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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die akademische Kmistansstellung in Berlin.

Hand: einen Goldschmied in seiner Werkstatt, durch deren runde Butzenscheiben
das Sonnenlicht auf goldne Gefäße und auf den Arbeitstisch mit dem Hand¬
werkszeug fallt, dann ein junges Fräulein in weißem Atlaskleide, so spiegelglatt
und schillernd, wie es Terburg und Netscher zu malen liebten. In ein Buch
vertieft sitzt das hübsche Dämchen an dem Fenster eines hohen Gemachs, durch
welches die Sonnenstrahlen breiten Einlaß finden und sich auf dem Fußboden
niederlassen, unterwegs die Stäubchen der Atmosphäre zu lustigem Spiel be¬
wegend.

Auch Wilhelm Gentz ist unter den Meistern des Genres mit einer Ge¬
dächtnißfeier zu Ehren eines Rabbi auf dem jüdischen Kirchhofe in Algier zu
nennen, einem Bilde von tiefgesättigten Farbenglanze, voll interessanter Cha¬
rakterköpfe und von fremdartigem Reize. Aber es ist in der Schale werth¬
voller als im Kern, es steht hoher durch seinen ethnographischen Werth, als
durch Innerlichkeit und Wärme in der Schilderung der religiösen Ceremonie.
Um wie viel ergreifender, um wie viel mehr zum Herzen dringend ist dagegen
Wilhelm Riefstahls "Segnung der Alpen." Nachdem der Meister sich von
der Leitung der Kunstschule in Karlsruhe zurückgezogen, hat er sich in München
niedergelassen, um sich nun ganz wieder seiner Kunst zu widmen. Daß er es
mit alter Kraft thut, beweist das neue Bild, welches Energie der Charakteristik
mit Großartigkeit der Naturauffassung paart. Auf einsamer Hvchalp, die rings
von nebelumwallten Bergesspitzen eingeschlossen ist, steht der Priester und weiht
Feuer, Wasser und Salz zweier Sennhirten, welche andächtig mit entblößten
Häuptern seinen Segenssprüchen lauschen. Wenn man einen Vergleich aus dem
verwandten Gebiet der Töne wählen darf, so wirkt diese Scene in ihrer gran¬
diosen Einfachheit wie feierlicher Orgelklang.

Max Michaels "Kardinal im Kloster," ein würdiger Herr, an welchem
mit allen Zeichen der Unterwürfigkeit und Ehrfurcht ein Zug von Cisterzienscr-
mönchcn vorübergeht, ist eine glänzende evloristische Leistung, auch ziemlich reich
an interessanten Charakterköpfen, aber roh in der Färbung im Vergleich zu
Ludwig von Hagns "Audienz bei Leo XIII.," welche mit dem ganzen Pomp
des obersten Kirchenfürsten in einem Saale des Vaticans vor sich geht. Hag"
ist ein überaus feinfühliger Colorist, ein Künstler von vornehmer Haltung, der
die Feinheit der Färbung noch durch geschickte Lichtführuug zu steigern weiß.
Auch Karl Sohn jun. in Düsseldorf, ein junger, vielversprechender Maler, darf
sich ähnlicher Vorzüge rühmen. Er führt uns eine Gesellschaft in Renaissancc-
eostümen beim Nachtisch eines reichen Mahles vor. Im Vordergrunde sitzt, durch
eine Querwand von der Gesellschaft verborgen, ein Lautenspieler und ein junges
Mädchen, zwischen denen sich ein Herzensroman entspinnt. Die Zartheit des
Colorits wetteifert mit der Anmuth der Formenbildung. Josef Brandt in
München, den wir trotz seiner polnischen Abkunft als Zögling der Pilotyschule
zu den deutschen Malern zählen dürfen, gehört gleichfalls zu unsern ausge-


Die akademische Kmistansstellung in Berlin.

Hand: einen Goldschmied in seiner Werkstatt, durch deren runde Butzenscheiben
das Sonnenlicht auf goldne Gefäße und auf den Arbeitstisch mit dem Hand¬
werkszeug fallt, dann ein junges Fräulein in weißem Atlaskleide, so spiegelglatt
und schillernd, wie es Terburg und Netscher zu malen liebten. In ein Buch
vertieft sitzt das hübsche Dämchen an dem Fenster eines hohen Gemachs, durch
welches die Sonnenstrahlen breiten Einlaß finden und sich auf dem Fußboden
niederlassen, unterwegs die Stäubchen der Atmosphäre zu lustigem Spiel be¬
wegend.

Auch Wilhelm Gentz ist unter den Meistern des Genres mit einer Ge¬
dächtnißfeier zu Ehren eines Rabbi auf dem jüdischen Kirchhofe in Algier zu
nennen, einem Bilde von tiefgesättigten Farbenglanze, voll interessanter Cha¬
rakterköpfe und von fremdartigem Reize. Aber es ist in der Schale werth¬
voller als im Kern, es steht hoher durch seinen ethnographischen Werth, als
durch Innerlichkeit und Wärme in der Schilderung der religiösen Ceremonie.
Um wie viel ergreifender, um wie viel mehr zum Herzen dringend ist dagegen
Wilhelm Riefstahls „Segnung der Alpen." Nachdem der Meister sich von
der Leitung der Kunstschule in Karlsruhe zurückgezogen, hat er sich in München
niedergelassen, um sich nun ganz wieder seiner Kunst zu widmen. Daß er es
mit alter Kraft thut, beweist das neue Bild, welches Energie der Charakteristik
mit Großartigkeit der Naturauffassung paart. Auf einsamer Hvchalp, die rings
von nebelumwallten Bergesspitzen eingeschlossen ist, steht der Priester und weiht
Feuer, Wasser und Salz zweier Sennhirten, welche andächtig mit entblößten
Häuptern seinen Segenssprüchen lauschen. Wenn man einen Vergleich aus dem
verwandten Gebiet der Töne wählen darf, so wirkt diese Scene in ihrer gran¬
diosen Einfachheit wie feierlicher Orgelklang.

Max Michaels „Kardinal im Kloster," ein würdiger Herr, an welchem
mit allen Zeichen der Unterwürfigkeit und Ehrfurcht ein Zug von Cisterzienscr-
mönchcn vorübergeht, ist eine glänzende evloristische Leistung, auch ziemlich reich
an interessanten Charakterköpfen, aber roh in der Färbung im Vergleich zu
Ludwig von Hagns „Audienz bei Leo XIII.," welche mit dem ganzen Pomp
des obersten Kirchenfürsten in einem Saale des Vaticans vor sich geht. Hag»
ist ein überaus feinfühliger Colorist, ein Künstler von vornehmer Haltung, der
die Feinheit der Färbung noch durch geschickte Lichtführuug zu steigern weiß.
Auch Karl Sohn jun. in Düsseldorf, ein junger, vielversprechender Maler, darf
sich ähnlicher Vorzüge rühmen. Er führt uns eine Gesellschaft in Renaissancc-
eostümen beim Nachtisch eines reichen Mahles vor. Im Vordergrunde sitzt, durch
eine Querwand von der Gesellschaft verborgen, ein Lautenspieler und ein junges
Mädchen, zwischen denen sich ein Herzensroman entspinnt. Die Zartheit des
Colorits wetteifert mit der Anmuth der Formenbildung. Josef Brandt in
München, den wir trotz seiner polnischen Abkunft als Zögling der Pilotyschule
zu den deutschen Malern zählen dürfen, gehört gleichfalls zu unsern ausge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/48>, abgerufen am 15.05.2024.