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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die neuen Erwerbungen der Dresdener Galerie.

nicht einmal so Viel wie für den Berliner Rubens bezahlt worden. Daß nun
der Ankauf von zwei Dutzend Bildern, über welche die Meinungen der Knnsi-
forscher noch weit auseinandergehen und über deren Werth die Discussion noch
lange nicht geschlossen ist, eine "öffentliche Calamitüt für ganz Deutschland"
bilden soll, heißt denn doch mit aller Gewalt aus der Maus einen Elephanten
machen. Am allerwenigsten sollte aber jemand derartige Vorwürfe erheben, der
gegründete Ursache hat, vor seiner eignen Thür zu kehren.

Die innere Einrichtung der Dresdener Galerie, das vortreffliche Arrange¬
ment der Gemälde, die Möglichkeit der leichten Orientirung mit Hilfe des Ka¬
talogs kann sich jeder neubackene Galeriedireetor zum Muster nehmen, nicht
minder die Bescheidenheit, mit der alles vermieden wird, was irgendwie an
Reclame und Großsprecherei erinnert, Ju aller Stille ist im obern Geschoß
eine Sammlung von Gemälden moderner Meister zusammengebracht worden,
die so reich an Werken ersten Ranges ist wie nächst der Berliner Nationnl-
galerie keine zweite öffentliche Sammlung in Deutschland, Wenn der kritische
Scharfsinn aller deutschen und auswärtigen Kunstforscher die Dresdener Galerie
durchaus zum Gegenstände seiner Operationen machen will, so ist ihm in der
kürzlich erworbenen "Jagd der Diana" ein würdiges Object geboten. Unter der
Maske einer mythologischen Scene ist um eine vornehme Dame, vermuthlich
eine spanische Prinzessin, eine Jagdgesellschaft gruppirt. Das Bild galt dem
frühern Besitzer als ein Werk des Nelasqnez. Doch hat es ebensoviel von diesem
als von Rubens, Es ist jedenfalls von einem Antwerpener Künstler gemalt,
der von beiden etwas gelernt hatte. Eisenmann denkt an van Dulden, ein
Beweis, daß er sich von diesem Meister ebensowenig einen klaren Begriff ge¬
macht hat wie von Rubens, dessen Hand er in jedem Pinselstriche des Berliner
Gemäldes für zweimalhunderttausend Mark erkannt hat. Es giebt also an den
angeblich falschen und unbedeutende!, Ankäufen der Dresdener Gemäldegalerie
selbst für Herrn Eisenmann noch etwas zu lernen. -

Die Grundsätze, welche für die Erweiterung der Galerie maßgebend waren,
sind in dein Verwaltungsbericht über die Jahre 1874 und 1875 mitgetheilt
worden. Es gilt, "einige empfindliche Lücken der Gemäldegalerie," welche reich
an Gemälden aus der Blütezeit der Kunst, dagegen arm an Werken aus der
vorhergehenden Vildnngsperiode ist, "auszufüllen und dieselbe zugleich in den¬
jenigen Abtheilungen, in welchen eine annähernde kunstgeschichtliche Vollständig¬
keit möglich und wünschenswert!) ist, nach diesem Ziele hin weiter zu entwickeln."
Nach diesen Grundsätzen ist bei den Ankäufen gehandelt worden. Es kam nicht
darauf an, Werke ersten Ranges von Meistern ersten Ranges anzukaufen, sondern
einerseits die geringern Künstler zu berücksichtigen, soweit sie auf die Entwick¬
lung der Kunstgeschichte von Einfluß gewesen sind, andrerseits Meister in die
Galerie einzuführen, die bisher in derselben noch nicht vertreten, oder endlich
drittens Bilder von Künstlern zu erwerben, die für eine gewisse, in der Galerie


Die neuen Erwerbungen der Dresdener Galerie.

nicht einmal so Viel wie für den Berliner Rubens bezahlt worden. Daß nun
der Ankauf von zwei Dutzend Bildern, über welche die Meinungen der Knnsi-
forscher noch weit auseinandergehen und über deren Werth die Discussion noch
lange nicht geschlossen ist, eine „öffentliche Calamitüt für ganz Deutschland"
bilden soll, heißt denn doch mit aller Gewalt aus der Maus einen Elephanten
machen. Am allerwenigsten sollte aber jemand derartige Vorwürfe erheben, der
gegründete Ursache hat, vor seiner eignen Thür zu kehren.

Die innere Einrichtung der Dresdener Galerie, das vortreffliche Arrange¬
ment der Gemälde, die Möglichkeit der leichten Orientirung mit Hilfe des Ka¬
talogs kann sich jeder neubackene Galeriedireetor zum Muster nehmen, nicht
minder die Bescheidenheit, mit der alles vermieden wird, was irgendwie an
Reclame und Großsprecherei erinnert, Ju aller Stille ist im obern Geschoß
eine Sammlung von Gemälden moderner Meister zusammengebracht worden,
die so reich an Werken ersten Ranges ist wie nächst der Berliner Nationnl-
galerie keine zweite öffentliche Sammlung in Deutschland, Wenn der kritische
Scharfsinn aller deutschen und auswärtigen Kunstforscher die Dresdener Galerie
durchaus zum Gegenstände seiner Operationen machen will, so ist ihm in der
kürzlich erworbenen „Jagd der Diana" ein würdiges Object geboten. Unter der
Maske einer mythologischen Scene ist um eine vornehme Dame, vermuthlich
eine spanische Prinzessin, eine Jagdgesellschaft gruppirt. Das Bild galt dem
frühern Besitzer als ein Werk des Nelasqnez. Doch hat es ebensoviel von diesem
als von Rubens, Es ist jedenfalls von einem Antwerpener Künstler gemalt,
der von beiden etwas gelernt hatte. Eisenmann denkt an van Dulden, ein
Beweis, daß er sich von diesem Meister ebensowenig einen klaren Begriff ge¬
macht hat wie von Rubens, dessen Hand er in jedem Pinselstriche des Berliner
Gemäldes für zweimalhunderttausend Mark erkannt hat. Es giebt also an den
angeblich falschen und unbedeutende!, Ankäufen der Dresdener Gemäldegalerie
selbst für Herrn Eisenmann noch etwas zu lernen. -

Die Grundsätze, welche für die Erweiterung der Galerie maßgebend waren,
sind in dein Verwaltungsbericht über die Jahre 1874 und 1875 mitgetheilt
worden. Es gilt, „einige empfindliche Lücken der Gemäldegalerie," welche reich
an Gemälden aus der Blütezeit der Kunst, dagegen arm an Werken aus der
vorhergehenden Vildnngsperiode ist, „auszufüllen und dieselbe zugleich in den¬
jenigen Abtheilungen, in welchen eine annähernde kunstgeschichtliche Vollständig¬
keit möglich und wünschenswert!) ist, nach diesem Ziele hin weiter zu entwickeln."
Nach diesen Grundsätzen ist bei den Ankäufen gehandelt worden. Es kam nicht
darauf an, Werke ersten Ranges von Meistern ersten Ranges anzukaufen, sondern
einerseits die geringern Künstler zu berücksichtigen, soweit sie auf die Entwick¬
lung der Kunstgeschichte von Einfluß gewesen sind, andrerseits Meister in die
Galerie einzuführen, die bisher in derselben noch nicht vertreten, oder endlich
drittens Bilder von Künstlern zu erwerben, die für eine gewisse, in der Galerie


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[0526] Die neuen Erwerbungen der Dresdener Galerie. nicht einmal so Viel wie für den Berliner Rubens bezahlt worden. Daß nun der Ankauf von zwei Dutzend Bildern, über welche die Meinungen der Knnsi- forscher noch weit auseinandergehen und über deren Werth die Discussion noch lange nicht geschlossen ist, eine „öffentliche Calamitüt für ganz Deutschland" bilden soll, heißt denn doch mit aller Gewalt aus der Maus einen Elephanten machen. Am allerwenigsten sollte aber jemand derartige Vorwürfe erheben, der gegründete Ursache hat, vor seiner eignen Thür zu kehren. Die innere Einrichtung der Dresdener Galerie, das vortreffliche Arrange¬ ment der Gemälde, die Möglichkeit der leichten Orientirung mit Hilfe des Ka¬ talogs kann sich jeder neubackene Galeriedireetor zum Muster nehmen, nicht minder die Bescheidenheit, mit der alles vermieden wird, was irgendwie an Reclame und Großsprecherei erinnert, Ju aller Stille ist im obern Geschoß eine Sammlung von Gemälden moderner Meister zusammengebracht worden, die so reich an Werken ersten Ranges ist wie nächst der Berliner Nationnl- galerie keine zweite öffentliche Sammlung in Deutschland, Wenn der kritische Scharfsinn aller deutschen und auswärtigen Kunstforscher die Dresdener Galerie durchaus zum Gegenstände seiner Operationen machen will, so ist ihm in der kürzlich erworbenen „Jagd der Diana" ein würdiges Object geboten. Unter der Maske einer mythologischen Scene ist um eine vornehme Dame, vermuthlich eine spanische Prinzessin, eine Jagdgesellschaft gruppirt. Das Bild galt dem frühern Besitzer als ein Werk des Nelasqnez. Doch hat es ebensoviel von diesem als von Rubens, Es ist jedenfalls von einem Antwerpener Künstler gemalt, der von beiden etwas gelernt hatte. Eisenmann denkt an van Dulden, ein Beweis, daß er sich von diesem Meister ebensowenig einen klaren Begriff ge¬ macht hat wie von Rubens, dessen Hand er in jedem Pinselstriche des Berliner Gemäldes für zweimalhunderttausend Mark erkannt hat. Es giebt also an den angeblich falschen und unbedeutende!, Ankäufen der Dresdener Gemäldegalerie selbst für Herrn Eisenmann noch etwas zu lernen. - Die Grundsätze, welche für die Erweiterung der Galerie maßgebend waren, sind in dein Verwaltungsbericht über die Jahre 1874 und 1875 mitgetheilt worden. Es gilt, „einige empfindliche Lücken der Gemäldegalerie," welche reich an Gemälden aus der Blütezeit der Kunst, dagegen arm an Werken aus der vorhergehenden Vildnngsperiode ist, „auszufüllen und dieselbe zugleich in den¬ jenigen Abtheilungen, in welchen eine annähernde kunstgeschichtliche Vollständig¬ keit möglich und wünschenswert!) ist, nach diesem Ziele hin weiter zu entwickeln." Nach diesen Grundsätzen ist bei den Ankäufen gehandelt worden. Es kam nicht darauf an, Werke ersten Ranges von Meistern ersten Ranges anzukaufen, sondern einerseits die geringern Künstler zu berücksichtigen, soweit sie auf die Entwick¬ lung der Kunstgeschichte von Einfluß gewesen sind, andrerseits Meister in die Galerie einzuführen, die bisher in derselben noch nicht vertreten, oder endlich drittens Bilder von Künstlern zu erwerben, die für eine gewisse, in der Galerie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/526>, abgerufen am 29.05.2024.