Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Frauen der italienischen Renaissance.

ist um so bedauerlicher, als das wenige, das festgestellt oder wahrscheinlich ge¬
macht werden konnte, auf einen hochinteressanter Frauencharakter deutet, dessen
genauere Kenntniß von nicht geringem Werthe sein müßte. Die folgenden An¬
gaben gründen sich, soweit sie das Biographische betreffe", auf die verdienstvollen
Untersuchungen, welche Michelangelo Gnalandi in einer Reihe von Artikeln ver¬
öffentlicht hat,*) und welche die spärlichen Notizen, die Vasari (sa. I^monnisr,
vol. IX, x. 3 ff.) über die Künstlerin giebt, in mehreren Punkten berichtigen
und ergänzen.

Um das Jahr 1490 zu Bologna geboren, soll Prvperzia de' Rossi schon
frühzeitig eine ungewöhnliche Geschicklichkeit verrathen haben, indem sie ans
Pfirsichkernen minutiöse Figuren schnitzte, n. a. die Passion Christi und die
heilige Jungfran mit den Aposteln. Späterhin wandte sie sich der Bildhauerei
zu und zeichnete sich nicht mir im ornamentalen Fache aus, wie die prächtige
Einfassung der Altarnische in der Kirche Madonna del Bnraeeanv zeigt, sondern
noch mehr in figürlichen Darstellungen. Für den Grafen Alessandro Pepvli
verfertigte sie eine lebensgroße Marmorbüste seines Vaters Guido, für eine
Capelle von San Petronio zwei anbetende Engel. Auch für die Fac/ide dieser
Kirche ward sie beschäftigt, als um 1525 der Florentiner Bildhauer Niccolü
de' Pericoli, bekannter unter dem Spottnamen Tribolo, mit der plastischen Aus¬
schmückung der drei Portale betraut ward. In der Bauhätte der Kirche be¬
finden sich mehrere kleine Reliefdarstellungen, von denen eine, die Versuchung
Josephs, bezeugtermaßcn, eine andre, welche das Erscheinen der Königin von
Saba vor Salomon zum Gegenstande hat, dem Stile nach vielleicht ebenfalls
von ihrer Hand herrührt. Was die erstgenannte Scene anlangt,**) die von einer
Künstlerin behandelt zu sehen in unsrer Zeit gewiß Befremden erregen würde,
so ist dieselbe durchaus frei von jener grobsinnlichen Auffassung, die für spätere
Darstellungen dieses sujets charakteristisch ist. Rechts unter einem Baldachin
sitzt das Weib des Potiphar auf ihrem Lager, nur halb bekleidet den Reiz
ihres Körpers zur Schan stellend; mit der Rechten hält sie Joseph an seinem
Gewände, der nach links zu entweichen strebt. Die Composition ist von wahr¬
haft classischer Einfachheit und den strengern Gesetzen des Reliefstils in einer
Weise entsprechend, wie wenige gleichzeitige Erzeugnisse dieser Kunstgattung; in
der Bildung der beiden Figuren offenbart sich ein Schönheitssinn und eine
technische Meisterschaft, die hohe Bewunderung abnöthigen. Wenn die Tradition,
die Vasari mittheilt, auf Wahrheit beruht, so stünde dieses Werk in innigem
Zusammenhange mit den Lebensschicksalen seiner Urheberin. Properzin soll das¬
selbe geschaffen haben unter dem Eindruck einer unglücklichen Liebe, die auch




5) 1/ Ossorvktorio, anno 13S1, Re>. 33--36.
^) Eine allerdings nicht sonderlich slilgetreue Abbildung giebt Virgiliv Davia in seinem
Kupfmverke: I." "vnwirn "i"No xnrts <1un-" Knüilio-" "1i 8. ?owmio in KolnM-r, Tus. 31.
Die Frauen der italienischen Renaissance.

ist um so bedauerlicher, als das wenige, das festgestellt oder wahrscheinlich ge¬
macht werden konnte, auf einen hochinteressanter Frauencharakter deutet, dessen
genauere Kenntniß von nicht geringem Werthe sein müßte. Die folgenden An¬
gaben gründen sich, soweit sie das Biographische betreffe», auf die verdienstvollen
Untersuchungen, welche Michelangelo Gnalandi in einer Reihe von Artikeln ver¬
öffentlicht hat,*) und welche die spärlichen Notizen, die Vasari (sa. I^monnisr,
vol. IX, x. 3 ff.) über die Künstlerin giebt, in mehreren Punkten berichtigen
und ergänzen.

Um das Jahr 1490 zu Bologna geboren, soll Prvperzia de' Rossi schon
frühzeitig eine ungewöhnliche Geschicklichkeit verrathen haben, indem sie ans
Pfirsichkernen minutiöse Figuren schnitzte, n. a. die Passion Christi und die
heilige Jungfran mit den Aposteln. Späterhin wandte sie sich der Bildhauerei
zu und zeichnete sich nicht mir im ornamentalen Fache aus, wie die prächtige
Einfassung der Altarnische in der Kirche Madonna del Bnraeeanv zeigt, sondern
noch mehr in figürlichen Darstellungen. Für den Grafen Alessandro Pepvli
verfertigte sie eine lebensgroße Marmorbüste seines Vaters Guido, für eine
Capelle von San Petronio zwei anbetende Engel. Auch für die Fac/ide dieser
Kirche ward sie beschäftigt, als um 1525 der Florentiner Bildhauer Niccolü
de' Pericoli, bekannter unter dem Spottnamen Tribolo, mit der plastischen Aus¬
schmückung der drei Portale betraut ward. In der Bauhätte der Kirche be¬
finden sich mehrere kleine Reliefdarstellungen, von denen eine, die Versuchung
Josephs, bezeugtermaßcn, eine andre, welche das Erscheinen der Königin von
Saba vor Salomon zum Gegenstande hat, dem Stile nach vielleicht ebenfalls
von ihrer Hand herrührt. Was die erstgenannte Scene anlangt,**) die von einer
Künstlerin behandelt zu sehen in unsrer Zeit gewiß Befremden erregen würde,
so ist dieselbe durchaus frei von jener grobsinnlichen Auffassung, die für spätere
Darstellungen dieses sujets charakteristisch ist. Rechts unter einem Baldachin
sitzt das Weib des Potiphar auf ihrem Lager, nur halb bekleidet den Reiz
ihres Körpers zur Schan stellend; mit der Rechten hält sie Joseph an seinem
Gewände, der nach links zu entweichen strebt. Die Composition ist von wahr¬
haft classischer Einfachheit und den strengern Gesetzen des Reliefstils in einer
Weise entsprechend, wie wenige gleichzeitige Erzeugnisse dieser Kunstgattung; in
der Bildung der beiden Figuren offenbart sich ein Schönheitssinn und eine
technische Meisterschaft, die hohe Bewunderung abnöthigen. Wenn die Tradition,
die Vasari mittheilt, auf Wahrheit beruht, so stünde dieses Werk in innigem
Zusammenhange mit den Lebensschicksalen seiner Urheberin. Properzin soll das¬
selbe geschaffen haben unter dem Eindruck einer unglücklichen Liebe, die auch




5) 1/ Ossorvktorio, anno 13S1, Re>. 33—36.
^) Eine allerdings nicht sonderlich slilgetreue Abbildung giebt Virgiliv Davia in seinem
Kupfmverke: I.« »vnwirn «i»No xnrts <1un-» Knüilio-» «1i 8. ?owmio in KolnM-r, Tus. 31.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151140"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Frauen der italienischen Renaissance.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1390" prev="#ID_1389"> ist um so bedauerlicher, als das wenige, das festgestellt oder wahrscheinlich ge¬<lb/>
macht werden konnte, auf einen hochinteressanter Frauencharakter deutet, dessen<lb/>
genauere Kenntniß von nicht geringem Werthe sein müßte. Die folgenden An¬<lb/>
gaben gründen sich, soweit sie das Biographische betreffe», auf die verdienstvollen<lb/>
Untersuchungen, welche Michelangelo Gnalandi in einer Reihe von Artikeln ver¬<lb/>
öffentlicht hat,*) und welche die spärlichen Notizen, die Vasari (sa. I^monnisr,<lb/>
vol. IX, x. 3 ff.) über die Künstlerin giebt, in mehreren Punkten berichtigen<lb/>
und ergänzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1391" next="#ID_1392"> Um das Jahr 1490 zu Bologna geboren, soll Prvperzia de' Rossi schon<lb/>
frühzeitig eine ungewöhnliche Geschicklichkeit verrathen haben, indem sie ans<lb/>
Pfirsichkernen minutiöse Figuren schnitzte, n. a. die Passion Christi und die<lb/>
heilige Jungfran mit den Aposteln. Späterhin wandte sie sich der Bildhauerei<lb/>
zu und zeichnete sich nicht mir im ornamentalen Fache aus, wie die prächtige<lb/>
Einfassung der Altarnische in der Kirche Madonna del Bnraeeanv zeigt, sondern<lb/>
noch mehr in figürlichen Darstellungen. Für den Grafen Alessandro Pepvli<lb/>
verfertigte sie eine lebensgroße Marmorbüste seines Vaters Guido, für eine<lb/>
Capelle von San Petronio zwei anbetende Engel. Auch für die Fac/ide dieser<lb/>
Kirche ward sie beschäftigt, als um 1525 der Florentiner Bildhauer Niccolü<lb/>
de' Pericoli, bekannter unter dem Spottnamen Tribolo, mit der plastischen Aus¬<lb/>
schmückung der drei Portale betraut ward. In der Bauhätte der Kirche be¬<lb/>
finden sich mehrere kleine Reliefdarstellungen, von denen eine, die Versuchung<lb/>
Josephs, bezeugtermaßcn, eine andre, welche das Erscheinen der Königin von<lb/>
Saba vor Salomon zum Gegenstande hat, dem Stile nach vielleicht ebenfalls<lb/>
von ihrer Hand herrührt. Was die erstgenannte Scene anlangt,**) die von einer<lb/>
Künstlerin behandelt zu sehen in unsrer Zeit gewiß Befremden erregen würde,<lb/>
so ist dieselbe durchaus frei von jener grobsinnlichen Auffassung, die für spätere<lb/>
Darstellungen dieses sujets charakteristisch ist. Rechts unter einem Baldachin<lb/>
sitzt das Weib des Potiphar auf ihrem Lager, nur halb bekleidet den Reiz<lb/>
ihres Körpers zur Schan stellend; mit der Rechten hält sie Joseph an seinem<lb/>
Gewände, der nach links zu entweichen strebt. Die Composition ist von wahr¬<lb/>
haft classischer Einfachheit und den strengern Gesetzen des Reliefstils in einer<lb/>
Weise entsprechend, wie wenige gleichzeitige Erzeugnisse dieser Kunstgattung; in<lb/>
der Bildung der beiden Figuren offenbart sich ein Schönheitssinn und eine<lb/>
technische Meisterschaft, die hohe Bewunderung abnöthigen. Wenn die Tradition,<lb/>
die Vasari mittheilt, auf Wahrheit beruht, so stünde dieses Werk in innigem<lb/>
Zusammenhange mit den Lebensschicksalen seiner Urheberin. Properzin soll das¬<lb/>
selbe geschaffen haben unter dem Eindruck einer unglücklichen Liebe, die auch</p><lb/>
          <note xml:id="FID_67" place="foot"> 5) 1/ Ossorvktorio, anno 13S1, Re&gt;. 33&#x2014;36.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_68" place="foot"> ^) Eine allerdings nicht sonderlich slilgetreue Abbildung giebt Virgiliv Davia in seinem<lb/>
Kupfmverke: I.« »vnwirn «i»No xnrts &lt;1un-» Knüilio-» «1i 8. ?owmio in KolnM-r, Tus. 31.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0418] Die Frauen der italienischen Renaissance. ist um so bedauerlicher, als das wenige, das festgestellt oder wahrscheinlich ge¬ macht werden konnte, auf einen hochinteressanter Frauencharakter deutet, dessen genauere Kenntniß von nicht geringem Werthe sein müßte. Die folgenden An¬ gaben gründen sich, soweit sie das Biographische betreffe», auf die verdienstvollen Untersuchungen, welche Michelangelo Gnalandi in einer Reihe von Artikeln ver¬ öffentlicht hat,*) und welche die spärlichen Notizen, die Vasari (sa. I^monnisr, vol. IX, x. 3 ff.) über die Künstlerin giebt, in mehreren Punkten berichtigen und ergänzen. Um das Jahr 1490 zu Bologna geboren, soll Prvperzia de' Rossi schon frühzeitig eine ungewöhnliche Geschicklichkeit verrathen haben, indem sie ans Pfirsichkernen minutiöse Figuren schnitzte, n. a. die Passion Christi und die heilige Jungfran mit den Aposteln. Späterhin wandte sie sich der Bildhauerei zu und zeichnete sich nicht mir im ornamentalen Fache aus, wie die prächtige Einfassung der Altarnische in der Kirche Madonna del Bnraeeanv zeigt, sondern noch mehr in figürlichen Darstellungen. Für den Grafen Alessandro Pepvli verfertigte sie eine lebensgroße Marmorbüste seines Vaters Guido, für eine Capelle von San Petronio zwei anbetende Engel. Auch für die Fac/ide dieser Kirche ward sie beschäftigt, als um 1525 der Florentiner Bildhauer Niccolü de' Pericoli, bekannter unter dem Spottnamen Tribolo, mit der plastischen Aus¬ schmückung der drei Portale betraut ward. In der Bauhätte der Kirche be¬ finden sich mehrere kleine Reliefdarstellungen, von denen eine, die Versuchung Josephs, bezeugtermaßcn, eine andre, welche das Erscheinen der Königin von Saba vor Salomon zum Gegenstande hat, dem Stile nach vielleicht ebenfalls von ihrer Hand herrührt. Was die erstgenannte Scene anlangt,**) die von einer Künstlerin behandelt zu sehen in unsrer Zeit gewiß Befremden erregen würde, so ist dieselbe durchaus frei von jener grobsinnlichen Auffassung, die für spätere Darstellungen dieses sujets charakteristisch ist. Rechts unter einem Baldachin sitzt das Weib des Potiphar auf ihrem Lager, nur halb bekleidet den Reiz ihres Körpers zur Schan stellend; mit der Rechten hält sie Joseph an seinem Gewände, der nach links zu entweichen strebt. Die Composition ist von wahr¬ haft classischer Einfachheit und den strengern Gesetzen des Reliefstils in einer Weise entsprechend, wie wenige gleichzeitige Erzeugnisse dieser Kunstgattung; in der Bildung der beiden Figuren offenbart sich ein Schönheitssinn und eine technische Meisterschaft, die hohe Bewunderung abnöthigen. Wenn die Tradition, die Vasari mittheilt, auf Wahrheit beruht, so stünde dieses Werk in innigem Zusammenhange mit den Lebensschicksalen seiner Urheberin. Properzin soll das¬ selbe geschaffen haben unter dem Eindruck einer unglücklichen Liebe, die auch 5) 1/ Ossorvktorio, anno 13S1, Re>. 33—36. ^) Eine allerdings nicht sonderlich slilgetreue Abbildung giebt Virgiliv Davia in seinem Kupfmverke: I.« »vnwirn «i»No xnrts <1un-» Knüilio-» «1i 8. ?owmio in KolnM-r, Tus. 31.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/418
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/418>, abgerufen am 29.05.2024.