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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Deutsche j)alästincifahrten.

Gasthaus zur Flöte, das Madonna Margarete unterhielt, in dem man jedoch
nur untertan, wenn man besonders gut von Deutschland aus empfohlen war.
Sehr beliebt war auch eines Frankfurters, Peter Jgeluheimers, "Kaufhaus."
Hier hatte man die Annehmlichkeit, nur deutsche Bedienung und deutsche Speisen
vorzufinden. Ja es heißt, sogar die Hunde des Wirths seien von deutscher
Race gewesen und hätten bei dem über die Schwelle des Hauses tretenden Rei¬
senden sehr bald herausgefchnüffelt, ob er ein Deutscher sei.

Die Hauptsorge für den Pilger in Venedig war der Vertrag mit einem
Schiffspntron wegen der nach Jaffa gehenden Seefahrt. Herr von Breitenbach
lobt einen Augusto Candarini, der alles Versprochene redlich gehalten habe, und
das sei hochzuschätzen, denn die meisten Patrone versprachen zwar sehr viel,
hielten aber um so weniger. Nachdem mit Candarini abgeschlossenen Vertrage
waren Breitenbach und fünf andern Pilgern zwei Klaftern hinter dem Mast-
bäume, dem "großen Loch" gegenüber, Plätze eingeräumt worden. Das war,
weil in der Mitte, für denjenigen sehr angenehm, dem das Fahren wehe that
und der die Fortuna (Seesturm) nicht wohl erleiden mochte. Die Verpflich¬
tungen gegen den Pilgersmann, die der Patron außerdem übernahm, waren sehr
zahlreich: er mußte ihn auf dem Schiffe vor Beleidigungen und Kränkungen schützen,
er sollte ihn ordentlich pflegen, d. h. ihm zweimal am Tage Essen und Trinken
geben; dabei sollte er auf eiuen guten Wein halten und jedem, vers ass vs-
Z'srcmäö i8t, Kollation g'Stör mit vroiät raa ins-I^g-Sir rmMvsrlielr.
Wollten die Pilger frisches Wasser oder irgend welchen Proviant holen, so mußte
der Patron seine Barte und feine Leute dazu geben. Bei Bezahlung einer hohen
Strafe mußte sich der Patron verpflichten, am bestimmten Tage abzufahren
und nur an vorher bestimmten Häfen eine fest ausgemachte Zeit zu halten. In
jedem angelaufenen Hafen hatten die Pilger das Recht, aus ihrer Mitte zwei
zu wählen, welche prüften, ob anch alle nöthigen Schutzmaßregeln gegen feind¬
liches Begegnen getroffen worden wären. Das allzulange Ankern, sowie das
Einladen von Kanfmanusschatz, der oft in so reicher Menge eingenommen wurde,
daß die Pilger in ihren Plätzen bedroht waren, war untersagt. Sehr wichtig
war es, daß der Patron den Führer nicht nur zur See, fondern auch zu Laude
abgeben mußte, d. h. er verpflichtete sich, die Pilger in Palästina gehörige Zeit
"wandeln" zu lassen, sie zu führen und vor Räubern zu schützen. Er mußte
alle Zolle, Schätzungen, Eselgelder und Kartagien (Trinkgelder) zahlen. Der
Preis, der bei Vreitenbnch für Ueberfahrt, Zehrung und Führung 42 Dueate"
betrug, wurde zur Hälfte in Venedig, zur Hälfte in Jaffa erlegt. Starb einer
der Pilger unterwegs, so mußte der Patron nicht nur alle von ihm hinter¬
lassenen Gegenstände unangetastet lassen, sondern war sogar verpflichtet, die
Hälfte des bereits gezählten Fahrgeldes den Nüchstberechtigteu zurückzuerstatten-
Die Leiche eines auf hoher See verstorbenen sollte solange mitgeführt werden,
bis eine Bestattung in christlicher Erde möglich war. Für alles das, was die


Deutsche j)alästincifahrten.

Gasthaus zur Flöte, das Madonna Margarete unterhielt, in dem man jedoch
nur untertan, wenn man besonders gut von Deutschland aus empfohlen war.
Sehr beliebt war auch eines Frankfurters, Peter Jgeluheimers, „Kaufhaus."
Hier hatte man die Annehmlichkeit, nur deutsche Bedienung und deutsche Speisen
vorzufinden. Ja es heißt, sogar die Hunde des Wirths seien von deutscher
Race gewesen und hätten bei dem über die Schwelle des Hauses tretenden Rei¬
senden sehr bald herausgefchnüffelt, ob er ein Deutscher sei.

Die Hauptsorge für den Pilger in Venedig war der Vertrag mit einem
Schiffspntron wegen der nach Jaffa gehenden Seefahrt. Herr von Breitenbach
lobt einen Augusto Candarini, der alles Versprochene redlich gehalten habe, und
das sei hochzuschätzen, denn die meisten Patrone versprachen zwar sehr viel,
hielten aber um so weniger. Nachdem mit Candarini abgeschlossenen Vertrage
waren Breitenbach und fünf andern Pilgern zwei Klaftern hinter dem Mast-
bäume, dem „großen Loch" gegenüber, Plätze eingeräumt worden. Das war,
weil in der Mitte, für denjenigen sehr angenehm, dem das Fahren wehe that
und der die Fortuna (Seesturm) nicht wohl erleiden mochte. Die Verpflich¬
tungen gegen den Pilgersmann, die der Patron außerdem übernahm, waren sehr
zahlreich: er mußte ihn auf dem Schiffe vor Beleidigungen und Kränkungen schützen,
er sollte ihn ordentlich pflegen, d. h. ihm zweimal am Tage Essen und Trinken
geben; dabei sollte er auf eiuen guten Wein halten und jedem, vers ass vs-
Z'srcmäö i8t, Kollation g'Stör mit vroiät raa ins-I^g-Sir rmMvsrlielr.
Wollten die Pilger frisches Wasser oder irgend welchen Proviant holen, so mußte
der Patron seine Barte und feine Leute dazu geben. Bei Bezahlung einer hohen
Strafe mußte sich der Patron verpflichten, am bestimmten Tage abzufahren
und nur an vorher bestimmten Häfen eine fest ausgemachte Zeit zu halten. In
jedem angelaufenen Hafen hatten die Pilger das Recht, aus ihrer Mitte zwei
zu wählen, welche prüften, ob anch alle nöthigen Schutzmaßregeln gegen feind¬
liches Begegnen getroffen worden wären. Das allzulange Ankern, sowie das
Einladen von Kanfmanusschatz, der oft in so reicher Menge eingenommen wurde,
daß die Pilger in ihren Plätzen bedroht waren, war untersagt. Sehr wichtig
war es, daß der Patron den Führer nicht nur zur See, fondern auch zu Laude
abgeben mußte, d. h. er verpflichtete sich, die Pilger in Palästina gehörige Zeit
„wandeln" zu lassen, sie zu führen und vor Räubern zu schützen. Er mußte
alle Zolle, Schätzungen, Eselgelder und Kartagien (Trinkgelder) zahlen. Der
Preis, der bei Vreitenbnch für Ueberfahrt, Zehrung und Führung 42 Dueate»
betrug, wurde zur Hälfte in Venedig, zur Hälfte in Jaffa erlegt. Starb einer
der Pilger unterwegs, so mußte der Patron nicht nur alle von ihm hinter¬
lassenen Gegenstände unangetastet lassen, sondern war sogar verpflichtet, die
Hälfte des bereits gezählten Fahrgeldes den Nüchstberechtigteu zurückzuerstatten-
Die Leiche eines auf hoher See verstorbenen sollte solange mitgeführt werden,
bis eine Bestattung in christlicher Erde möglich war. Für alles das, was die


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[0244] Deutsche j)alästincifahrten. Gasthaus zur Flöte, das Madonna Margarete unterhielt, in dem man jedoch nur untertan, wenn man besonders gut von Deutschland aus empfohlen war. Sehr beliebt war auch eines Frankfurters, Peter Jgeluheimers, „Kaufhaus." Hier hatte man die Annehmlichkeit, nur deutsche Bedienung und deutsche Speisen vorzufinden. Ja es heißt, sogar die Hunde des Wirths seien von deutscher Race gewesen und hätten bei dem über die Schwelle des Hauses tretenden Rei¬ senden sehr bald herausgefchnüffelt, ob er ein Deutscher sei. Die Hauptsorge für den Pilger in Venedig war der Vertrag mit einem Schiffspntron wegen der nach Jaffa gehenden Seefahrt. Herr von Breitenbach lobt einen Augusto Candarini, der alles Versprochene redlich gehalten habe, und das sei hochzuschätzen, denn die meisten Patrone versprachen zwar sehr viel, hielten aber um so weniger. Nachdem mit Candarini abgeschlossenen Vertrage waren Breitenbach und fünf andern Pilgern zwei Klaftern hinter dem Mast- bäume, dem „großen Loch" gegenüber, Plätze eingeräumt worden. Das war, weil in der Mitte, für denjenigen sehr angenehm, dem das Fahren wehe that und der die Fortuna (Seesturm) nicht wohl erleiden mochte. Die Verpflich¬ tungen gegen den Pilgersmann, die der Patron außerdem übernahm, waren sehr zahlreich: er mußte ihn auf dem Schiffe vor Beleidigungen und Kränkungen schützen, er sollte ihn ordentlich pflegen, d. h. ihm zweimal am Tage Essen und Trinken geben; dabei sollte er auf eiuen guten Wein halten und jedem, vers ass vs- Z'srcmäö i8t, Kollation g'Stör mit vroiät raa ins-I^g-Sir rmMvsrlielr. Wollten die Pilger frisches Wasser oder irgend welchen Proviant holen, so mußte der Patron seine Barte und feine Leute dazu geben. Bei Bezahlung einer hohen Strafe mußte sich der Patron verpflichten, am bestimmten Tage abzufahren und nur an vorher bestimmten Häfen eine fest ausgemachte Zeit zu halten. In jedem angelaufenen Hafen hatten die Pilger das Recht, aus ihrer Mitte zwei zu wählen, welche prüften, ob anch alle nöthigen Schutzmaßregeln gegen feind¬ liches Begegnen getroffen worden wären. Das allzulange Ankern, sowie das Einladen von Kanfmanusschatz, der oft in so reicher Menge eingenommen wurde, daß die Pilger in ihren Plätzen bedroht waren, war untersagt. Sehr wichtig war es, daß der Patron den Führer nicht nur zur See, fondern auch zu Laude abgeben mußte, d. h. er verpflichtete sich, die Pilger in Palästina gehörige Zeit „wandeln" zu lassen, sie zu führen und vor Räubern zu schützen. Er mußte alle Zolle, Schätzungen, Eselgelder und Kartagien (Trinkgelder) zahlen. Der Preis, der bei Vreitenbnch für Ueberfahrt, Zehrung und Führung 42 Dueate» betrug, wurde zur Hälfte in Venedig, zur Hälfte in Jaffa erlegt. Starb einer der Pilger unterwegs, so mußte der Patron nicht nur alle von ihm hinter¬ lassenen Gegenstände unangetastet lassen, sondern war sogar verpflichtet, die Hälfte des bereits gezählten Fahrgeldes den Nüchstberechtigteu zurückzuerstatten- Die Leiche eines auf hoher See verstorbenen sollte solange mitgeführt werden, bis eine Bestattung in christlicher Erde möglich war. Für alles das, was die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/244>, abgerufen am 31.05.2024.