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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die akademische Uunstausstellnng in Berlin.

Naturwahrheit dargestellt hat. Damit geht aber sein künstlerisches Verdienst
nicht über das des Photographen hinaus, welcher ein schnell ans der Platte
fixirtes Augenblicksbild, das ihm der Zufall am Objectiv vorbeigeführt hat,
nachträglich in möglichst bunte Farben setzt, ohne sich viel um Stimmung zu
kümmern. Es ist die roheste Form des Realismus, die primitivste Stellung,
welche ein Künstler der Natur gegenüber einnehmen kann. Skarbina ist Lehrer
an der Berliner Kunstakademie.

Nur wenige Stufen höher steht der Realismus Alma Tademas, der
durch zwei wenig bedeutende Bilder vertreten ist, von denen nur das eine,
"Sappho" genannt, wegen seines Stoffes größere Beachtung verdient. Die
Gesellschaft, die er uns mit Vorliebe schildert, ist etwas vornehmer, weil sie in
die Sphäre des klassischen Alterthums gerückt ist, d. h. nur in soweit, als
Costüm und äußere Umgebung in Frage kommen. In Wahrheit führt er uns
nur Specimina der englischen Gesellschaft unsrer Tage vor, Personen, die es
nicht lieben, seelische Erregungen bis zum Angesicht steigen zu lassen. Durch
seine maskenartiger, wächsernen und porzellanglatten Gesichter setzt er sich in
vollen Widerspruch zu seinem Freunde Georg Ebers, dessen ägyptische und
griechische Frauen und Mädchen ein Examen aus Paul Heyses moralische No¬
vellen mit Ehren bestehen würden. So sind auch die Züge der Sappho, welche
"uf der Marmorbank eines kleinen Amphitheaters dem Saitcnspiele eines Sängers
lauscht -- soll es Alkaios oder Phaon sein? -- ziemlich empfindungs- und aus¬
druckslos. Desto lebendiger ist die Fläche des Marmors behandelt mit seinen
Sprüngen und Rissen, mit den Spuren von Stand und Regen. In der Nachahmung
der Natur ist hier das Höchste erreicht, die technische Behandlung ist zu einer Sub-
Mtät getrieben, die nach menschlichem Ermessen nicht mehr überboten werden
tuum. Aber kalt wie der Marmor ist die ganze Komposition, aus der uus
eine erschreckende geistige Oede entgegenstarrt. Da steckt doch unendlich mehr
Leben und Bewegung, geistige Regsamkeit und Frische in dem anspruchlosesten
Münchner Kneipcnbilde, wie z. B. in Alois Gadis Bräuschenke, in welcher sich
um die Frühstücks- oder Mittagszeit die Mägde vor dem "Gassenschank" drängen,
u>u den Hausbedarf einzuholen. Ein keckes, lustiges Bild voll prächtiger Cha¬
rakteristik, hell aufleuchtend und lachend in der Farbe, überströmend von Lebens-
fülle in seinen traiter Gestalten. Wie das warme Sonnenlicht durch die Thür
w den kühlen, halbdunkeln .Hausflur fällt, wird man so recht inne, daß doch
die ganze Poesie der Malerei in dem Gegensatze zwischen Licht und Schatten
steckt und daß derjenige zu beklagen ist, welcher die feinen Tonabstufungen nicht
steht, die das Licht an der Luft und an den Gegenständen im Raume bewirkt.
Diese Poesie des Lichts beutet mit glücklichem Erfolge der Münchner Genre¬
maler August Holmberg aus, ein Schüler des trefflichen Diez, auf dessen hohe
Begabung wir in diesen Blättern schon oft aufmerksam gemacht haben. Auch
die Berliner Ausstellung sieht wieder zwei liebenswürdige Bilder von seiner


Ärmzbvlm III. 1881. 6
Die akademische Uunstausstellnng in Berlin.

Naturwahrheit dargestellt hat. Damit geht aber sein künstlerisches Verdienst
nicht über das des Photographen hinaus, welcher ein schnell ans der Platte
fixirtes Augenblicksbild, das ihm der Zufall am Objectiv vorbeigeführt hat,
nachträglich in möglichst bunte Farben setzt, ohne sich viel um Stimmung zu
kümmern. Es ist die roheste Form des Realismus, die primitivste Stellung,
welche ein Künstler der Natur gegenüber einnehmen kann. Skarbina ist Lehrer
an der Berliner Kunstakademie.

Nur wenige Stufen höher steht der Realismus Alma Tademas, der
durch zwei wenig bedeutende Bilder vertreten ist, von denen nur das eine,
„Sappho" genannt, wegen seines Stoffes größere Beachtung verdient. Die
Gesellschaft, die er uns mit Vorliebe schildert, ist etwas vornehmer, weil sie in
die Sphäre des klassischen Alterthums gerückt ist, d. h. nur in soweit, als
Costüm und äußere Umgebung in Frage kommen. In Wahrheit führt er uns
nur Specimina der englischen Gesellschaft unsrer Tage vor, Personen, die es
nicht lieben, seelische Erregungen bis zum Angesicht steigen zu lassen. Durch
seine maskenartiger, wächsernen und porzellanglatten Gesichter setzt er sich in
vollen Widerspruch zu seinem Freunde Georg Ebers, dessen ägyptische und
griechische Frauen und Mädchen ein Examen aus Paul Heyses moralische No¬
vellen mit Ehren bestehen würden. So sind auch die Züge der Sappho, welche
"uf der Marmorbank eines kleinen Amphitheaters dem Saitcnspiele eines Sängers
lauscht — soll es Alkaios oder Phaon sein? — ziemlich empfindungs- und aus¬
druckslos. Desto lebendiger ist die Fläche des Marmors behandelt mit seinen
Sprüngen und Rissen, mit den Spuren von Stand und Regen. In der Nachahmung
der Natur ist hier das Höchste erreicht, die technische Behandlung ist zu einer Sub-
Mtät getrieben, die nach menschlichem Ermessen nicht mehr überboten werden
tuum. Aber kalt wie der Marmor ist die ganze Komposition, aus der uus
eine erschreckende geistige Oede entgegenstarrt. Da steckt doch unendlich mehr
Leben und Bewegung, geistige Regsamkeit und Frische in dem anspruchlosesten
Münchner Kneipcnbilde, wie z. B. in Alois Gadis Bräuschenke, in welcher sich
um die Frühstücks- oder Mittagszeit die Mägde vor dem „Gassenschank" drängen,
u>u den Hausbedarf einzuholen. Ein keckes, lustiges Bild voll prächtiger Cha¬
rakteristik, hell aufleuchtend und lachend in der Farbe, überströmend von Lebens-
fülle in seinen traiter Gestalten. Wie das warme Sonnenlicht durch die Thür
w den kühlen, halbdunkeln .Hausflur fällt, wird man so recht inne, daß doch
die ganze Poesie der Malerei in dem Gegensatze zwischen Licht und Schatten
steckt und daß derjenige zu beklagen ist, welcher die feinen Tonabstufungen nicht
steht, die das Licht an der Luft und an den Gegenständen im Raume bewirkt.
Diese Poesie des Lichts beutet mit glücklichem Erfolge der Münchner Genre¬
maler August Holmberg aus, ein Schüler des trefflichen Diez, auf dessen hohe
Begabung wir in diesen Blättern schon oft aufmerksam gemacht haben. Auch
die Berliner Ausstellung sieht wieder zwei liebenswürdige Bilder von seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/47>, abgerufen am 15.05.2024.