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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Besitzt! des Chedive Ismail befindlichen Kanalaktien durchführte, begriffen weit¬
gehende Politiker, worauf er damit hinauswollte. Seitdem hat die englische
Politik dieses Ziel, gleichviel, ob Tones oder Whigs am Ruder waren, im Auge
behalten, und Gladstone wird es aller Wahrscheinlichkeit zufolge erreichen.
Wahrscheinlich sind schon Unterhandlungen zu dem Zivecke im Gange, die freie
Schifffahrt ans dem von Lesseps geschaffenen Kanäle unter den Schutz eines
europäischen Vertrags zu stellen. Denn bis jetzt ruhte das Recht der Benutzung
des Kanals ans einer sehr schwankenden Grundlage, d. h. auf der Auslegung
des vom Vizekvnig Said einer französischen Aktiengesellschaft erteilten nud vom
Sultan bestätigten Fermans ans dem Jahre 1856, wonach der Snezkcinal als
eine neutrale Fahrstraße für Handelsschiffe aller Nationen ohne Ausnahme und
Unterschied stets offen sein sollte. Dies war indeß in uicht vollkommen klaren
und unzweideutigen Worten ausgedrückt, svdnß sich aus der Urkunde auch Dinge
Heranslesen lassen, die den Engländern nnbegnem und gefährlich erscheinen. Um
diese Übelstände zu Paralysiren, müßten sie sich zu permanenter Besetzung des
Kanals entschließen. Sie sehen aber gegenwärtig keinen rechten Grund, wes¬
halb sie fortdauernd in verschiednen Punkten wie Port Said, Jsmaili und Suez
Garnisonen halten sollten, ja dies würde geradezu gegen den Geist der Glad-
stvneschcn Politik verstoßen. Der Zweck, den England in Bezug auf den Kanal
verfolgt, ist einfach folgender. Die Regierung will den "Graben" dnrch die
Landenge zmischen dem Mittelländischen und dem Roten Meere vertragsmäßig
zu einen: Meeresarme umgestalten, der von deu Fahrzeugen aller Flaggen zu
allen Zeiten und ohne irgendwelche Beschränkung passirt werden kann, jedoch
macht sie einen Borbehalt. Während festgesetzt werdeu soll, daß die Fahrt dnrch
den Kanal ebenso frei sein müsse, wie die durch den dcmischeu Sund, dnrch
den Kanal zwischen England nud Frankreich und dnrch die Meerenge von
Gibraltar, wird, wie die offiziöse ?Al1 Nu.11 (ZlÄMtte wissen will, von England
der Vorschlag gemacht werden, den Kanal und seine Einfahrten, d. h. auf eine
drei Meilen breite Strecke an seinem nördlichen und seinein südlichen Ende, allen
militärischen Operationen dnrch einen europäischen Bertrag unzugänglich zu macheu.
Kriegsschiffe,! aller Nationen, selbst solcher, die mit der Pforte Krieg führen
sollten, soll es freistehen, diese Straße zu passiren, aber sie solle" verpflichtet
sein, sich dabei aller Kriegsnkte zu enthalten, und es soll überhaupt innerhalb
des erwähnten drei Meilen breiten Raumes zu beiden Seiten des Kanals kein
solcher Alt vorgenommen werdeu dürsen. Die Landenge von Suez soll also
"eutrnl sein, sie soll uicht zum Kriegsschauplatze gemacht werden, sonst aber mit
ihren: Knual der Schifffahrt aller Art offen stehen. Eine solche Kombination
der Attribute eines freien Meeresarmes mit denen eines geschlossenen ist bereits
vor 82 Jahren vorgekommen, und zwar in Gestalt des sogenannten Claytvn-
Vnlwer-Vertrags, der die Neutralität des prvjektirten Pannmal'annis feststellte.
Die Anwendung der Bestimmungen dieses Traktats auf den Suezkanal würde


Besitzt! des Chedive Ismail befindlichen Kanalaktien durchführte, begriffen weit¬
gehende Politiker, worauf er damit hinauswollte. Seitdem hat die englische
Politik dieses Ziel, gleichviel, ob Tones oder Whigs am Ruder waren, im Auge
behalten, und Gladstone wird es aller Wahrscheinlichkeit zufolge erreichen.
Wahrscheinlich sind schon Unterhandlungen zu dem Zivecke im Gange, die freie
Schifffahrt ans dem von Lesseps geschaffenen Kanäle unter den Schutz eines
europäischen Vertrags zu stellen. Denn bis jetzt ruhte das Recht der Benutzung
des Kanals ans einer sehr schwankenden Grundlage, d. h. auf der Auslegung
des vom Vizekvnig Said einer französischen Aktiengesellschaft erteilten nud vom
Sultan bestätigten Fermans ans dem Jahre 1856, wonach der Snezkcinal als
eine neutrale Fahrstraße für Handelsschiffe aller Nationen ohne Ausnahme und
Unterschied stets offen sein sollte. Dies war indeß in uicht vollkommen klaren
und unzweideutigen Worten ausgedrückt, svdnß sich aus der Urkunde auch Dinge
Heranslesen lassen, die den Engländern nnbegnem und gefährlich erscheinen. Um
diese Übelstände zu Paralysiren, müßten sie sich zu permanenter Besetzung des
Kanals entschließen. Sie sehen aber gegenwärtig keinen rechten Grund, wes¬
halb sie fortdauernd in verschiednen Punkten wie Port Said, Jsmaili und Suez
Garnisonen halten sollten, ja dies würde geradezu gegen den Geist der Glad-
stvneschcn Politik verstoßen. Der Zweck, den England in Bezug auf den Kanal
verfolgt, ist einfach folgender. Die Regierung will den „Graben" dnrch die
Landenge zmischen dem Mittelländischen und dem Roten Meere vertragsmäßig
zu einen: Meeresarme umgestalten, der von deu Fahrzeugen aller Flaggen zu
allen Zeiten und ohne irgendwelche Beschränkung passirt werden kann, jedoch
macht sie einen Borbehalt. Während festgesetzt werdeu soll, daß die Fahrt dnrch
den Kanal ebenso frei sein müsse, wie die durch den dcmischeu Sund, dnrch
den Kanal zwischen England nud Frankreich und dnrch die Meerenge von
Gibraltar, wird, wie die offiziöse ?Al1 Nu.11 (ZlÄMtte wissen will, von England
der Vorschlag gemacht werden, den Kanal und seine Einfahrten, d. h. auf eine
drei Meilen breite Strecke an seinem nördlichen und seinein südlichen Ende, allen
militärischen Operationen dnrch einen europäischen Bertrag unzugänglich zu macheu.
Kriegsschiffe,! aller Nationen, selbst solcher, die mit der Pforte Krieg führen
sollten, soll es freistehen, diese Straße zu passiren, aber sie solle» verpflichtet
sein, sich dabei aller Kriegsnkte zu enthalten, und es soll überhaupt innerhalb
des erwähnten drei Meilen breiten Raumes zu beiden Seiten des Kanals kein
solcher Alt vorgenommen werdeu dürsen. Die Landenge von Suez soll also
»eutrnl sein, sie soll uicht zum Kriegsschauplatze gemacht werden, sonst aber mit
ihren: Knual der Schifffahrt aller Art offen stehen. Eine solche Kombination
der Attribute eines freien Meeresarmes mit denen eines geschlossenen ist bereits
vor 82 Jahren vorgekommen, und zwar in Gestalt des sogenannten Claytvn-
Vnlwer-Vertrags, der die Neutralität des prvjektirten Pannmal'annis feststellte.
Die Anwendung der Bestimmungen dieses Traktats auf den Suezkanal würde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/113>, abgerufen am 17.06.2024.