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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Rubens in Italien.

unbekleidet, und mehr im Vordergründe der Hi. Maurus in kriegerischer Rüstung.
Ihm entspricht auf der andern Seite die Hi. Domitilln, ein herrliches Frauen¬
bild, welches an die edelsten Schöpfungen Palmas und Paul Veroncses erinnert.
Hinter ihr stehen die Märtyrer Nereus und Achilleus.

In der' Charakteristik der edlen Köpse kreuzen sich venetianische Einflüsse
mit denen des Correggio, welcher in der Bildung des Christnsknaben und des
Hi. Maurus am fühlbarsten ist. Der kräftige Ton mit seinem warmen Lichte
und seinen schweren Schatten zeigt dagegen mehr die Einwirkung römischer
Muster. Das Ganze aber enthält schon in voller Kraft jenen kühnen, mäch¬
tigen Geist, welcher den Jldefonso-Altar und die Krcuzaufrichtung in der Kathe¬
drale zu Antwerpen schuf.

Was Rubens den Mönchen von Sa. Maria in Vallicello hinterließ, ent¬
sprach dagegen nicht der Höhe der Meisterschaft, die er schon damals erklommen
hatte. Zunächst änderte er die Komposition und machte aus einem Bilde ihrer
drei. Er griff auf die oben erwähnte Zeichnung zurück und reservirte das
Mittelstück allein für das Madonnenbild, welches von einem wirklichen, auf den
Stein befestigten Goldrahmen umschlossen ist, der von einer großen Schciar
von Engeln auf allen Seiten gehalten wird. Die sechs Heiligen sind in ähnlicher
Anordnung zu dreien auf die Seitenbilder vertheilt. Dadurch ist die Einheit der
Komposition zerrissen und der Eindruck ein wenig erfreulicher geworden. Auch
die bräunliche Farbe trügt nicht dazu bei, die Physiognomie der Bilder angenehmer
zu gestalten. Es scheint, daß Rubens die Arbeit mit großer Hast zu Ende geführt
hat, wobei vielleicht auch der Umstand mitgewirkt haben mag, daß die Mönche
mit der Bezahlung nicht sehr prompt waren. Er erhielt vor der Hand nur eine
Abschlagszahlung und den Nest erst im Jahre 1612.

Sein Aufenthalt in Rom nahm durch einen traurigen Zwischenfall ein
jähes Ende. Er erhielt die Nachricht, daß seine Mutter an Asthma und Gicht
schwer erkrankt und ihre Auflösung baldigst zu erwarten sei. Ohne Zaudern
ordnete er seine Angelegenheiten und schrieb, am 28. October, einen Brief an
Chieppio, in welchem er ihm die Nothwendigkeit seiner schleunigen Abreise aus¬
einandersetzte. Er habe nicht einmal die Zeit, sich bei dem herzoglichen Paare
zu beurlauben, werde aber bei seiner Rückkehr von Flandern direct nach Mantua
kommen. "Im Begriff, zu Pferde zu steigen. --" So schließt der Brief.

Er hatte nicht mehr die Genugthuung, seine Mutter am Leben zu finden,
sie war schon am 19. October, also noch vor seiner Abreise gestorben. Anfangs
trug er sich daher mit dem Gedanken, wieder nach Italien zurückzukehren. Aber
erst fesselten ihn der Erzherzog Albert und die Erzherzogin Jsabella durch hohe
Gnadenbeweise, dann ein stärkeres Band, seine am 13. October 1609 erfolgte
Vermählung mit Jsabella Brandt.

Seine Lehrzeit war vorüber. Ein zweiter Antäus entfaltete er seine ganze
gewaltige Kraft, als sein Fuß den heimatlichen Boden berührt hatte.


Rubens in Italien.

unbekleidet, und mehr im Vordergründe der Hi. Maurus in kriegerischer Rüstung.
Ihm entspricht auf der andern Seite die Hi. Domitilln, ein herrliches Frauen¬
bild, welches an die edelsten Schöpfungen Palmas und Paul Veroncses erinnert.
Hinter ihr stehen die Märtyrer Nereus und Achilleus.

In der' Charakteristik der edlen Köpse kreuzen sich venetianische Einflüsse
mit denen des Correggio, welcher in der Bildung des Christnsknaben und des
Hi. Maurus am fühlbarsten ist. Der kräftige Ton mit seinem warmen Lichte
und seinen schweren Schatten zeigt dagegen mehr die Einwirkung römischer
Muster. Das Ganze aber enthält schon in voller Kraft jenen kühnen, mäch¬
tigen Geist, welcher den Jldefonso-Altar und die Krcuzaufrichtung in der Kathe¬
drale zu Antwerpen schuf.

Was Rubens den Mönchen von Sa. Maria in Vallicello hinterließ, ent¬
sprach dagegen nicht der Höhe der Meisterschaft, die er schon damals erklommen
hatte. Zunächst änderte er die Komposition und machte aus einem Bilde ihrer
drei. Er griff auf die oben erwähnte Zeichnung zurück und reservirte das
Mittelstück allein für das Madonnenbild, welches von einem wirklichen, auf den
Stein befestigten Goldrahmen umschlossen ist, der von einer großen Schciar
von Engeln auf allen Seiten gehalten wird. Die sechs Heiligen sind in ähnlicher
Anordnung zu dreien auf die Seitenbilder vertheilt. Dadurch ist die Einheit der
Komposition zerrissen und der Eindruck ein wenig erfreulicher geworden. Auch
die bräunliche Farbe trügt nicht dazu bei, die Physiognomie der Bilder angenehmer
zu gestalten. Es scheint, daß Rubens die Arbeit mit großer Hast zu Ende geführt
hat, wobei vielleicht auch der Umstand mitgewirkt haben mag, daß die Mönche
mit der Bezahlung nicht sehr prompt waren. Er erhielt vor der Hand nur eine
Abschlagszahlung und den Nest erst im Jahre 1612.

Sein Aufenthalt in Rom nahm durch einen traurigen Zwischenfall ein
jähes Ende. Er erhielt die Nachricht, daß seine Mutter an Asthma und Gicht
schwer erkrankt und ihre Auflösung baldigst zu erwarten sei. Ohne Zaudern
ordnete er seine Angelegenheiten und schrieb, am 28. October, einen Brief an
Chieppio, in welchem er ihm die Nothwendigkeit seiner schleunigen Abreise aus¬
einandersetzte. Er habe nicht einmal die Zeit, sich bei dem herzoglichen Paare
zu beurlauben, werde aber bei seiner Rückkehr von Flandern direct nach Mantua
kommen. „Im Begriff, zu Pferde zu steigen. —" So schließt der Brief.

Er hatte nicht mehr die Genugthuung, seine Mutter am Leben zu finden,
sie war schon am 19. October, also noch vor seiner Abreise gestorben. Anfangs
trug er sich daher mit dem Gedanken, wieder nach Italien zurückzukehren. Aber
erst fesselten ihn der Erzherzog Albert und die Erzherzogin Jsabella durch hohe
Gnadenbeweise, dann ein stärkeres Band, seine am 13. October 1609 erfolgte
Vermählung mit Jsabella Brandt.

Seine Lehrzeit war vorüber. Ein zweiter Antäus entfaltete er seine ganze
gewaltige Kraft, als sein Fuß den heimatlichen Boden berührt hatte.


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[0336] Rubens in Italien. unbekleidet, und mehr im Vordergründe der Hi. Maurus in kriegerischer Rüstung. Ihm entspricht auf der andern Seite die Hi. Domitilln, ein herrliches Frauen¬ bild, welches an die edelsten Schöpfungen Palmas und Paul Veroncses erinnert. Hinter ihr stehen die Märtyrer Nereus und Achilleus. In der' Charakteristik der edlen Köpse kreuzen sich venetianische Einflüsse mit denen des Correggio, welcher in der Bildung des Christnsknaben und des Hi. Maurus am fühlbarsten ist. Der kräftige Ton mit seinem warmen Lichte und seinen schweren Schatten zeigt dagegen mehr die Einwirkung römischer Muster. Das Ganze aber enthält schon in voller Kraft jenen kühnen, mäch¬ tigen Geist, welcher den Jldefonso-Altar und die Krcuzaufrichtung in der Kathe¬ drale zu Antwerpen schuf. Was Rubens den Mönchen von Sa. Maria in Vallicello hinterließ, ent¬ sprach dagegen nicht der Höhe der Meisterschaft, die er schon damals erklommen hatte. Zunächst änderte er die Komposition und machte aus einem Bilde ihrer drei. Er griff auf die oben erwähnte Zeichnung zurück und reservirte das Mittelstück allein für das Madonnenbild, welches von einem wirklichen, auf den Stein befestigten Goldrahmen umschlossen ist, der von einer großen Schciar von Engeln auf allen Seiten gehalten wird. Die sechs Heiligen sind in ähnlicher Anordnung zu dreien auf die Seitenbilder vertheilt. Dadurch ist die Einheit der Komposition zerrissen und der Eindruck ein wenig erfreulicher geworden. Auch die bräunliche Farbe trügt nicht dazu bei, die Physiognomie der Bilder angenehmer zu gestalten. Es scheint, daß Rubens die Arbeit mit großer Hast zu Ende geführt hat, wobei vielleicht auch der Umstand mitgewirkt haben mag, daß die Mönche mit der Bezahlung nicht sehr prompt waren. Er erhielt vor der Hand nur eine Abschlagszahlung und den Nest erst im Jahre 1612. Sein Aufenthalt in Rom nahm durch einen traurigen Zwischenfall ein jähes Ende. Er erhielt die Nachricht, daß seine Mutter an Asthma und Gicht schwer erkrankt und ihre Auflösung baldigst zu erwarten sei. Ohne Zaudern ordnete er seine Angelegenheiten und schrieb, am 28. October, einen Brief an Chieppio, in welchem er ihm die Nothwendigkeit seiner schleunigen Abreise aus¬ einandersetzte. Er habe nicht einmal die Zeit, sich bei dem herzoglichen Paare zu beurlauben, werde aber bei seiner Rückkehr von Flandern direct nach Mantua kommen. „Im Begriff, zu Pferde zu steigen. —" So schließt der Brief. Er hatte nicht mehr die Genugthuung, seine Mutter am Leben zu finden, sie war schon am 19. October, also noch vor seiner Abreise gestorben. Anfangs trug er sich daher mit dem Gedanken, wieder nach Italien zurückzukehren. Aber erst fesselten ihn der Erzherzog Albert und die Erzherzogin Jsabella durch hohe Gnadenbeweise, dann ein stärkeres Band, seine am 13. October 1609 erfolgte Vermählung mit Jsabella Brandt. Seine Lehrzeit war vorüber. Ein zweiter Antäus entfaltete er seine ganze gewaltige Kraft, als sein Fuß den heimatlichen Boden berührt hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/336>, abgerufen am 15.05.2024.