen Alterthum das höchste Ziel ihres Strebens sah, mit Vorliebe genannt wurde, gehört als Maler noch völlig der letzten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts an, also einer Periode der flämischen Malerei, die wenig erfreuliche Früchte gezeitigt hat. Die italienischen Meister von Giulio *) Im Besitze des 1880 in Kassel gestorbenen Malers Joh. Wilh, Stahl befand sich eme dein Rubens zugeschriebene Skizze „Der Ausbruch des Vesuv." Ich habe sie nicht gc- sclM, weiß also auch nicht, ob sie Rubens' Namen mit Recht triigt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/217>, abgerufen am 04.06.2024.