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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Deutsche Palästinafahrten.

ist. Wir erfahre" daher aus ihnen in der angenehmsten Weise, welchen Weg
man einzuschlagen hatte, welche Wirthshäuser am meisten zu empfehlen waren,
was für Kleider und Geld, was für Lebensmittel und Wirthschaftsgeräthe
auf dem Schiffe nothwendig waren, mit wem man bezüglich der Ueberfahrt
zu unterhandeln hatte und welche Cvntraetpunkte für unerläßlich gehalten
wurden.

Am ausführlichsten verbreitet sich über diese Dinge eine Reiscinstruetion,
welche im Jahre 1483 Bernhard v. Breitenbach, der schon im heiligen Lande
gewesen war, an den Grafen von Hanau-Lichtenberg sandte, der sich zu dieser
schwierigen Reise rüstete. Er schreibt da u. a.: "Euer Gnaden sollen sich nicht
mit.Kleidern überladen; lasset Euch machen ein ledernes Wams mit Barchent
gefüttert, mit einem Brusttuch, das ein junges Wolfsfcll zum Futter habe; das
ist sehr gesund, besser als mit wollenen Tuchfutter, denn das ist heiß und alles
voll Schweiß und do/88or porus. Auch laßt Euch einen Leibrock mit kurzen
Aermeln machen, der vorn zweifach übereinander geht, oben mit einem Koller,
daß Euch der Hals nicht bloß sei, denn die Heiden mögen es nicht leiden, daß
einer vor ihnen mit bloßem Halse erscheine. Das Wams und das Leibröcklein
sollen von gutem Bockleder sein; da kann kein Wind durchgehen, und man kann
den Leibrock auch zu Zeiten waschen. Er soll aber nicht gefüttert sein, sondern
ganz so, als wenn Euer Gnaden auf die Jagd gehen wollten. Nehmt keinen
langen, doppelten Mantel mit Euch, denn es würde Euch gereuen; wollt Ihr
einen nehmen, so laßt ihn nicht gefüttert sein."

Nachdem man sich mit etwas Vaargeld und einigen Wechseln versehen hatte,
begab man sich auf die Reise. Dem Grafen Hanau, der sie vom Rheine her be¬
gann, wird gerathen, wenn er nach Speier komme, ja beim Wendet in der Kannen
zu wohnen, da es eine gute Herberge sei. Von da fuhr man nach Hausen über,
nahm sich ein Geleit bis nach Bruchsal (20 Pfennige für Pferd und Mann).
Von hier ging es nach Breiten, wo man im Löwen prächtig übernachten konnte.
Ueber Cannstatt, Eßlingen führte ein Weg -- mit mancherlei guten Herbergen --
nach Ulm. Das dort genommene Geleit brachte sicher über Memmingen nach
Kempten, wo man im Bären oder jenseits der Brücken in der Krone rastete.
Dann suchte man übers Gebirge ins Jnnthal zu gelangen. Ans Innsbruck
führte der Weg durch Matrei, Steinach, Sterzing und Mühlbach nach Brnnneck.
Hier mußte man sich die Pferde beschlagen lassen, clann nun uralt, Keinem
suiM mdersr. Durch das Ampezzothal ging man alsdann nach Treviso. In
dieser Stadt, welche die Deutschen jener Zeit Tervis nennen, gab es gar mancherlei
Geschäfte. Man verkaufte vor allem seinen Pferde, da man von ihnen gar
bald nur hohe Kosten und keinen Nutzen gehabt haben würde. Ferner that
man gut, sich schou hier bei den zahlreichen Agenten deutscher Gastwirthe Ve¬
nedigs Quartier für diese Stadt zu bestelle", oder mau sandte schnell einen
Boten nach der Lagunenstadt, der dies besorgte. An besten war damals das


Ärenzboten VI. 1881. 31
Deutsche Palästinafahrten.

ist. Wir erfahre» daher aus ihnen in der angenehmsten Weise, welchen Weg
man einzuschlagen hatte, welche Wirthshäuser am meisten zu empfehlen waren,
was für Kleider und Geld, was für Lebensmittel und Wirthschaftsgeräthe
auf dem Schiffe nothwendig waren, mit wem man bezüglich der Ueberfahrt
zu unterhandeln hatte und welche Cvntraetpunkte für unerläßlich gehalten
wurden.

Am ausführlichsten verbreitet sich über diese Dinge eine Reiscinstruetion,
welche im Jahre 1483 Bernhard v. Breitenbach, der schon im heiligen Lande
gewesen war, an den Grafen von Hanau-Lichtenberg sandte, der sich zu dieser
schwierigen Reise rüstete. Er schreibt da u. a.: „Euer Gnaden sollen sich nicht
mit.Kleidern überladen; lasset Euch machen ein ledernes Wams mit Barchent
gefüttert, mit einem Brusttuch, das ein junges Wolfsfcll zum Futter habe; das
ist sehr gesund, besser als mit wollenen Tuchfutter, denn das ist heiß und alles
voll Schweiß und do/88or porus. Auch laßt Euch einen Leibrock mit kurzen
Aermeln machen, der vorn zweifach übereinander geht, oben mit einem Koller,
daß Euch der Hals nicht bloß sei, denn die Heiden mögen es nicht leiden, daß
einer vor ihnen mit bloßem Halse erscheine. Das Wams und das Leibröcklein
sollen von gutem Bockleder sein; da kann kein Wind durchgehen, und man kann
den Leibrock auch zu Zeiten waschen. Er soll aber nicht gefüttert sein, sondern
ganz so, als wenn Euer Gnaden auf die Jagd gehen wollten. Nehmt keinen
langen, doppelten Mantel mit Euch, denn es würde Euch gereuen; wollt Ihr
einen nehmen, so laßt ihn nicht gefüttert sein."

Nachdem man sich mit etwas Vaargeld und einigen Wechseln versehen hatte,
begab man sich auf die Reise. Dem Grafen Hanau, der sie vom Rheine her be¬
gann, wird gerathen, wenn er nach Speier komme, ja beim Wendet in der Kannen
zu wohnen, da es eine gute Herberge sei. Von da fuhr man nach Hausen über,
nahm sich ein Geleit bis nach Bruchsal (20 Pfennige für Pferd und Mann).
Von hier ging es nach Breiten, wo man im Löwen prächtig übernachten konnte.
Ueber Cannstatt, Eßlingen führte ein Weg — mit mancherlei guten Herbergen —
nach Ulm. Das dort genommene Geleit brachte sicher über Memmingen nach
Kempten, wo man im Bären oder jenseits der Brücken in der Krone rastete.
Dann suchte man übers Gebirge ins Jnnthal zu gelangen. Ans Innsbruck
führte der Weg durch Matrei, Steinach, Sterzing und Mühlbach nach Brnnneck.
Hier mußte man sich die Pferde beschlagen lassen, clann nun uralt, Keinem
suiM mdersr. Durch das Ampezzothal ging man alsdann nach Treviso. In
dieser Stadt, welche die Deutschen jener Zeit Tervis nennen, gab es gar mancherlei
Geschäfte. Man verkaufte vor allem seinen Pferde, da man von ihnen gar
bald nur hohe Kosten und keinen Nutzen gehabt haben würde. Ferner that
man gut, sich schou hier bei den zahlreichen Agenten deutscher Gastwirthe Ve¬
nedigs Quartier für diese Stadt zu bestelle», oder mau sandte schnell einen
Boten nach der Lagunenstadt, der dies besorgte. An besten war damals das


Ärenzboten VI. 1881. 31
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[0243] Deutsche Palästinafahrten. ist. Wir erfahre» daher aus ihnen in der angenehmsten Weise, welchen Weg man einzuschlagen hatte, welche Wirthshäuser am meisten zu empfehlen waren, was für Kleider und Geld, was für Lebensmittel und Wirthschaftsgeräthe auf dem Schiffe nothwendig waren, mit wem man bezüglich der Ueberfahrt zu unterhandeln hatte und welche Cvntraetpunkte für unerläßlich gehalten wurden. Am ausführlichsten verbreitet sich über diese Dinge eine Reiscinstruetion, welche im Jahre 1483 Bernhard v. Breitenbach, der schon im heiligen Lande gewesen war, an den Grafen von Hanau-Lichtenberg sandte, der sich zu dieser schwierigen Reise rüstete. Er schreibt da u. a.: „Euer Gnaden sollen sich nicht mit.Kleidern überladen; lasset Euch machen ein ledernes Wams mit Barchent gefüttert, mit einem Brusttuch, das ein junges Wolfsfcll zum Futter habe; das ist sehr gesund, besser als mit wollenen Tuchfutter, denn das ist heiß und alles voll Schweiß und do/88or porus. Auch laßt Euch einen Leibrock mit kurzen Aermeln machen, der vorn zweifach übereinander geht, oben mit einem Koller, daß Euch der Hals nicht bloß sei, denn die Heiden mögen es nicht leiden, daß einer vor ihnen mit bloßem Halse erscheine. Das Wams und das Leibröcklein sollen von gutem Bockleder sein; da kann kein Wind durchgehen, und man kann den Leibrock auch zu Zeiten waschen. Er soll aber nicht gefüttert sein, sondern ganz so, als wenn Euer Gnaden auf die Jagd gehen wollten. Nehmt keinen langen, doppelten Mantel mit Euch, denn es würde Euch gereuen; wollt Ihr einen nehmen, so laßt ihn nicht gefüttert sein." Nachdem man sich mit etwas Vaargeld und einigen Wechseln versehen hatte, begab man sich auf die Reise. Dem Grafen Hanau, der sie vom Rheine her be¬ gann, wird gerathen, wenn er nach Speier komme, ja beim Wendet in der Kannen zu wohnen, da es eine gute Herberge sei. Von da fuhr man nach Hausen über, nahm sich ein Geleit bis nach Bruchsal (20 Pfennige für Pferd und Mann). Von hier ging es nach Breiten, wo man im Löwen prächtig übernachten konnte. Ueber Cannstatt, Eßlingen führte ein Weg — mit mancherlei guten Herbergen — nach Ulm. Das dort genommene Geleit brachte sicher über Memmingen nach Kempten, wo man im Bären oder jenseits der Brücken in der Krone rastete. Dann suchte man übers Gebirge ins Jnnthal zu gelangen. Ans Innsbruck führte der Weg durch Matrei, Steinach, Sterzing und Mühlbach nach Brnnneck. Hier mußte man sich die Pferde beschlagen lassen, clann nun uralt, Keinem suiM mdersr. Durch das Ampezzothal ging man alsdann nach Treviso. In dieser Stadt, welche die Deutschen jener Zeit Tervis nennen, gab es gar mancherlei Geschäfte. Man verkaufte vor allem seinen Pferde, da man von ihnen gar bald nur hohe Kosten und keinen Nutzen gehabt haben würde. Ferner that man gut, sich schou hier bei den zahlreichen Agenten deutscher Gastwirthe Ve¬ nedigs Quartier für diese Stadt zu bestelle», oder mau sandte schnell einen Boten nach der Lagunenstadt, der dies besorgte. An besten war damals das Ärenzboten VI. 1881. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/243>, abgerufen am 15.05.2024.