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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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politische Rückblicke und Ausblicke.

seitig weitere Zugeständnisse zu machen. Diese Besprechungen haben stattgefunden,
zuletzt hatte der Beauftragte Preußens auch eine längere Audienz beim Papste selbst.
Es ist anzunehmen, daß das aus diesen Erörterungen gewonnene Material die
Grundlage weiterer Entschließungen der preußischen Regierung bilden wird, welche
die Besetzung der noch leerstehenden Bischofsstühle und die dem Gesetzentwurfe vom
19. Mai 1380 (aus dem das Gesetz vom 14. Juli hervorging) analogen Vorlagen
betreffen, die das Ministerium behufs Regelung der katholischen Seelsorge dem
Landtage bei seinem nächsten Zusammentritte machen wird.

Es ist also zu constatiren, daß die Mission des Herrn v. Schlözer nach Rom
zu eingehenden Besprechungen, aber noch zu keinerlei Abkommen geführt hat und,
wie hinzugefügt werden kann, auch nicht zu solchen zu führen bestimmt war.
Schlözer ist einfach mit Material für Erwägungen und Entschlüsse wieder heim¬
gereist und hat sich dann bis auf weiteres nach Washington zurückbegeben. Die
römischen Verhandlungen, welche nur etwa vier Wochen in Anspruch nahmen, waren
lediglich vorbereitender Natur, sie hatten einzig den Zweck, zu sondiren und sich
und den Auftraggeber in Berlin zu informiren. Man darf vermuthen, daß die
päpstliche Regierung sich dabei über die Beschaffenheit des inoäus vivsmti ausge¬
sprochen hat, deu sie bei der jetzigen Lage der Dinge anzunehmen geneigt ist.
Seitens des preußischen Vertrauensmannes wird es nicht an Bemerkungen über
die Punkte gefehlt haben, auf welche die Anliegen der Curie sich nicht richten
dürfen, weil der Staat unter keiner Form und unter keinerlei Umständen auf sie
eingehen kann.

In der ultramontanen wie in der liberalen Presse ist die Frage laut geworden,
weshalb der gedeihliche Anfang nicht zu einem raschen Abschlüsse der Sache benutzt
worden sei. Diese Frage aufwerfen heißt die Lage mißverstehen. Es handelt sich
überhaupt uicht um einen Abschluß, nicht um einen Frieden, sondern einzig und
allein um Ueberleitung in einen Zustand friedlichen Zusammenlebens, der nicht ver¬
tragsmäßig, sondern dnrch eine sich mehr und mehr befestigende versöhnliche Praxis
geschaffen und geregelt werden soll. Zu dieser Praxis wird die Negierung Voll¬
machten bedürfen, wie sie der Gesetzentwurf wegen der discretionären Gewalt bei
der Handhabung der Maigesetze verlangte. Aber eine derartige Vorlage wird wohl
nicht eher erfolgen, als bis die versöhnliche Stimmung im Batican sich in weiteren
praktischen Kundgebungen bewährt haben wird. Die "Epoche Korum," wie ein
Oppositionsblatt das neueste Stadium des Culturkampfes in gewissem Sinne nicht
unpassend bezeichnet hat, "wird nicht das schwächliche Hinabgleiten des Staates in
römische Untertänigkeit, sondern den Verzicht des römischen Stuhles auf einen
principiellen mit der Armee des Centrums erfochtenen Sieg bedeuten. Die ma¬
terielle Nachgiebigkeit des Staates wird nicht weiter gehen, als daß gewisse Streit¬
mittel uuter Festhaltung des Zweckes, für dessen Erreichung sie zubereitet waren,
zeitweilig außer Gebrauch gesetzt werden, gerade wie es der Curie unbenommen
bleibt, den Vollgehalt ihrer Ansprüche geltend zu macheu, sobald sie ein solches
Verfahren für nützlich und aussichtsvoll hält."




politische Rückblicke und Ausblicke.

seitig weitere Zugeständnisse zu machen. Diese Besprechungen haben stattgefunden,
zuletzt hatte der Beauftragte Preußens auch eine längere Audienz beim Papste selbst.
Es ist anzunehmen, daß das aus diesen Erörterungen gewonnene Material die
Grundlage weiterer Entschließungen der preußischen Regierung bilden wird, welche
die Besetzung der noch leerstehenden Bischofsstühle und die dem Gesetzentwurfe vom
19. Mai 1380 (aus dem das Gesetz vom 14. Juli hervorging) analogen Vorlagen
betreffen, die das Ministerium behufs Regelung der katholischen Seelsorge dem
Landtage bei seinem nächsten Zusammentritte machen wird.

Es ist also zu constatiren, daß die Mission des Herrn v. Schlözer nach Rom
zu eingehenden Besprechungen, aber noch zu keinerlei Abkommen geführt hat und,
wie hinzugefügt werden kann, auch nicht zu solchen zu führen bestimmt war.
Schlözer ist einfach mit Material für Erwägungen und Entschlüsse wieder heim¬
gereist und hat sich dann bis auf weiteres nach Washington zurückbegeben. Die
römischen Verhandlungen, welche nur etwa vier Wochen in Anspruch nahmen, waren
lediglich vorbereitender Natur, sie hatten einzig den Zweck, zu sondiren und sich
und den Auftraggeber in Berlin zu informiren. Man darf vermuthen, daß die
päpstliche Regierung sich dabei über die Beschaffenheit des inoäus vivsmti ausge¬
sprochen hat, deu sie bei der jetzigen Lage der Dinge anzunehmen geneigt ist.
Seitens des preußischen Vertrauensmannes wird es nicht an Bemerkungen über
die Punkte gefehlt haben, auf welche die Anliegen der Curie sich nicht richten
dürfen, weil der Staat unter keiner Form und unter keinerlei Umständen auf sie
eingehen kann.

In der ultramontanen wie in der liberalen Presse ist die Frage laut geworden,
weshalb der gedeihliche Anfang nicht zu einem raschen Abschlüsse der Sache benutzt
worden sei. Diese Frage aufwerfen heißt die Lage mißverstehen. Es handelt sich
überhaupt uicht um einen Abschluß, nicht um einen Frieden, sondern einzig und
allein um Ueberleitung in einen Zustand friedlichen Zusammenlebens, der nicht ver¬
tragsmäßig, sondern dnrch eine sich mehr und mehr befestigende versöhnliche Praxis
geschaffen und geregelt werden soll. Zu dieser Praxis wird die Negierung Voll¬
machten bedürfen, wie sie der Gesetzentwurf wegen der discretionären Gewalt bei
der Handhabung der Maigesetze verlangte. Aber eine derartige Vorlage wird wohl
nicht eher erfolgen, als bis die versöhnliche Stimmung im Batican sich in weiteren
praktischen Kundgebungen bewährt haben wird. Die „Epoche Korum," wie ein
Oppositionsblatt das neueste Stadium des Culturkampfes in gewissem Sinne nicht
unpassend bezeichnet hat, „wird nicht das schwächliche Hinabgleiten des Staates in
römische Untertänigkeit, sondern den Verzicht des römischen Stuhles auf einen
principiellen mit der Armee des Centrums erfochtenen Sieg bedeuten. Die ma¬
terielle Nachgiebigkeit des Staates wird nicht weiter gehen, als daß gewisse Streit¬
mittel uuter Festhaltung des Zweckes, für dessen Erreichung sie zubereitet waren,
zeitweilig außer Gebrauch gesetzt werden, gerade wie es der Curie unbenommen
bleibt, den Vollgehalt ihrer Ansprüche geltend zu macheu, sobald sie ein solches
Verfahren für nützlich und aussichtsvoll hält."




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/236>, abgerufen am 14.05.2024.