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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Rubens in Italien.

daß das Bild zur großen Zufriedenheit der Väter und aller, die es gesehen
hätten, ausgefallen sei. Nachdem man aber das Bild an seinen Ort gebracht,
hätte es sich herausgestellt, daß es dort so dunkel sei, "daß man kaum die
Figuren erkennen, geschweige denn sich an dem ausgesucht schönen Colorit und
an der Feinheit der Köpfe und Gewänder erfreuen könne, die allesammt mit
großem Fleiß nach der Natur ausgeführt und nach jedermanns Urtheil bestens
gelungen seien." Er habe sich nun entschlossen, um den künstlerischen Erfolg
seiner Arbeit nicht zu verlieren, dieses Bild, für welches ihm von den Kirchen-
Patronen 800 Scudi zugesichert seien, anderweitig zu verkaufen, wo es besser
zur Geltung käme, und für die Kirche ein zweites Exemplar auf Stein zu malen,
welcher die Farben stumpf und dunkel macht, so daß sie nicht mehr durch das
reflectirte Licht leiden. Er bat nun Chieppio, sich beim Herzog dahin zu ver¬
wenden, daß dieser das Bild für seine Galerie kaufe.

Der Herzog lehnte jedoch dieses Anerbieten ab, da die Hochzeit seines
Sohnes bevorstand und er aus diesem Anlaß seine Ausgaben beschränken mußte.
Rubens ließ sich durch diese Ablehnung nicht verstimmen, da er, wie man in
einem Briefe vom 29. Februar liest, die Frende hatte, daß sein Bild, nachdem
es an einem günstigeren Orte aufgestellt worden, "viele Tage unter dem großen
Beifall von ganz Rom gesehen wurde." Rubens fand auch später keine Ge¬
legenheit, es zu verkaufen, und nahm es in seine Heimat mit, wo er es nach¬
mals in der Se. Michaels-Abtei aufstellen ließ, in welcher seine Mutter beigesetzt
worden war. Als die Abtei am Ende des 13. Jahrhunderts abgerissen wurde,
entführten es die Franzosen, und als Napoleon die Provinzialmuseen gründete,
kam es nach Grenoble, wo es sich noch heute befindet.

Ueber einem Thorbogen, dnrch welchen man in das Freie blickt, sieht man
in goldfarbigen Rahmen das Bild einer Madonna mit dem die Hand zum
Segen ausstreckenden Christusknaben. Sechs Engelknaben, prächtige Buben, wie
sie nur ein Rubens malen kann, haben eine große Guirlande um das Bild
geschlungen und freuen sich ihres Werkes. Im Museum von Grenoble befindet
sich auch eine Zeichnung, welche den ersten Entwurf zu der obern Hälfte der
Composition bildet. Hier hatte sich Rubens das Madonnenbild gleichsam in
der Luft schwebend gedacht und von einer ganzen Schaar von Engeln getragen,
welche die heilige Mutter und ihren Sohn wie eine Gloriole umgeben. Aber
durch diese Ueberfüllung der obern Hälfte wären die Figuren der untern erdrückt
worden, und so entschloß sich Rubens zu eiuer Vereinfachung. Fast in der Mitte
uuter dem Thorbogen steht der Hi. Gregor, eine ehrwürdige, erhabene Gestalt,
die mit dem Ausdruck freudiger Verzückung zu der auf ihn herabschwebendcn
Taube des heiligen Geistes emporblickt. Von den Gefühlen tiefster Andacht ergriffen
beugt er leicht das Knie. Er ist mit einer weißen, von Blumen durchwirkten
Casula bekleidet, welche von einer breiten, mit Gold auf Purpur gestickten Borte
eingefaßt ist. Hinter ihm steht der Hi. Papias, soweit er zu sehen ist, ganz


Rubens in Italien.

daß das Bild zur großen Zufriedenheit der Väter und aller, die es gesehen
hätten, ausgefallen sei. Nachdem man aber das Bild an seinen Ort gebracht,
hätte es sich herausgestellt, daß es dort so dunkel sei, „daß man kaum die
Figuren erkennen, geschweige denn sich an dem ausgesucht schönen Colorit und
an der Feinheit der Köpfe und Gewänder erfreuen könne, die allesammt mit
großem Fleiß nach der Natur ausgeführt und nach jedermanns Urtheil bestens
gelungen seien." Er habe sich nun entschlossen, um den künstlerischen Erfolg
seiner Arbeit nicht zu verlieren, dieses Bild, für welches ihm von den Kirchen-
Patronen 800 Scudi zugesichert seien, anderweitig zu verkaufen, wo es besser
zur Geltung käme, und für die Kirche ein zweites Exemplar auf Stein zu malen,
welcher die Farben stumpf und dunkel macht, so daß sie nicht mehr durch das
reflectirte Licht leiden. Er bat nun Chieppio, sich beim Herzog dahin zu ver¬
wenden, daß dieser das Bild für seine Galerie kaufe.

Der Herzog lehnte jedoch dieses Anerbieten ab, da die Hochzeit seines
Sohnes bevorstand und er aus diesem Anlaß seine Ausgaben beschränken mußte.
Rubens ließ sich durch diese Ablehnung nicht verstimmen, da er, wie man in
einem Briefe vom 29. Februar liest, die Frende hatte, daß sein Bild, nachdem
es an einem günstigeren Orte aufgestellt worden, „viele Tage unter dem großen
Beifall von ganz Rom gesehen wurde." Rubens fand auch später keine Ge¬
legenheit, es zu verkaufen, und nahm es in seine Heimat mit, wo er es nach¬
mals in der Se. Michaels-Abtei aufstellen ließ, in welcher seine Mutter beigesetzt
worden war. Als die Abtei am Ende des 13. Jahrhunderts abgerissen wurde,
entführten es die Franzosen, und als Napoleon die Provinzialmuseen gründete,
kam es nach Grenoble, wo es sich noch heute befindet.

Ueber einem Thorbogen, dnrch welchen man in das Freie blickt, sieht man
in goldfarbigen Rahmen das Bild einer Madonna mit dem die Hand zum
Segen ausstreckenden Christusknaben. Sechs Engelknaben, prächtige Buben, wie
sie nur ein Rubens malen kann, haben eine große Guirlande um das Bild
geschlungen und freuen sich ihres Werkes. Im Museum von Grenoble befindet
sich auch eine Zeichnung, welche den ersten Entwurf zu der obern Hälfte der
Composition bildet. Hier hatte sich Rubens das Madonnenbild gleichsam in
der Luft schwebend gedacht und von einer ganzen Schaar von Engeln getragen,
welche die heilige Mutter und ihren Sohn wie eine Gloriole umgeben. Aber
durch diese Ueberfüllung der obern Hälfte wären die Figuren der untern erdrückt
worden, und so entschloß sich Rubens zu eiuer Vereinfachung. Fast in der Mitte
uuter dem Thorbogen steht der Hi. Gregor, eine ehrwürdige, erhabene Gestalt,
die mit dem Ausdruck freudiger Verzückung zu der auf ihn herabschwebendcn
Taube des heiligen Geistes emporblickt. Von den Gefühlen tiefster Andacht ergriffen
beugt er leicht das Knie. Er ist mit einer weißen, von Blumen durchwirkten
Casula bekleidet, welche von einer breiten, mit Gold auf Purpur gestickten Borte
eingefaßt ist. Hinter ihm steht der Hi. Papias, soweit er zu sehen ist, ganz


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[0335] Rubens in Italien. daß das Bild zur großen Zufriedenheit der Väter und aller, die es gesehen hätten, ausgefallen sei. Nachdem man aber das Bild an seinen Ort gebracht, hätte es sich herausgestellt, daß es dort so dunkel sei, „daß man kaum die Figuren erkennen, geschweige denn sich an dem ausgesucht schönen Colorit und an der Feinheit der Köpfe und Gewänder erfreuen könne, die allesammt mit großem Fleiß nach der Natur ausgeführt und nach jedermanns Urtheil bestens gelungen seien." Er habe sich nun entschlossen, um den künstlerischen Erfolg seiner Arbeit nicht zu verlieren, dieses Bild, für welches ihm von den Kirchen- Patronen 800 Scudi zugesichert seien, anderweitig zu verkaufen, wo es besser zur Geltung käme, und für die Kirche ein zweites Exemplar auf Stein zu malen, welcher die Farben stumpf und dunkel macht, so daß sie nicht mehr durch das reflectirte Licht leiden. Er bat nun Chieppio, sich beim Herzog dahin zu ver¬ wenden, daß dieser das Bild für seine Galerie kaufe. Der Herzog lehnte jedoch dieses Anerbieten ab, da die Hochzeit seines Sohnes bevorstand und er aus diesem Anlaß seine Ausgaben beschränken mußte. Rubens ließ sich durch diese Ablehnung nicht verstimmen, da er, wie man in einem Briefe vom 29. Februar liest, die Frende hatte, daß sein Bild, nachdem es an einem günstigeren Orte aufgestellt worden, „viele Tage unter dem großen Beifall von ganz Rom gesehen wurde." Rubens fand auch später keine Ge¬ legenheit, es zu verkaufen, und nahm es in seine Heimat mit, wo er es nach¬ mals in der Se. Michaels-Abtei aufstellen ließ, in welcher seine Mutter beigesetzt worden war. Als die Abtei am Ende des 13. Jahrhunderts abgerissen wurde, entführten es die Franzosen, und als Napoleon die Provinzialmuseen gründete, kam es nach Grenoble, wo es sich noch heute befindet. Ueber einem Thorbogen, dnrch welchen man in das Freie blickt, sieht man in goldfarbigen Rahmen das Bild einer Madonna mit dem die Hand zum Segen ausstreckenden Christusknaben. Sechs Engelknaben, prächtige Buben, wie sie nur ein Rubens malen kann, haben eine große Guirlande um das Bild geschlungen und freuen sich ihres Werkes. Im Museum von Grenoble befindet sich auch eine Zeichnung, welche den ersten Entwurf zu der obern Hälfte der Composition bildet. Hier hatte sich Rubens das Madonnenbild gleichsam in der Luft schwebend gedacht und von einer ganzen Schaar von Engeln getragen, welche die heilige Mutter und ihren Sohn wie eine Gloriole umgeben. Aber durch diese Ueberfüllung der obern Hälfte wären die Figuren der untern erdrückt worden, und so entschloß sich Rubens zu eiuer Vereinfachung. Fast in der Mitte uuter dem Thorbogen steht der Hi. Gregor, eine ehrwürdige, erhabene Gestalt, die mit dem Ausdruck freudiger Verzückung zu der auf ihn herabschwebendcn Taube des heiligen Geistes emporblickt. Von den Gefühlen tiefster Andacht ergriffen beugt er leicht das Knie. Er ist mit einer weißen, von Blumen durchwirkten Casula bekleidet, welche von einer breiten, mit Gold auf Purpur gestickten Borte eingefaßt ist. Hinter ihm steht der Hi. Papias, soweit er zu sehen ist, ganz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/335>, abgerufen am 09.06.2024.