Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Petroleumqnellen in Deutschland,

Wie jenes von Lizumer, Endlich mögen noch die Bohrversuche erwähnt werden,
die in neuester Zeit bei Neustadt a. N. gemacht worden sind.

Nördlich in der Richtung Verden-Brnnuschweig tritt das Petroleum nur
an einzelnen Stellen und wenig zu Tage. Es findet sich bei Soltau mitten
in der Lüneburger Haide, bei Bicncnbüttel, in der Nähe von Lüneburg und in
Velpke am Drömling zwischen Oebisfelde und Versfelde. Bohrungen, welche
sichern Aufschluß geben könnten, sind bisher in diesen Gegenden nicht gemacht
worden. Doch werde" sie gewiß uicht lauge auf sich warten lassen, falls die
Unternehmungen in den südlicheren Fundstätten von Erfolg gekrönt werden
sollten. Noch weiter nach der Küste zu ist bisher keine Spur von Erdöl ent¬
deckt. Geht man aber über die Elbe "ach Holstein, so gelangt man nahe an
der Westküste Holsteins in Ditmarschcn wieder zu einer reichen Oelgrubc.
Vor 2g bis 30 Jahren wurde bei dem Städtchen Heide aus einer mitten in
der Marsch gelegenen Gccstinsel zufällig beim Graben eines Brunnens eine schwarze
Erde gefunden, die sich bei der Untersuchung in starkem Maße als bergthecr-
haltig erwies. Die schwarze Erde wurde jahrelang bergmännisch gefördert und
aus ihr ein vorzügliches Petroleum gewonnen, das bereits auf der Londoner
Industrieausstellung von 1862 eine ehrenvolle Auszeichnung erhielt. Die Boh¬
rungen, welche jüngst vorgenommen worden sind, haben einen ölhaltigen Sand
und aus noch größern Tiefen Kreide mit 13 Procent Petroleum zu Tage ge¬
bracht. Die Verbreitung dieser Kreide ist durch Bohrungen auf einer Fläche
von ungefähr 80 Morgen in gleicher Stärke nachgewiesen, woraus mau die
Menge des in der Kreide vorhandene" Petroleums auf 30 Millionen Centner
berechnet hat. Die Gewinnung dieses Oeles beabsichtigt man, Zeitungsnach¬
richten zufolge, jetzt in großartigen: Maßstabe zu betreiben.

Die ersten Nachrichten über Petrvleumfundc in den bezeichneten Gegenden
sind sehr alt und reichen ins sechzehnte Jahrhundert zurück. Der als Be¬
gründer der Mineralogie bekannte Agricola erwähnt sie bereits in seinem Buche
über die Flüssigkeiten, welche ans der Erde quellen (ve nawra forum, egen<z e-llwunt
sx tsrra). Er spricht von schwarzem Erdöl, das in Sachsen bei Hänigsen und
Schöppeustedt aus der Erde fließe. Etwas über hundert Jahre später wird in
der "Hildesheimer Gesteinskunde" Lachmunds das "flüssige, schwarze Bitumen"
bei Oberg und Witze erwähnt. Von dieser Zeit an datirt auch bereits die Aus¬
beutung der dortigen Theergruben durch die Bauern, auf deren Besitzthum sie
sich befinden -- wenn sie nicht noch älter ist. Die Art, wie die Ausbeute ge¬
schieht, ist noch heute äußerst primitiv. Bei Witze läßt man das Wasser, das
aus der Tiefe dringt, in der Grube sich ansammeln, schöpft den auf dem Wasser
schwimmenden Theer ab und gräbt den auf dem Grunde befindlichen mit Theer
durchsetzten Sand aus. Diese Arbeit wird zweimal im Jahre vorgenommen und
ergiebt eine Ausbeute von 6000 Pfund Theer. Von den fünf vorhandenen
Gruben ist nur noch eine im Betrieb. Bei Hänigsen macht man die Arbeit


Petroleumqnellen in Deutschland,

Wie jenes von Lizumer, Endlich mögen noch die Bohrversuche erwähnt werden,
die in neuester Zeit bei Neustadt a. N. gemacht worden sind.

Nördlich in der Richtung Verden-Brnnuschweig tritt das Petroleum nur
an einzelnen Stellen und wenig zu Tage. Es findet sich bei Soltau mitten
in der Lüneburger Haide, bei Bicncnbüttel, in der Nähe von Lüneburg und in
Velpke am Drömling zwischen Oebisfelde und Versfelde. Bohrungen, welche
sichern Aufschluß geben könnten, sind bisher in diesen Gegenden nicht gemacht
worden. Doch werde» sie gewiß uicht lauge auf sich warten lassen, falls die
Unternehmungen in den südlicheren Fundstätten von Erfolg gekrönt werden
sollten. Noch weiter nach der Küste zu ist bisher keine Spur von Erdöl ent¬
deckt. Geht man aber über die Elbe »ach Holstein, so gelangt man nahe an
der Westküste Holsteins in Ditmarschcn wieder zu einer reichen Oelgrubc.
Vor 2g bis 30 Jahren wurde bei dem Städtchen Heide aus einer mitten in
der Marsch gelegenen Gccstinsel zufällig beim Graben eines Brunnens eine schwarze
Erde gefunden, die sich bei der Untersuchung in starkem Maße als bergthecr-
haltig erwies. Die schwarze Erde wurde jahrelang bergmännisch gefördert und
aus ihr ein vorzügliches Petroleum gewonnen, das bereits auf der Londoner
Industrieausstellung von 1862 eine ehrenvolle Auszeichnung erhielt. Die Boh¬
rungen, welche jüngst vorgenommen worden sind, haben einen ölhaltigen Sand
und aus noch größern Tiefen Kreide mit 13 Procent Petroleum zu Tage ge¬
bracht. Die Verbreitung dieser Kreide ist durch Bohrungen auf einer Fläche
von ungefähr 80 Morgen in gleicher Stärke nachgewiesen, woraus mau die
Menge des in der Kreide vorhandene» Petroleums auf 30 Millionen Centner
berechnet hat. Die Gewinnung dieses Oeles beabsichtigt man, Zeitungsnach¬
richten zufolge, jetzt in großartigen: Maßstabe zu betreiben.

Die ersten Nachrichten über Petrvleumfundc in den bezeichneten Gegenden
sind sehr alt und reichen ins sechzehnte Jahrhundert zurück. Der als Be¬
gründer der Mineralogie bekannte Agricola erwähnt sie bereits in seinem Buche
über die Flüssigkeiten, welche ans der Erde quellen (ve nawra forum, egen<z e-llwunt
sx tsrra). Er spricht von schwarzem Erdöl, das in Sachsen bei Hänigsen und
Schöppeustedt aus der Erde fließe. Etwas über hundert Jahre später wird in
der „Hildesheimer Gesteinskunde" Lachmunds das „flüssige, schwarze Bitumen"
bei Oberg und Witze erwähnt. Von dieser Zeit an datirt auch bereits die Aus¬
beutung der dortigen Theergruben durch die Bauern, auf deren Besitzthum sie
sich befinden — wenn sie nicht noch älter ist. Die Art, wie die Ausbeute ge¬
schieht, ist noch heute äußerst primitiv. Bei Witze läßt man das Wasser, das
aus der Tiefe dringt, in der Grube sich ansammeln, schöpft den auf dem Wasser
schwimmenden Theer ab und gräbt den auf dem Grunde befindlichen mit Theer
durchsetzten Sand aus. Diese Arbeit wird zweimal im Jahre vorgenommen und
ergiebt eine Ausbeute von 6000 Pfund Theer. Von den fünf vorhandenen
Gruben ist nur noch eine im Betrieb. Bei Hänigsen macht man die Arbeit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151153"/>
          <fw type="header" place="top"> Petroleumqnellen in Deutschland,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1417" prev="#ID_1416"> Wie jenes von Lizumer, Endlich mögen noch die Bohrversuche erwähnt werden,<lb/>
die in neuester Zeit bei Neustadt a. N. gemacht worden sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1418"> Nördlich in der Richtung Verden-Brnnuschweig tritt das Petroleum nur<lb/>
an einzelnen Stellen und wenig zu Tage. Es findet sich bei Soltau mitten<lb/>
in der Lüneburger Haide, bei Bicncnbüttel, in der Nähe von Lüneburg und in<lb/>
Velpke am Drömling zwischen Oebisfelde und Versfelde. Bohrungen, welche<lb/>
sichern Aufschluß geben könnten, sind bisher in diesen Gegenden nicht gemacht<lb/>
worden. Doch werde» sie gewiß uicht lauge auf sich warten lassen, falls die<lb/>
Unternehmungen in den südlicheren Fundstätten von Erfolg gekrönt werden<lb/>
sollten. Noch weiter nach der Küste zu ist bisher keine Spur von Erdöl ent¬<lb/>
deckt. Geht man aber über die Elbe »ach Holstein, so gelangt man nahe an<lb/>
der Westküste Holsteins in Ditmarschcn wieder zu einer reichen Oelgrubc.<lb/>
Vor 2g bis 30 Jahren wurde bei dem Städtchen Heide aus einer mitten in<lb/>
der Marsch gelegenen Gccstinsel zufällig beim Graben eines Brunnens eine schwarze<lb/>
Erde gefunden, die sich bei der Untersuchung in starkem Maße als bergthecr-<lb/>
haltig erwies. Die schwarze Erde wurde jahrelang bergmännisch gefördert und<lb/>
aus ihr ein vorzügliches Petroleum gewonnen, das bereits auf der Londoner<lb/>
Industrieausstellung von 1862 eine ehrenvolle Auszeichnung erhielt. Die Boh¬<lb/>
rungen, welche jüngst vorgenommen worden sind, haben einen ölhaltigen Sand<lb/>
und aus noch größern Tiefen Kreide mit 13 Procent Petroleum zu Tage ge¬<lb/>
bracht. Die Verbreitung dieser Kreide ist durch Bohrungen auf einer Fläche<lb/>
von ungefähr 80 Morgen in gleicher Stärke nachgewiesen, woraus mau die<lb/>
Menge des in der Kreide vorhandene» Petroleums auf 30 Millionen Centner<lb/>
berechnet hat. Die Gewinnung dieses Oeles beabsichtigt man, Zeitungsnach¬<lb/>
richten zufolge, jetzt in großartigen: Maßstabe zu betreiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1419" next="#ID_1420"> Die ersten Nachrichten über Petrvleumfundc in den bezeichneten Gegenden<lb/>
sind sehr alt und reichen ins sechzehnte Jahrhundert zurück. Der als Be¬<lb/>
gründer der Mineralogie bekannte Agricola erwähnt sie bereits in seinem Buche<lb/>
über die Flüssigkeiten, welche ans der Erde quellen (ve nawra forum, egen&lt;z e-llwunt<lb/>
sx tsrra). Er spricht von schwarzem Erdöl, das in Sachsen bei Hänigsen und<lb/>
Schöppeustedt aus der Erde fließe. Etwas über hundert Jahre später wird in<lb/>
der &#x201E;Hildesheimer Gesteinskunde" Lachmunds das &#x201E;flüssige, schwarze Bitumen"<lb/>
bei Oberg und Witze erwähnt. Von dieser Zeit an datirt auch bereits die Aus¬<lb/>
beutung der dortigen Theergruben durch die Bauern, auf deren Besitzthum sie<lb/>
sich befinden &#x2014; wenn sie nicht noch älter ist. Die Art, wie die Ausbeute ge¬<lb/>
schieht, ist noch heute äußerst primitiv. Bei Witze läßt man das Wasser, das<lb/>
aus der Tiefe dringt, in der Grube sich ansammeln, schöpft den auf dem Wasser<lb/>
schwimmenden Theer ab und gräbt den auf dem Grunde befindlichen mit Theer<lb/>
durchsetzten Sand aus. Diese Arbeit wird zweimal im Jahre vorgenommen und<lb/>
ergiebt eine Ausbeute von 6000 Pfund Theer. Von den fünf vorhandenen<lb/>
Gruben ist nur noch eine im Betrieb. Bei Hänigsen macht man die Arbeit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0431] Petroleumqnellen in Deutschland, Wie jenes von Lizumer, Endlich mögen noch die Bohrversuche erwähnt werden, die in neuester Zeit bei Neustadt a. N. gemacht worden sind. Nördlich in der Richtung Verden-Brnnuschweig tritt das Petroleum nur an einzelnen Stellen und wenig zu Tage. Es findet sich bei Soltau mitten in der Lüneburger Haide, bei Bicncnbüttel, in der Nähe von Lüneburg und in Velpke am Drömling zwischen Oebisfelde und Versfelde. Bohrungen, welche sichern Aufschluß geben könnten, sind bisher in diesen Gegenden nicht gemacht worden. Doch werde» sie gewiß uicht lauge auf sich warten lassen, falls die Unternehmungen in den südlicheren Fundstätten von Erfolg gekrönt werden sollten. Noch weiter nach der Küste zu ist bisher keine Spur von Erdöl ent¬ deckt. Geht man aber über die Elbe »ach Holstein, so gelangt man nahe an der Westküste Holsteins in Ditmarschcn wieder zu einer reichen Oelgrubc. Vor 2g bis 30 Jahren wurde bei dem Städtchen Heide aus einer mitten in der Marsch gelegenen Gccstinsel zufällig beim Graben eines Brunnens eine schwarze Erde gefunden, die sich bei der Untersuchung in starkem Maße als bergthecr- haltig erwies. Die schwarze Erde wurde jahrelang bergmännisch gefördert und aus ihr ein vorzügliches Petroleum gewonnen, das bereits auf der Londoner Industrieausstellung von 1862 eine ehrenvolle Auszeichnung erhielt. Die Boh¬ rungen, welche jüngst vorgenommen worden sind, haben einen ölhaltigen Sand und aus noch größern Tiefen Kreide mit 13 Procent Petroleum zu Tage ge¬ bracht. Die Verbreitung dieser Kreide ist durch Bohrungen auf einer Fläche von ungefähr 80 Morgen in gleicher Stärke nachgewiesen, woraus mau die Menge des in der Kreide vorhandene» Petroleums auf 30 Millionen Centner berechnet hat. Die Gewinnung dieses Oeles beabsichtigt man, Zeitungsnach¬ richten zufolge, jetzt in großartigen: Maßstabe zu betreiben. Die ersten Nachrichten über Petrvleumfundc in den bezeichneten Gegenden sind sehr alt und reichen ins sechzehnte Jahrhundert zurück. Der als Be¬ gründer der Mineralogie bekannte Agricola erwähnt sie bereits in seinem Buche über die Flüssigkeiten, welche ans der Erde quellen (ve nawra forum, egen<z e-llwunt sx tsrra). Er spricht von schwarzem Erdöl, das in Sachsen bei Hänigsen und Schöppeustedt aus der Erde fließe. Etwas über hundert Jahre später wird in der „Hildesheimer Gesteinskunde" Lachmunds das „flüssige, schwarze Bitumen" bei Oberg und Witze erwähnt. Von dieser Zeit an datirt auch bereits die Aus¬ beutung der dortigen Theergruben durch die Bauern, auf deren Besitzthum sie sich befinden — wenn sie nicht noch älter ist. Die Art, wie die Ausbeute ge¬ schieht, ist noch heute äußerst primitiv. Bei Witze läßt man das Wasser, das aus der Tiefe dringt, in der Grube sich ansammeln, schöpft den auf dem Wasser schwimmenden Theer ab und gräbt den auf dem Grunde befindlichen mit Theer durchsetzten Sand aus. Diese Arbeit wird zweimal im Jahre vorgenommen und ergiebt eine Ausbeute von 6000 Pfund Theer. Von den fünf vorhandenen Gruben ist nur noch eine im Betrieb. Bei Hänigsen macht man die Arbeit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/431
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/431>, abgerufen am 04.06.2024.