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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Konkurrenzen in der Erklärung der deutschen Familiennamen.

bewegt und hält; 2. diejenigen Namen, welche teils derselben Klasse angehören,
teils zik den Beinamen gerechnet werden können; 3. Namen, die nur als Bei¬
name" verständlich sind oder zu sein scheinen.

Während die erste Klasse lediglich ein sprachliches lind sprachgeschichtliches
Studium erfordert, müssen für die Untersuchung und das Verständnis von Namen
der beiden andern Klassen außerdem uoch andre, besonders logische und ästhe¬
tische, Verhältnisse in Anspruch genommen werden. Ob z. B. der Name Ehlers
gleich Adlers (^äiütmrcl) oder gleich Elters (^litura) sei, ist eine Frage,
deren mögliche oder unmögliche Beantwortung allein von sprachhistorischen Gründen
abhängt. Was dagegen der Name Bierhals bedeute, ob er mit Bier und
Hals znsaimnengesetzt sei, oder vielmehr, mit patronymischem s und eingescho¬
benen h versehen, die in alten Namen überaus geläufige Silbe -viel, -alni ent¬
halte, deren auslautender Kousvnant vor dem s sehr oft abfällt, ferner zu¬
gleich eins der vielen Beispiele sei. wo sich Ber- in Bier- verwandelt hat
(vgl. Bierlich, Bieruoth, Bierbaum. Bierwald, Bierig, Biertz, Bie-
nuig, Vierung) und demgemäß aus Lvralä, Lsrolä (Bärwald, Beerhold)
erklärt werden müsse: das verlangt, wenn man sich bemüht, aus der Verbindung
jener beiden appellativen Wörter einen erträglichen Sinn (Hals, der viel Bier
schluckt?) zu gewinnen, nicht geringe Überlegung, während für die Deutung aus
dem alten Persvuuamen die dargelegten verschiedenartigen Lantverhciltuisse allem
Maßgebend siud. Oder man nehme eiuen Namen der dritten Klasse, Buscu-
banm, worunter sich Vilmar eiuen Stammbcuun gedacht hat, weil ihm die an¬
grenzenden Namen Buscbaum, Busboom, Buxbaum schwerlich bekannt oder
gegenwärtig waren; schou im Mittelalter war Buchsbaum häufiger Schmeichel-
uame, aber die seltsame Beziehung von Brum ans Busen hat zu keiner Zeit
ein Wort der Sprache erzeugt, und Stammbaum wäre überdies ein zu einem
Namen wenig geeigneter Begriff.




Die ursprünglichen Einzelnamcu, d. h. diejenigen nennen, welche sich nicht
"uf Mitglieder der Familie erstrecken, vielmehr bloß das Individuum betreffen,
Chören nicht ausschließlich der alten deutschen Sprache a", sondern ein Teil
derselben ist später vornehmlich durch das Christentum ans der Fremde einge¬
führt worden, z. B. Andreas, Johannes, Georg, Martin. Beiderlei
Namen, deren Grundcharakter, allgemeiner und besondrer Unterschied in diesem
Augenblicke unerörtert bleiben muß, dürfen hier um so eher, wenn auch nicht willkür¬
lich und unordentlich vermischt, so doch im Zusammenhange, neben und nach einander
auftreten, als es bei der Namenforschung überhaupt am wesentlichsten darauf
ankommt, stets im Auge zu behalten, daß die deutschen Geschlechtsnamen, deren
"uf die verschiedenartigste" und verwickeltsten Gesichtspunkte gegründete Son¬
derling in eine Menge von Abteilungen und Unterabteilungen der darauf an-


Konkurrenzen in der Erklärung der deutschen Familiennamen.

bewegt und hält; 2. diejenigen Namen, welche teils derselben Klasse angehören,
teils zik den Beinamen gerechnet werden können; 3. Namen, die nur als Bei¬
name» verständlich sind oder zu sein scheinen.

Während die erste Klasse lediglich ein sprachliches lind sprachgeschichtliches
Studium erfordert, müssen für die Untersuchung und das Verständnis von Namen
der beiden andern Klassen außerdem uoch andre, besonders logische und ästhe¬
tische, Verhältnisse in Anspruch genommen werden. Ob z. B. der Name Ehlers
gleich Adlers (^äiütmrcl) oder gleich Elters (^litura) sei, ist eine Frage,
deren mögliche oder unmögliche Beantwortung allein von sprachhistorischen Gründen
abhängt. Was dagegen der Name Bierhals bedeute, ob er mit Bier und
Hals znsaimnengesetzt sei, oder vielmehr, mit patronymischem s und eingescho¬
benen h versehen, die in alten Namen überaus geläufige Silbe -viel, -alni ent¬
halte, deren auslautender Kousvnant vor dem s sehr oft abfällt, ferner zu¬
gleich eins der vielen Beispiele sei. wo sich Ber- in Bier- verwandelt hat
(vgl. Bierlich, Bieruoth, Bierbaum. Bierwald, Bierig, Biertz, Bie-
nuig, Vierung) und demgemäß aus Lvralä, Lsrolä (Bärwald, Beerhold)
erklärt werden müsse: das verlangt, wenn man sich bemüht, aus der Verbindung
jener beiden appellativen Wörter einen erträglichen Sinn (Hals, der viel Bier
schluckt?) zu gewinnen, nicht geringe Überlegung, während für die Deutung aus
dem alten Persvuuamen die dargelegten verschiedenartigen Lantverhciltuisse allem
Maßgebend siud. Oder man nehme eiuen Namen der dritten Klasse, Buscu-
banm, worunter sich Vilmar eiuen Stammbcuun gedacht hat, weil ihm die an¬
grenzenden Namen Buscbaum, Busboom, Buxbaum schwerlich bekannt oder
gegenwärtig waren; schou im Mittelalter war Buchsbaum häufiger Schmeichel-
uame, aber die seltsame Beziehung von Brum ans Busen hat zu keiner Zeit
ein Wort der Sprache erzeugt, und Stammbaum wäre überdies ein zu einem
Namen wenig geeigneter Begriff.




Die ursprünglichen Einzelnamcu, d. h. diejenigen nennen, welche sich nicht
"uf Mitglieder der Familie erstrecken, vielmehr bloß das Individuum betreffen,
Chören nicht ausschließlich der alten deutschen Sprache a», sondern ein Teil
derselben ist später vornehmlich durch das Christentum ans der Fremde einge¬
führt worden, z. B. Andreas, Johannes, Georg, Martin. Beiderlei
Namen, deren Grundcharakter, allgemeiner und besondrer Unterschied in diesem
Augenblicke unerörtert bleiben muß, dürfen hier um so eher, wenn auch nicht willkür¬
lich und unordentlich vermischt, so doch im Zusammenhange, neben und nach einander
auftreten, als es bei der Namenforschung überhaupt am wesentlichsten darauf
ankommt, stets im Auge zu behalten, daß die deutschen Geschlechtsnamen, deren
"uf die verschiedenartigste» und verwickeltsten Gesichtspunkte gegründete Son¬
derling in eine Menge von Abteilungen und Unterabteilungen der darauf an-


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[0119] Konkurrenzen in der Erklärung der deutschen Familiennamen. bewegt und hält; 2. diejenigen Namen, welche teils derselben Klasse angehören, teils zik den Beinamen gerechnet werden können; 3. Namen, die nur als Bei¬ name» verständlich sind oder zu sein scheinen. Während die erste Klasse lediglich ein sprachliches lind sprachgeschichtliches Studium erfordert, müssen für die Untersuchung und das Verständnis von Namen der beiden andern Klassen außerdem uoch andre, besonders logische und ästhe¬ tische, Verhältnisse in Anspruch genommen werden. Ob z. B. der Name Ehlers gleich Adlers (^äiütmrcl) oder gleich Elters (^litura) sei, ist eine Frage, deren mögliche oder unmögliche Beantwortung allein von sprachhistorischen Gründen abhängt. Was dagegen der Name Bierhals bedeute, ob er mit Bier und Hals znsaimnengesetzt sei, oder vielmehr, mit patronymischem s und eingescho¬ benen h versehen, die in alten Namen überaus geläufige Silbe -viel, -alni ent¬ halte, deren auslautender Kousvnant vor dem s sehr oft abfällt, ferner zu¬ gleich eins der vielen Beispiele sei. wo sich Ber- in Bier- verwandelt hat (vgl. Bierlich, Bieruoth, Bierbaum. Bierwald, Bierig, Biertz, Bie- nuig, Vierung) und demgemäß aus Lvralä, Lsrolä (Bärwald, Beerhold) erklärt werden müsse: das verlangt, wenn man sich bemüht, aus der Verbindung jener beiden appellativen Wörter einen erträglichen Sinn (Hals, der viel Bier schluckt?) zu gewinnen, nicht geringe Überlegung, während für die Deutung aus dem alten Persvuuamen die dargelegten verschiedenartigen Lantverhciltuisse allem Maßgebend siud. Oder man nehme eiuen Namen der dritten Klasse, Buscu- banm, worunter sich Vilmar eiuen Stammbcuun gedacht hat, weil ihm die an¬ grenzenden Namen Buscbaum, Busboom, Buxbaum schwerlich bekannt oder gegenwärtig waren; schou im Mittelalter war Buchsbaum häufiger Schmeichel- uame, aber die seltsame Beziehung von Brum ans Busen hat zu keiner Zeit ein Wort der Sprache erzeugt, und Stammbaum wäre überdies ein zu einem Namen wenig geeigneter Begriff. Die ursprünglichen Einzelnamcu, d. h. diejenigen nennen, welche sich nicht "uf Mitglieder der Familie erstrecken, vielmehr bloß das Individuum betreffen, Chören nicht ausschließlich der alten deutschen Sprache a», sondern ein Teil derselben ist später vornehmlich durch das Christentum ans der Fremde einge¬ führt worden, z. B. Andreas, Johannes, Georg, Martin. Beiderlei Namen, deren Grundcharakter, allgemeiner und besondrer Unterschied in diesem Augenblicke unerörtert bleiben muß, dürfen hier um so eher, wenn auch nicht willkür¬ lich und unordentlich vermischt, so doch im Zusammenhange, neben und nach einander auftreten, als es bei der Namenforschung überhaupt am wesentlichsten darauf ankommt, stets im Auge zu behalten, daß die deutschen Geschlechtsnamen, deren "uf die verschiedenartigste» und verwickeltsten Gesichtspunkte gegründete Son¬ derling in eine Menge von Abteilungen und Unterabteilungen der darauf an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/119>, abgerufen am 17.06.2024.