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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Deutsche Palästinafahrten.

tobendes zu besänftigen. Man fiel auf die Kniee, sang und ^betete laut; ja der
Patron und das Schiffsvolk suchten wohl auch durch gräßliches Fluchen und
Wettern die Gefahr zu bannen. Bisweilen wurde der Versuch gemacht, das
Gewitter durch Kanonenschüsse zu zerstreuen. Half dieses nichts, so wurde an
Bord revidirt, ob etwa jemand verbotener Weise Reliquien (auf der Rückfahrt
Jordanwasscr) bei sich führe. Dann und wann wurde auch, gegen den Wort¬
laut des Contraetes, die in einem Kasten verwahrte Leiche eines während der
Fahrt gestorbenen Pilgers dem Meere übergeben. Da steckte man Zettel
und Geld in die Truhe und senkte sie zur größten Trauer der Mitbrüder ins
Meer, in der Hoffnung, daß Gott den arme" todten Pilgersmann nach einem
christlichen Lande gelangen lassen werde. Verschlugen alle solche Mittel nichts, so
drangen Patron und Galeoten wohl in die Pilger und baten sie, neue Wall¬
fahrten nach Loretto oder nach San Jago zu geloben. Da diese Gelübde ge¬
wöhnlich erst, dann abgelegt wurden, wenn das Unwetter den höchsten Gipfel
erreicht hatte, so war es meist der Fall, daß es dann gerade schwächer wurde;
daß auf solche Weise der Aberglaube lebhaft gefördert wurde, ist erklärlich.
Drohten die Wetter nur von fern, so begrüßte man als ein gutes Zeichen das
Se. Elmsfeuer, den lieben Herrn Se. Hellmuß, wie er gelegentlich genannt wird.

Angenehmere Unterbrechung als solche "Fortuna" bot den Reisenden das
Einlaufen in einen Hafen. Das meiste Interesse unter allen Plätzen erregten
Rhodus und Cyper". Während es in Rhodus die großartigen Bauten der
Johanniter waren, die Stoff zur Bewunderung gaben, reizten in Cypern die
herrliche Landschaft, die wundervollen Früchte, der gute Wein. Die Schilderungen
über Rhodus weilen mit Behagen bei der Ausmalung der Leiden, welche die
gefangenen Türken, die wie die Schweine in ihren Schlafränmen aufgeschichtet
wurden, zu erdulden hatten. Die starken Befestigungen der Stadt, die Ein¬
künfte und Ausgaben, sowie die gestimmten innern Einrichtungen des Ordens
werden genan beschrieben. Wir erhalten ferner hier die -- vielleicht älteste --
Erzählung über den Heldenkampf des Ritters Dieudonnv von Gozan mit dem
Drachen.

An dieser Stelle sei ein höchst interessanter Bericht herausgehoben, den uns
der schon früher genannte Dietrich von Schachten über die Einrichtung des
Hospitals zu Rhodus giebt. "Rhodus - schreibt er -- hat ein hübsches, löb¬
liches Spital, stattlich und köstlich erbauet, auch "voll gezieret, das alle Jahre
10 000 Dukaten Aufwand erfordert, der den armen Leuten zu gute kommt.
In demselben Spital ist die Ordnung, daß ein jeglicher kranke Mensch, er sei
arm oder reich, fremd oder einheimisch, der es begehrt, sein eignes Bett mit
köstlichem UmHang hat, wie ein Gezelt, mit seiner guten Decke und reinen
Leilciche". In demselbige" Spital sind vier Aerzte, die verpflichtet sind, allen,
die im Spital sind, aufzuwarten. Alle Tage müssen zwei von ihnen im ganzen
Spital umhergehe" und einen nach dem andern besehen. Wo es nothwendig


Deutsche Palästinafahrten.

tobendes zu besänftigen. Man fiel auf die Kniee, sang und ^betete laut; ja der
Patron und das Schiffsvolk suchten wohl auch durch gräßliches Fluchen und
Wettern die Gefahr zu bannen. Bisweilen wurde der Versuch gemacht, das
Gewitter durch Kanonenschüsse zu zerstreuen. Half dieses nichts, so wurde an
Bord revidirt, ob etwa jemand verbotener Weise Reliquien (auf der Rückfahrt
Jordanwasscr) bei sich führe. Dann und wann wurde auch, gegen den Wort¬
laut des Contraetes, die in einem Kasten verwahrte Leiche eines während der
Fahrt gestorbenen Pilgers dem Meere übergeben. Da steckte man Zettel
und Geld in die Truhe und senkte sie zur größten Trauer der Mitbrüder ins
Meer, in der Hoffnung, daß Gott den arme» todten Pilgersmann nach einem
christlichen Lande gelangen lassen werde. Verschlugen alle solche Mittel nichts, so
drangen Patron und Galeoten wohl in die Pilger und baten sie, neue Wall¬
fahrten nach Loretto oder nach San Jago zu geloben. Da diese Gelübde ge¬
wöhnlich erst, dann abgelegt wurden, wenn das Unwetter den höchsten Gipfel
erreicht hatte, so war es meist der Fall, daß es dann gerade schwächer wurde;
daß auf solche Weise der Aberglaube lebhaft gefördert wurde, ist erklärlich.
Drohten die Wetter nur von fern, so begrüßte man als ein gutes Zeichen das
Se. Elmsfeuer, den lieben Herrn Se. Hellmuß, wie er gelegentlich genannt wird.

Angenehmere Unterbrechung als solche „Fortuna" bot den Reisenden das
Einlaufen in einen Hafen. Das meiste Interesse unter allen Plätzen erregten
Rhodus und Cyper». Während es in Rhodus die großartigen Bauten der
Johanniter waren, die Stoff zur Bewunderung gaben, reizten in Cypern die
herrliche Landschaft, die wundervollen Früchte, der gute Wein. Die Schilderungen
über Rhodus weilen mit Behagen bei der Ausmalung der Leiden, welche die
gefangenen Türken, die wie die Schweine in ihren Schlafränmen aufgeschichtet
wurden, zu erdulden hatten. Die starken Befestigungen der Stadt, die Ein¬
künfte und Ausgaben, sowie die gestimmten innern Einrichtungen des Ordens
werden genan beschrieben. Wir erhalten ferner hier die — vielleicht älteste —
Erzählung über den Heldenkampf des Ritters Dieudonnv von Gozan mit dem
Drachen.

An dieser Stelle sei ein höchst interessanter Bericht herausgehoben, den uns
der schon früher genannte Dietrich von Schachten über die Einrichtung des
Hospitals zu Rhodus giebt. „Rhodus - schreibt er — hat ein hübsches, löb¬
liches Spital, stattlich und köstlich erbauet, auch »voll gezieret, das alle Jahre
10 000 Dukaten Aufwand erfordert, der den armen Leuten zu gute kommt.
In demselben Spital ist die Ordnung, daß ein jeglicher kranke Mensch, er sei
arm oder reich, fremd oder einheimisch, der es begehrt, sein eignes Bett mit
köstlichem UmHang hat, wie ein Gezelt, mit seiner guten Decke und reinen
Leilciche». In demselbige» Spital sind vier Aerzte, die verpflichtet sind, allen,
die im Spital sind, aufzuwarten. Alle Tage müssen zwei von ihnen im ganzen
Spital umhergehe» und einen nach dem andern besehen. Wo es nothwendig


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[0284] Deutsche Palästinafahrten. tobendes zu besänftigen. Man fiel auf die Kniee, sang und ^betete laut; ja der Patron und das Schiffsvolk suchten wohl auch durch gräßliches Fluchen und Wettern die Gefahr zu bannen. Bisweilen wurde der Versuch gemacht, das Gewitter durch Kanonenschüsse zu zerstreuen. Half dieses nichts, so wurde an Bord revidirt, ob etwa jemand verbotener Weise Reliquien (auf der Rückfahrt Jordanwasscr) bei sich führe. Dann und wann wurde auch, gegen den Wort¬ laut des Contraetes, die in einem Kasten verwahrte Leiche eines während der Fahrt gestorbenen Pilgers dem Meere übergeben. Da steckte man Zettel und Geld in die Truhe und senkte sie zur größten Trauer der Mitbrüder ins Meer, in der Hoffnung, daß Gott den arme» todten Pilgersmann nach einem christlichen Lande gelangen lassen werde. Verschlugen alle solche Mittel nichts, so drangen Patron und Galeoten wohl in die Pilger und baten sie, neue Wall¬ fahrten nach Loretto oder nach San Jago zu geloben. Da diese Gelübde ge¬ wöhnlich erst, dann abgelegt wurden, wenn das Unwetter den höchsten Gipfel erreicht hatte, so war es meist der Fall, daß es dann gerade schwächer wurde; daß auf solche Weise der Aberglaube lebhaft gefördert wurde, ist erklärlich. Drohten die Wetter nur von fern, so begrüßte man als ein gutes Zeichen das Se. Elmsfeuer, den lieben Herrn Se. Hellmuß, wie er gelegentlich genannt wird. Angenehmere Unterbrechung als solche „Fortuna" bot den Reisenden das Einlaufen in einen Hafen. Das meiste Interesse unter allen Plätzen erregten Rhodus und Cyper». Während es in Rhodus die großartigen Bauten der Johanniter waren, die Stoff zur Bewunderung gaben, reizten in Cypern die herrliche Landschaft, die wundervollen Früchte, der gute Wein. Die Schilderungen über Rhodus weilen mit Behagen bei der Ausmalung der Leiden, welche die gefangenen Türken, die wie die Schweine in ihren Schlafränmen aufgeschichtet wurden, zu erdulden hatten. Die starken Befestigungen der Stadt, die Ein¬ künfte und Ausgaben, sowie die gestimmten innern Einrichtungen des Ordens werden genan beschrieben. Wir erhalten ferner hier die — vielleicht älteste — Erzählung über den Heldenkampf des Ritters Dieudonnv von Gozan mit dem Drachen. An dieser Stelle sei ein höchst interessanter Bericht herausgehoben, den uns der schon früher genannte Dietrich von Schachten über die Einrichtung des Hospitals zu Rhodus giebt. „Rhodus - schreibt er — hat ein hübsches, löb¬ liches Spital, stattlich und köstlich erbauet, auch »voll gezieret, das alle Jahre 10 000 Dukaten Aufwand erfordert, der den armen Leuten zu gute kommt. In demselben Spital ist die Ordnung, daß ein jeglicher kranke Mensch, er sei arm oder reich, fremd oder einheimisch, der es begehrt, sein eignes Bett mit köstlichem UmHang hat, wie ein Gezelt, mit seiner guten Decke und reinen Leilciche». In demselbige» Spital sind vier Aerzte, die verpflichtet sind, allen, die im Spital sind, aufzuwarten. Alle Tage müssen zwei von ihnen im ganzen Spital umhergehe» und einen nach dem andern besehen. Wo es nothwendig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/284>, abgerufen am 29.05.2024.