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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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fortwährend aus, um einen über die Finanzangelegenheiten Hinansreichenden
Einfluß auszuüben. Wenn die Ägypter daS im Dienste der Kontrole arbeitende
Heer rcichdotirter fränkischer Beamten sahen, mußten sie sich sagen, daß sie deren
Dienste bei viel weniger Gehalt ebensogut verrichten könnten. Die Eifersucht
der kontrolirenden Mächte auseinander verursachte, daß zahlreiche Stellen ge¬
raden doppelt besetzt wurden, weil die Engländer sich keinen Franzosen und
die Franzosen sich keinen Engländer auf dem betreffenden Posten gefallen lassen
wollten. Um den Gläubigern Ägyptens rasch große Summen abliefern zu können,
bewirkten die Kvntrvlenre, daß viele Hunderte von Offizieren plötzlich auf Hnlb-
sold gesetzt wurden und daß man ihnen ihre Gehaltsriickstände vorenthielt. Ans
dieselben Einflüsse wird die sogenannte Monkabnla-Operation zurückgeführt, durch
welche die Fellahin, die man zur Zahlung einer bestimmten Summe einlud,
wogegen sie künftig nnr die Hälfte der Grundsteuer entrichten sollten, nur über
240 Millionen Mark geprellt wurden. Endlich widerstrebte die Kontrvlver-
waltnng dem Verlangen der ägyptischen Notabelnversammlung, in das Budget
für die eignen Bedürfnisse des Landes Einsicht nehmen zu dürfen.

Das sind in England so bekannte Dinge, daß selbst der Minister Fawcett
vorige Woche in einer öffentlichen Rede sagte, "wils anch immer das Maß der
künftigen Kontrole Enropas über Ägypten sein werde, die Mißbräuche der frühern
würden sich bestimmt nicht wiederholen und das ägyptische Volk nicht mehr die
Ungerechtigkeit zu tragen haben, einen großen Teil des Landescinkvmmens in
die Taschen fremder Beamten wandern zu sehen." Die Franzosen sträuben sich
mit Macht gegen ihre Verdrängung aus der Kontrole, aber vielleicht gelingt
es bald, sie auf andre Gedanken zu bringen und durch Zugeständnisse ans
andern Gebieten zu beschwichtigen. In Tunis möchte die französische Regierung
die "Kapitulation" beseitigt wissen. England hat wie andre Mächte mit dein
Bey wie mit dem Sultan gewisse Verträge abgeschlossen, nach welchen die in
deren Landen ansässigen Engländer in Zivil- und Kriminalprozessen nicht von den
einheimischen Behörden, sondern von ihrem Konsul abgeurteilt und die Einfuhr¬
zölle nicht ohne EiiNvilligung Englands erhöht werden sollten. Diese Veschrnnknngen
sind den Franzosen, nachdem sie sich faktisch zu Herren von Tunis gemacht haben,
sehr unbequem, und so verhandelt das Auswärtige Amt in Paris mit den Mächten
über deren Beseitigung. In Ägypten sind derartige Privilegien durch die inter¬
nationalen Gerichtshöfe ersetzt worden, in Tunis aber wollen die Franzosen in
Zukunft nur "tunesische," d. h. in xraxi französische Richter haben, und hierin
kann ihnen Lord Grnnville gefällig sein, wenn sie in Ägypten befriedigende Zu¬
geständnisse macheu. Auch in Madagaskar, wo sich dentlich die Nebenbuhler¬
schaft Frankreichs und Englands zu einem Streite zugespitzt hat, kaun letzteres
etwas zur Kompensation abgeben.

Die Hauptsache ist dem Ministerium Gladstone unstreitig der Suezkanal.
Als Benjamin Disraeli Ende 1875 den großen Coup mit dein Ankaufe der im


fortwährend aus, um einen über die Finanzangelegenheiten Hinansreichenden
Einfluß auszuüben. Wenn die Ägypter daS im Dienste der Kontrole arbeitende
Heer rcichdotirter fränkischer Beamten sahen, mußten sie sich sagen, daß sie deren
Dienste bei viel weniger Gehalt ebensogut verrichten könnten. Die Eifersucht
der kontrolirenden Mächte auseinander verursachte, daß zahlreiche Stellen ge¬
raden doppelt besetzt wurden, weil die Engländer sich keinen Franzosen und
die Franzosen sich keinen Engländer auf dem betreffenden Posten gefallen lassen
wollten. Um den Gläubigern Ägyptens rasch große Summen abliefern zu können,
bewirkten die Kvntrvlenre, daß viele Hunderte von Offizieren plötzlich auf Hnlb-
sold gesetzt wurden und daß man ihnen ihre Gehaltsriickstände vorenthielt. Ans
dieselben Einflüsse wird die sogenannte Monkabnla-Operation zurückgeführt, durch
welche die Fellahin, die man zur Zahlung einer bestimmten Summe einlud,
wogegen sie künftig nnr die Hälfte der Grundsteuer entrichten sollten, nur über
240 Millionen Mark geprellt wurden. Endlich widerstrebte die Kontrvlver-
waltnng dem Verlangen der ägyptischen Notabelnversammlung, in das Budget
für die eignen Bedürfnisse des Landes Einsicht nehmen zu dürfen.

Das sind in England so bekannte Dinge, daß selbst der Minister Fawcett
vorige Woche in einer öffentlichen Rede sagte, „wils anch immer das Maß der
künftigen Kontrole Enropas über Ägypten sein werde, die Mißbräuche der frühern
würden sich bestimmt nicht wiederholen und das ägyptische Volk nicht mehr die
Ungerechtigkeit zu tragen haben, einen großen Teil des Landescinkvmmens in
die Taschen fremder Beamten wandern zu sehen." Die Franzosen sträuben sich
mit Macht gegen ihre Verdrängung aus der Kontrole, aber vielleicht gelingt
es bald, sie auf andre Gedanken zu bringen und durch Zugeständnisse ans
andern Gebieten zu beschwichtigen. In Tunis möchte die französische Regierung
die „Kapitulation" beseitigt wissen. England hat wie andre Mächte mit dein
Bey wie mit dem Sultan gewisse Verträge abgeschlossen, nach welchen die in
deren Landen ansässigen Engländer in Zivil- und Kriminalprozessen nicht von den
einheimischen Behörden, sondern von ihrem Konsul abgeurteilt und die Einfuhr¬
zölle nicht ohne EiiNvilligung Englands erhöht werden sollten. Diese Veschrnnknngen
sind den Franzosen, nachdem sie sich faktisch zu Herren von Tunis gemacht haben,
sehr unbequem, und so verhandelt das Auswärtige Amt in Paris mit den Mächten
über deren Beseitigung. In Ägypten sind derartige Privilegien durch die inter¬
nationalen Gerichtshöfe ersetzt worden, in Tunis aber wollen die Franzosen in
Zukunft nur „tunesische," d. h. in xraxi französische Richter haben, und hierin
kann ihnen Lord Grnnville gefällig sein, wenn sie in Ägypten befriedigende Zu¬
geständnisse macheu. Auch in Madagaskar, wo sich dentlich die Nebenbuhler¬
schaft Frankreichs und Englands zu einem Streite zugespitzt hat, kaun letzteres
etwas zur Kompensation abgeben.

Die Hauptsache ist dem Ministerium Gladstone unstreitig der Suezkanal.
Als Benjamin Disraeli Ende 1875 den großen Coup mit dein Ankaufe der im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/112>, abgerufen am 17.06.2024.