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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die windthorstsche Affaire.

teilen Vlattcs beruhen auf den dreistesten Entstellungen der Vorgänge in der
Commission, die zur Berathung der Hamburger Vorlage eingesetzt ist. Der Ab¬
geordnete v. Windthorst hat in der Commission lediglich die Frage aufgeworfen,
ob die beabsichtigte Umgestaltung der Elbzollverhältnisse uicht Gegenstand der
Einsprache ausländischer Mächte sein könnte. Ueber diese Frage müsse sich die
Commission klar werden, um dann einhellig etwaigen Rcclamntivnen widersprechen
zu können. Aus allen darüber gemachten Ausführungen des Herrn Abgeord¬
neten geht nur die Absicht hervor, die Frage klar zu legen und etwaige Ein-
sprnchsversuchc fernzuhalten. Wenn das offieiöse Organ nun demselben insinuirt,
uns Ausland appelliren zu wollen, so ist das ein Uebermaß von Gehässigkeit
und eine bewußte Entstellung. . . . Abg. v. Windthorst hat in der heutigen
Sitzung der Commission (6. December) Protest gegen diese Fälschung und diese
gehässige Insinuation erhoben, und die Commission hat einstimmig anerkannt,
daß die Vorgänge in der Commission in jenem Artikel der "Nvrdd. Allg. Zei-
tung" entstellt wiedergegeben worden sind." Nach einem andern Bericht er¬
folgte die Anerkennung durch Schweigen auf die Frage Windthorsts, ob irgend
ein Mitglied der Commission die von ihm dargelegte Sachlage für unrichtig halte.

Die "Nordd. Allgem. Zeitung" blieb hierauf die Antwort nicht schuldig.
Sie schilderte zunächst das oppositionelle Auftreten des Centrums in der letzten
Zeit gegenüber dem Entgegenkommen des Kanzlers und gab dann in Betreff
des Windthvrstschen Falles zu, daß sie in der Erregtheit ihres Nationalgefühls
zu lebhaft darüber geurtheilt. Hierauf erklärte sie diese Erregtheit in einem an¬
der" Artikel. Nachdem sie das Thatsächliche ihres ersten Berichts in allen wesent¬
lichen Zügen wiederholt, warf sie die Frage auf, was Herr Windthorst wohl
mit seiner Frage bezweckt haben möge, etwa eine wohlgemeinte vertrauliche War¬
nung für die Regierung, sich uicht in Ungelegenheiten mit dem Auslande zu
bringen? Eine solche Warnung wäre, wie das Blatt weiter ausführte, über¬
flüssig gewesen, da die Behauptung, das Ausland habe Rechte bezüglich unsrer
Binnenschifffahrt erworben, schon in den Neichstagsverhandlnngen des vorigen
Jahres ihre Rolle gespielt habe, und die Regierung, deren Umsicht in der aus¬
wärtigen Politik doch sonst anerkannt zu werden pflege, ganz sicher darüber
sein müsse, ob ein so ungeheuerliches Recht wie das zu einer Einschränkung der
deutscheu Reichshoheit betreffs der deutschen Flußschifffahrt von feiten der aus¬
wärtigen Mächte durch deu Vertrag von 1861 erworben worden sei oder uicht.
"Eine Regierung, die auf die Gefahr hin, mit sämmtlichen Unterzeichnern des
Staber Vertrages, also mit Oesterreich, Belgien, Brasilien, Dänemark, Spanien,
Frankreich, England, den Niederlanden, Portugal, Rußland und Schwede", in
unlösbare Conflicte zu gerathen, dem Reichstage solche Vorlagen, wie geschehen,
gemacht hätte, würde durch die Frivolität, mit welcher sie Deutschlands aus¬
wärtige Beziehungen aufs Spiel gesetzt, jedes Recht auf Vertrauen verwirkt
haben."


Die windthorstsche Affaire.

teilen Vlattcs beruhen auf den dreistesten Entstellungen der Vorgänge in der
Commission, die zur Berathung der Hamburger Vorlage eingesetzt ist. Der Ab¬
geordnete v. Windthorst hat in der Commission lediglich die Frage aufgeworfen,
ob die beabsichtigte Umgestaltung der Elbzollverhältnisse uicht Gegenstand der
Einsprache ausländischer Mächte sein könnte. Ueber diese Frage müsse sich die
Commission klar werden, um dann einhellig etwaigen Rcclamntivnen widersprechen
zu können. Aus allen darüber gemachten Ausführungen des Herrn Abgeord¬
neten geht nur die Absicht hervor, die Frage klar zu legen und etwaige Ein-
sprnchsversuchc fernzuhalten. Wenn das offieiöse Organ nun demselben insinuirt,
uns Ausland appelliren zu wollen, so ist das ein Uebermaß von Gehässigkeit
und eine bewußte Entstellung. . . . Abg. v. Windthorst hat in der heutigen
Sitzung der Commission (6. December) Protest gegen diese Fälschung und diese
gehässige Insinuation erhoben, und die Commission hat einstimmig anerkannt,
daß die Vorgänge in der Commission in jenem Artikel der »Nvrdd. Allg. Zei-
tung« entstellt wiedergegeben worden sind." Nach einem andern Bericht er¬
folgte die Anerkennung durch Schweigen auf die Frage Windthorsts, ob irgend
ein Mitglied der Commission die von ihm dargelegte Sachlage für unrichtig halte.

Die „Nordd. Allgem. Zeitung" blieb hierauf die Antwort nicht schuldig.
Sie schilderte zunächst das oppositionelle Auftreten des Centrums in der letzten
Zeit gegenüber dem Entgegenkommen des Kanzlers und gab dann in Betreff
des Windthvrstschen Falles zu, daß sie in der Erregtheit ihres Nationalgefühls
zu lebhaft darüber geurtheilt. Hierauf erklärte sie diese Erregtheit in einem an¬
der» Artikel. Nachdem sie das Thatsächliche ihres ersten Berichts in allen wesent¬
lichen Zügen wiederholt, warf sie die Frage auf, was Herr Windthorst wohl
mit seiner Frage bezweckt haben möge, etwa eine wohlgemeinte vertrauliche War¬
nung für die Regierung, sich uicht in Ungelegenheiten mit dem Auslande zu
bringen? Eine solche Warnung wäre, wie das Blatt weiter ausführte, über¬
flüssig gewesen, da die Behauptung, das Ausland habe Rechte bezüglich unsrer
Binnenschifffahrt erworben, schon in den Neichstagsverhandlnngen des vorigen
Jahres ihre Rolle gespielt habe, und die Regierung, deren Umsicht in der aus¬
wärtigen Politik doch sonst anerkannt zu werden pflege, ganz sicher darüber
sein müsse, ob ein so ungeheuerliches Recht wie das zu einer Einschränkung der
deutscheu Reichshoheit betreffs der deutschen Flußschifffahrt von feiten der aus¬
wärtigen Mächte durch deu Vertrag von 1861 erworben worden sei oder uicht.
„Eine Regierung, die auf die Gefahr hin, mit sämmtlichen Unterzeichnern des
Staber Vertrages, also mit Oesterreich, Belgien, Brasilien, Dänemark, Spanien,
Frankreich, England, den Niederlanden, Portugal, Rußland und Schwede», in
unlösbare Conflicte zu gerathen, dem Reichstage solche Vorlagen, wie geschehen,
gemacht hätte, würde durch die Frivolität, mit welcher sie Deutschlands aus¬
wärtige Beziehungen aufs Spiel gesetzt, jedes Recht auf Vertrauen verwirkt
haben."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/530>, abgerufen am 31.05.2024.