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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die windthorstsche Affaire.

Grenzen mich dem Meere zu das Landesgebiet des Königs von Preußen und
des deutschen Reiches abschließen, daß innerhalb dieser Grenzen Preußen und
Deutschland von auswärtigen Mächten ebensowenig eine Einmischung annehmen
würden, als sie das Recht hätten, sich ihrerseits in die Einrichtungen zu mischen,
welche fremde Länder, namentlich Rußland und England, innerhalb ihres Ge¬
biets zu treffen für nöthig hielten, daß er daher keinen Augenblick die Voraus¬
setzung theilen könne, daß Preußen und Deutschland im eignen Hause nicht
Herren ihrer Entschließungen sein dürften. Herr Windthorst bemerkte darauf,
daß er gern bereit sein werde, sich dieser Auffassung anzuschließen, falls die
Reichsregierung sicher sei, eine derartige Position aufrecht erhalten zu können.

Tags darauf brachte die Nordd. Allg. Zeitung eine" Bericht über diesen
Vorgang mit der Bemerkung: "Wir glauben nicht, daß ein Franzose oder Russe
es über sich gewinnen würde, angesichts der Oeffentlichkeit und des National¬
gefühls seiner Landsleute mit der Einmischung des Auslandes zu drohe", wen"
es sich um die Legung der französischen oder russischen Zvlllime an der Seine
oder der Newa handeln sollte. Gerade der Vertrag vom 22. Juni 1861 über
den Brunshäuscr Zoll constatirt die Anerkennung, wen" eS deren bedurft hätte,
der damaligen hannoverschen, also deutschen Hoheitsrechte auf diesem Gebiete,
und es kann dem Abgeordneten Windthorst nicht unbekannt sein, daß es sich
bei jenen: Vertrage um die Aufhebung einer Schifffahrtsabgabe in Gestalt eines
Elbzolls handelt, aber in keiner Weise um die Hoheitsrechte Hannovers, resp.
Deutschlands, die Grenze der Dvuanen innerhalb des eignen Landesgebietes dort
zu legen, wo es den eignen LcindeSintercssen und der eignen souveränen Gesetz¬
gebung angemessen erscheint. Der Vertrag von 22. Juni 1861 ist für die
Frage der Neichszolllinie vollständig gleichgiltig, und kein Ausländer, auch wenn
er staatsrechtlich weniger durchgebildet wäre als der frühere hannoversche Justiz-
minister, würde es für etwas anders als eine Unverschämtheit ansehen, wenn
seine Regierung sich in die Regulirung der Douanenlinie des deutschen Reiches
innerhalb des deutscheu Gebiets einmischen wollte. Die Ablösung des Sund-
zolls war eine vollständige Analogie mit der des Staber Zolles. Auch der
Sundzoll gelangte innerhalb der dänischen Gewässer zur Erhebung. Wenn man
nun aus dieser Ablösung den Vorwand nehmen wollte, die dünische Staatshoheit
innerhalb dieser selben dänischen Gewässer in der Ausübung der Controle ihrer
Donanegrenzen zu bevormunden, so würde sich sicher in einem dänischen Parla¬
mente kein Mitglied finden, welches für eine solche Verletzung der nationalen
Unabhängigkeit den Anwalt des Auslandes machen würde."

Anwalt des Auslandes! -- Die "Germania," darüber aufs äußerste ent¬
rüstet, antwortete mit einem fulminanten Artikel. Sie meinte, seit Herr Windt¬
horst gegen die Bewilligung für den deutschen Volkswirthschaftsrath votirt, sei
er "wieder wie früher den officiösen Verdächtigem und Verleumdern als vogel-
frei ausgeliefert," und fährt dann fort: "Die Auslassungen des gonvernemen-


Die windthorstsche Affaire.

Grenzen mich dem Meere zu das Landesgebiet des Königs von Preußen und
des deutschen Reiches abschließen, daß innerhalb dieser Grenzen Preußen und
Deutschland von auswärtigen Mächten ebensowenig eine Einmischung annehmen
würden, als sie das Recht hätten, sich ihrerseits in die Einrichtungen zu mischen,
welche fremde Länder, namentlich Rußland und England, innerhalb ihres Ge¬
biets zu treffen für nöthig hielten, daß er daher keinen Augenblick die Voraus¬
setzung theilen könne, daß Preußen und Deutschland im eignen Hause nicht
Herren ihrer Entschließungen sein dürften. Herr Windthorst bemerkte darauf,
daß er gern bereit sein werde, sich dieser Auffassung anzuschließen, falls die
Reichsregierung sicher sei, eine derartige Position aufrecht erhalten zu können.

Tags darauf brachte die Nordd. Allg. Zeitung eine» Bericht über diesen
Vorgang mit der Bemerkung: „Wir glauben nicht, daß ein Franzose oder Russe
es über sich gewinnen würde, angesichts der Oeffentlichkeit und des National¬
gefühls seiner Landsleute mit der Einmischung des Auslandes zu drohe», wen»
es sich um die Legung der französischen oder russischen Zvlllime an der Seine
oder der Newa handeln sollte. Gerade der Vertrag vom 22. Juni 1861 über
den Brunshäuscr Zoll constatirt die Anerkennung, wen» eS deren bedurft hätte,
der damaligen hannoverschen, also deutschen Hoheitsrechte auf diesem Gebiete,
und es kann dem Abgeordneten Windthorst nicht unbekannt sein, daß es sich
bei jenen: Vertrage um die Aufhebung einer Schifffahrtsabgabe in Gestalt eines
Elbzolls handelt, aber in keiner Weise um die Hoheitsrechte Hannovers, resp.
Deutschlands, die Grenze der Dvuanen innerhalb des eignen Landesgebietes dort
zu legen, wo es den eignen LcindeSintercssen und der eignen souveränen Gesetz¬
gebung angemessen erscheint. Der Vertrag von 22. Juni 1861 ist für die
Frage der Neichszolllinie vollständig gleichgiltig, und kein Ausländer, auch wenn
er staatsrechtlich weniger durchgebildet wäre als der frühere hannoversche Justiz-
minister, würde es für etwas anders als eine Unverschämtheit ansehen, wenn
seine Regierung sich in die Regulirung der Douanenlinie des deutschen Reiches
innerhalb des deutscheu Gebiets einmischen wollte. Die Ablösung des Sund-
zolls war eine vollständige Analogie mit der des Staber Zolles. Auch der
Sundzoll gelangte innerhalb der dänischen Gewässer zur Erhebung. Wenn man
nun aus dieser Ablösung den Vorwand nehmen wollte, die dünische Staatshoheit
innerhalb dieser selben dänischen Gewässer in der Ausübung der Controle ihrer
Donanegrenzen zu bevormunden, so würde sich sicher in einem dänischen Parla¬
mente kein Mitglied finden, welches für eine solche Verletzung der nationalen
Unabhängigkeit den Anwalt des Auslandes machen würde."

Anwalt des Auslandes! — Die „Germania," darüber aufs äußerste ent¬
rüstet, antwortete mit einem fulminanten Artikel. Sie meinte, seit Herr Windt¬
horst gegen die Bewilligung für den deutschen Volkswirthschaftsrath votirt, sei
er „wieder wie früher den officiösen Verdächtigem und Verleumdern als vogel-
frei ausgeliefert," und fährt dann fort: „Die Auslassungen des gonvernemen-


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[0529] Die windthorstsche Affaire. Grenzen mich dem Meere zu das Landesgebiet des Königs von Preußen und des deutschen Reiches abschließen, daß innerhalb dieser Grenzen Preußen und Deutschland von auswärtigen Mächten ebensowenig eine Einmischung annehmen würden, als sie das Recht hätten, sich ihrerseits in die Einrichtungen zu mischen, welche fremde Länder, namentlich Rußland und England, innerhalb ihres Ge¬ biets zu treffen für nöthig hielten, daß er daher keinen Augenblick die Voraus¬ setzung theilen könne, daß Preußen und Deutschland im eignen Hause nicht Herren ihrer Entschließungen sein dürften. Herr Windthorst bemerkte darauf, daß er gern bereit sein werde, sich dieser Auffassung anzuschließen, falls die Reichsregierung sicher sei, eine derartige Position aufrecht erhalten zu können. Tags darauf brachte die Nordd. Allg. Zeitung eine» Bericht über diesen Vorgang mit der Bemerkung: „Wir glauben nicht, daß ein Franzose oder Russe es über sich gewinnen würde, angesichts der Oeffentlichkeit und des National¬ gefühls seiner Landsleute mit der Einmischung des Auslandes zu drohe», wen» es sich um die Legung der französischen oder russischen Zvlllime an der Seine oder der Newa handeln sollte. Gerade der Vertrag vom 22. Juni 1861 über den Brunshäuscr Zoll constatirt die Anerkennung, wen» eS deren bedurft hätte, der damaligen hannoverschen, also deutschen Hoheitsrechte auf diesem Gebiete, und es kann dem Abgeordneten Windthorst nicht unbekannt sein, daß es sich bei jenen: Vertrage um die Aufhebung einer Schifffahrtsabgabe in Gestalt eines Elbzolls handelt, aber in keiner Weise um die Hoheitsrechte Hannovers, resp. Deutschlands, die Grenze der Dvuanen innerhalb des eignen Landesgebietes dort zu legen, wo es den eignen LcindeSintercssen und der eignen souveränen Gesetz¬ gebung angemessen erscheint. Der Vertrag von 22. Juni 1861 ist für die Frage der Neichszolllinie vollständig gleichgiltig, und kein Ausländer, auch wenn er staatsrechtlich weniger durchgebildet wäre als der frühere hannoversche Justiz- minister, würde es für etwas anders als eine Unverschämtheit ansehen, wenn seine Regierung sich in die Regulirung der Douanenlinie des deutschen Reiches innerhalb des deutscheu Gebiets einmischen wollte. Die Ablösung des Sund- zolls war eine vollständige Analogie mit der des Staber Zolles. Auch der Sundzoll gelangte innerhalb der dänischen Gewässer zur Erhebung. Wenn man nun aus dieser Ablösung den Vorwand nehmen wollte, die dünische Staatshoheit innerhalb dieser selben dänischen Gewässer in der Ausübung der Controle ihrer Donanegrenzen zu bevormunden, so würde sich sicher in einem dänischen Parla¬ mente kein Mitglied finden, welches für eine solche Verletzung der nationalen Unabhängigkeit den Anwalt des Auslandes machen würde." Anwalt des Auslandes! — Die „Germania," darüber aufs äußerste ent¬ rüstet, antwortete mit einem fulminanten Artikel. Sie meinte, seit Herr Windt¬ horst gegen die Bewilligung für den deutschen Volkswirthschaftsrath votirt, sei er „wieder wie früher den officiösen Verdächtigem und Verleumdern als vogel- frei ausgeliefert," und fährt dann fort: „Die Auslassungen des gonvernemen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/529>, abgerufen am 15.05.2024.