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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Aas der Zeit "ach dem Tilsiter Friede".

Wir bemerken hierzu, daß Götzen das Bad Cudova brauchen sollte, und
sodann, daß in Königsberg eine gewisse Mißstimmung gegen Grawert herrschte,
weil er deu Anmaßungen der französischen Behörden nicht immer mit der nö¬
thigen Würde entgegengetreten war. Sein Offizierscorps erging sich in bittern
Glossen über die Art und Weise, wie er mit den hervorragenden Persönlichkeiten
der fremden Armee gesellschaftlich verkehrte, bei Diners auf deren Toaste ein¬
ging, bei öffentlichen Festlichkeiten, die zur Verherrlichung der französischen Sicges-
gloire veranstaltet wurden, in ihrem Gefolge erschien und allerhand unnöthige
Höflichkeiten an sie verschwendete. Nach den Anordnungen, die der König traf,
wurde Götzen zwar dem in Breslau befindlichen Obercommando für jetzt unter¬
geordnet, zugleich aber übertrug ihm, wie wir gesehen, der König die volle Frei¬
heit und damit die Verantwortlichkeit des Handelns für den Fall, daß es zu
kriegerischen Ereignissen kam.

Welche Befehle Götzen sonst noch erhielt, ist zwar wegen Mangels an schrift¬
lichen Aufzeichnungen nicht festzustellen. Zweifellos aber ist anzunehmen, daß
mit seiner Sendung noch andre Absichten (die in der Ordre vom 23. Juli mit
"Meine Euch wohlbekannten Intentionen" angedeuteten) verfolgt wurden als
die in der Instruction bezeichneten. Finkensteins Urtheil erschien als nicht zuver¬
lässig; denn er war Sanguiniker und Optimist und hatte von dem Erfolg der
österreichischen Hceresreorganisation eine viel zu günstige Meinung. Der König
hatte schon oft an seiner Objectivitcit gezweifelt, und es mußte ihm deshalb darum
zu thun sein, den Stand der Dinge von einem andern Gewährsmanne Prüfen
zu lassen. Dazu aber war niemand geeigneter als Götzen, der mit den einflu߬
reichsten Persönlichkeiten der österreichischen Armee, namentlich auch mit deu Erz¬
herzogen Ferdinand, Johann und Maximilian, bekannt war, und dem es infolge
dessen nicht schwer fallen konnte, die genauesten Informationen einzuziehen.
Wenn Götzen, kaum am Orte seiner Bestimmung eingetroffen, einen Offizier
seines Stabes, den Major Lueey, nach Wien sandte, damit er sich unterrichte,
lvie weit die Kriegsbereitschaft gediehen sei und welche Entschlüsse in Betreff
der Beziehungen Oesterreichs zu Frankreich für die nächste Zeit bevorständen,
so ist in dieser Maßregel wohl die Folge einer von jenen "Intentionen" des
Königs zu erblicken.

Der Bericht Luceys an Götzen, datirt Wien, 30. August und französisch
abgefaßt, lautet in deutscher Uebersetzung:

"Alle Vorbereitungen, die man hier trifft, beweisen durchaus nichts als Furcht
bor dem Kriege, man ist sehr bedächtig in Bezug auf alles, was eine andre Idee
erzeugen könnte, die Befehle sind in Ausdrücken abgefaßt, die nur einen Sinu
haben können, die Revisoren studiren sie, und nichts, nicht das Mindeste deutet
einen Bruch von Seiten dieses Hofes an. Gleichwohl habe ich zu bemerken ge¬
glaubt, daß der große Erfolg der spanischen Nation die Stabilität des bisher be¬
folgten Systems erschüttert. Ich habe von verschiedenen Personen die Aeußerung
gehört, daß dieses Beispiel das schönste sei, das mau dem deutschen Volke geben


Aas der Zeit »ach dem Tilsiter Friede».

Wir bemerken hierzu, daß Götzen das Bad Cudova brauchen sollte, und
sodann, daß in Königsberg eine gewisse Mißstimmung gegen Grawert herrschte,
weil er deu Anmaßungen der französischen Behörden nicht immer mit der nö¬
thigen Würde entgegengetreten war. Sein Offizierscorps erging sich in bittern
Glossen über die Art und Weise, wie er mit den hervorragenden Persönlichkeiten
der fremden Armee gesellschaftlich verkehrte, bei Diners auf deren Toaste ein¬
ging, bei öffentlichen Festlichkeiten, die zur Verherrlichung der französischen Sicges-
gloire veranstaltet wurden, in ihrem Gefolge erschien und allerhand unnöthige
Höflichkeiten an sie verschwendete. Nach den Anordnungen, die der König traf,
wurde Götzen zwar dem in Breslau befindlichen Obercommando für jetzt unter¬
geordnet, zugleich aber übertrug ihm, wie wir gesehen, der König die volle Frei¬
heit und damit die Verantwortlichkeit des Handelns für den Fall, daß es zu
kriegerischen Ereignissen kam.

Welche Befehle Götzen sonst noch erhielt, ist zwar wegen Mangels an schrift¬
lichen Aufzeichnungen nicht festzustellen. Zweifellos aber ist anzunehmen, daß
mit seiner Sendung noch andre Absichten (die in der Ordre vom 23. Juli mit
„Meine Euch wohlbekannten Intentionen" angedeuteten) verfolgt wurden als
die in der Instruction bezeichneten. Finkensteins Urtheil erschien als nicht zuver¬
lässig; denn er war Sanguiniker und Optimist und hatte von dem Erfolg der
österreichischen Hceresreorganisation eine viel zu günstige Meinung. Der König
hatte schon oft an seiner Objectivitcit gezweifelt, und es mußte ihm deshalb darum
zu thun sein, den Stand der Dinge von einem andern Gewährsmanne Prüfen
zu lassen. Dazu aber war niemand geeigneter als Götzen, der mit den einflu߬
reichsten Persönlichkeiten der österreichischen Armee, namentlich auch mit deu Erz¬
herzogen Ferdinand, Johann und Maximilian, bekannt war, und dem es infolge
dessen nicht schwer fallen konnte, die genauesten Informationen einzuziehen.
Wenn Götzen, kaum am Orte seiner Bestimmung eingetroffen, einen Offizier
seines Stabes, den Major Lueey, nach Wien sandte, damit er sich unterrichte,
lvie weit die Kriegsbereitschaft gediehen sei und welche Entschlüsse in Betreff
der Beziehungen Oesterreichs zu Frankreich für die nächste Zeit bevorständen,
so ist in dieser Maßregel wohl die Folge einer von jenen „Intentionen" des
Königs zu erblicken.

Der Bericht Luceys an Götzen, datirt Wien, 30. August und französisch
abgefaßt, lautet in deutscher Uebersetzung:

„Alle Vorbereitungen, die man hier trifft, beweisen durchaus nichts als Furcht
bor dem Kriege, man ist sehr bedächtig in Bezug auf alles, was eine andre Idee
erzeugen könnte, die Befehle sind in Ausdrücken abgefaßt, die nur einen Sinu
haben können, die Revisoren studiren sie, und nichts, nicht das Mindeste deutet
einen Bruch von Seiten dieses Hofes an. Gleichwohl habe ich zu bemerken ge¬
glaubt, daß der große Erfolg der spanischen Nation die Stabilität des bisher be¬
folgten Systems erschüttert. Ich habe von verschiedenen Personen die Aeußerung
gehört, daß dieses Beispiel das schönste sei, das mau dem deutschen Volke geben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/61>, abgerufen am 29.05.2024.