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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Lin halbasiatischer Ronuui.

"Ein Kampf ums Recht" ist durchaus ernst gemeint, und kaum der humoristische
Roman ertrüge Einfalle und Wendungen, wie sie von feiten des Autors (nicht
etwa im Munde von Gestalten, für welche sie charakteristisch sein könnten und
sollten) zum besten gegeben werden. "Wenn der Pope ein eifriger Mann ist,
so läßt er sich selteu die Gelegenheit entgehen, eine überaus saftige Strafpredigt
vom Stapel zu lassen" (I, S, 304) -- "Nur daß er dann in einem Athemzuge
flucht: Diese verdammten Weißröcke und Hajdamaken, Es ist schwer zu sagen,
wen der Geier zuerst holen soll" (I, S 308) -- "Erstens stammte er aus einem
uralten Geschlechte, zweitens saß er bereits so völlig auf dem Trockenen, daß
er das Anerbieten Bogdans mit Freuden annahm, und drittens war er ein
gutmüthiger Bursche, der seine Frau in keiner Weise genirte" (II, S, 11) -- "Als
diese ihm vertrauensvoll klagten, daß ihr Pope, der hochwürdige Miron Aga-
nowicz, doch eigentlich ein ganz vcrknciptcr Lump sei" (II, S. 120) -- solche Stellen
mögen als Proben dieser Art von Wendungen dienen, welche zahlreich vor¬
handen und lediglich auf eine Gewohnheit des Sichgehcnlassens zurückzuführen
sind. Sie siud nicht löblich im Feuilleton, sie sind vollkommen ungehörig in
einem Roman, welcher auf tiefere Wirkung rechnet, als sie der auf die Zcr-
ftrenungsbedürfnisse eines Kaffeehauspublicums berechneten Feuilletouskizze je zu
Theil werden kann.

Wir würden dies nicht betonen, wenn wir nicht Franzos als einen Schrift¬
steller ansähen, dessen Talent und Bestreben ihn über die "pikanten" und
"schneidigen" Schriftsteller des Tages hinaushebt. Bei diesen ist die saloppen
die Amme aller "Gedanken," bei dein Verfasser von "Ein Kampf ums Recht"
scheint sie nur eine naseweise Base, die ihr Wort und ihren Ton zur Unzeit
drcingiebt. Wir glauben jeden Vorzug des Frcmzosschen Buches empfunden und
nach Gebühr hervorgehoben zu haben, die Reclame hat Anhalt genug, um in
hohem und rein panegyrischen Tone von demselben zusprechen, da sie ja doch
von der Annahme ausgeht, daß alle Literatur nur von hente auf morgen lebe.
Unter dem Gesichtspunkte jedoch, daß jede größere und ernstere Schöpfung mit
andern Maßstäben gemessen sein will, können wir den "Kampf ums Recht"
zwar als ein interessantes und ohne Frage von Talent zeugendes, aber keines¬
wegs als ein vollendetes, in seinen Voraussetzungen und seiner Durchführung
gleichmäßig werthvolles Buch betrachten.




Lin halbasiatischer Ronuui.

„Ein Kampf ums Recht" ist durchaus ernst gemeint, und kaum der humoristische
Roman ertrüge Einfalle und Wendungen, wie sie von feiten des Autors (nicht
etwa im Munde von Gestalten, für welche sie charakteristisch sein könnten und
sollten) zum besten gegeben werden. „Wenn der Pope ein eifriger Mann ist,
so läßt er sich selteu die Gelegenheit entgehen, eine überaus saftige Strafpredigt
vom Stapel zu lassen" (I, S, 304) — „Nur daß er dann in einem Athemzuge
flucht: Diese verdammten Weißröcke und Hajdamaken, Es ist schwer zu sagen,
wen der Geier zuerst holen soll" (I, S 308) — „Erstens stammte er aus einem
uralten Geschlechte, zweitens saß er bereits so völlig auf dem Trockenen, daß
er das Anerbieten Bogdans mit Freuden annahm, und drittens war er ein
gutmüthiger Bursche, der seine Frau in keiner Weise genirte" (II, S, 11) — „Als
diese ihm vertrauensvoll klagten, daß ihr Pope, der hochwürdige Miron Aga-
nowicz, doch eigentlich ein ganz vcrknciptcr Lump sei" (II, S. 120) — solche Stellen
mögen als Proben dieser Art von Wendungen dienen, welche zahlreich vor¬
handen und lediglich auf eine Gewohnheit des Sichgehcnlassens zurückzuführen
sind. Sie siud nicht löblich im Feuilleton, sie sind vollkommen ungehörig in
einem Roman, welcher auf tiefere Wirkung rechnet, als sie der auf die Zcr-
ftrenungsbedürfnisse eines Kaffeehauspublicums berechneten Feuilletouskizze je zu
Theil werden kann.

Wir würden dies nicht betonen, wenn wir nicht Franzos als einen Schrift¬
steller ansähen, dessen Talent und Bestreben ihn über die „pikanten" und
„schneidigen" Schriftsteller des Tages hinaushebt. Bei diesen ist die saloppen
die Amme aller „Gedanken," bei dein Verfasser von „Ein Kampf ums Recht"
scheint sie nur eine naseweise Base, die ihr Wort und ihren Ton zur Unzeit
drcingiebt. Wir glauben jeden Vorzug des Frcmzosschen Buches empfunden und
nach Gebühr hervorgehoben zu haben, die Reclame hat Anhalt genug, um in
hohem und rein panegyrischen Tone von demselben zusprechen, da sie ja doch
von der Annahme ausgeht, daß alle Literatur nur von hente auf morgen lebe.
Unter dem Gesichtspunkte jedoch, daß jede größere und ernstere Schöpfung mit
andern Maßstäben gemessen sein will, können wir den „Kampf ums Recht"
zwar als ein interessantes und ohne Frage von Talent zeugendes, aber keines¬
wegs als ein vollendetes, in seinen Voraussetzungen und seiner Durchführung
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/428>, abgerufen am 16.05.2024.