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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Acme und Anno Mischer.

tisches Motiv, und dieses Motiv macht ihn zum Giftverordner. Die direkten
Personalsteuern, zniual in hohem Betrag und und Unterscheidung der Einkommens¬
quellen und Höherbelastung einiger Arten derselben, mögen der öffentliche": Mei¬
nung eine Zeit lang plausibel gemacht werden; in der Ausführung wälzen sie
jederzeit und jelänger jemehr eine Flut von Uupopularität auf die Regie¬
rung. Sie können nur wachsen mittelst der sogenannten Steuerschraube, und
die Regierung muß ängstlich sein mit der Anziehung dieser Schraube. Sie sind
daher ein Mittel, die Regierung zu lähmen und abhängig zu machen von dein
Parlament, das allenfalls Hilfe bringen kann.

Aber an diesem Gift stirbt der Liberalismus selbst. Es schwächt deu na¬
tionalen Staat uicht bloß gegen die Liberalen, sondern gegen alle seine Feinde.
Es schwächt die Popularität der liberalen Führer dnrch die bei der Ausführung
sich ergebende Uupopularität der Maßregel. Es entzweit die sozialen Elemente,
in denen der Liberalismus seine Stütze hat, untereinander und mit deu: Staat.

Welches Gift die agrarisch-konservative Partei, die mit der Verfolgung des
mobilen Kapitals den Liberalismus zu treffen meint, allen ihren wahren Zielen
und Lebenselementen beibringt, ist wohl einer besonderen Allsführung wert, die
aber in dein Raum des heutigen Briefes nicht mehr gegeben werden kann.

Dagegen würde die klerikale Partei vou der Verfolgung des mobilen Kapitals,
wenn sie die Regierung und die konservative Partei dazu verleiten könnte, den
größten Nutzen ziehen. Sie würde beide auf lauge Zeit verfeinden mit der breiten
Schicht des gewerblich und geistig produktiven Mittelstandes, ans welcher der
preußische Staat und die protestantische Bildung ruhen. Der Staat müßte sich
der Hierarchie in die Arme werfen, und die evangelisch-konservative Partei wäre
nur noch ein schwaches Anhängsel der Hierarchie. Von der sich selbst aufhebenden
Ungereimtheit ihrer jetzigen sozial-politischen Forderungen würde sich die Hier¬
archie, die bekanntlich mit manchen Schichten der Demokratie gute Fühlung hat,
zur rechte" Zeit lind im rechten Umfange zu dispensiren wissen.




Kant und Kuno Fischer.

le neueste Auflage vou Kuno Fischers Geschichte der neuern Philo¬
sophie ist in der zweiten Hälfte des dritten Bandes der Kritik
der reinen Vernunft von Immanuel Kant gewidmet; am Schluß
der Darstellung dieses Fuudamentalwerkes des großen Philo¬
sophen bringt K. Fischer endlich eine Kritik der Lehre desselben,
und nun höre man und staune: auch er zeiht Kant uicht nur des Widerspruches


Acme und Anno Mischer.

tisches Motiv, und dieses Motiv macht ihn zum Giftverordner. Die direkten
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quellen und Höherbelastung einiger Arten derselben, mögen der öffentliche«: Mei¬
nung eine Zeit lang plausibel gemacht werden; in der Ausführung wälzen sie
jederzeit und jelänger jemehr eine Flut von Uupopularität auf die Regie¬
rung. Sie können nur wachsen mittelst der sogenannten Steuerschraube, und
die Regierung muß ängstlich sein mit der Anziehung dieser Schraube. Sie sind
daher ein Mittel, die Regierung zu lähmen und abhängig zu machen von dein
Parlament, das allenfalls Hilfe bringen kann.

Aber an diesem Gift stirbt der Liberalismus selbst. Es schwächt deu na¬
tionalen Staat uicht bloß gegen die Liberalen, sondern gegen alle seine Feinde.
Es schwächt die Popularität der liberalen Führer dnrch die bei der Ausführung
sich ergebende Uupopularität der Maßregel. Es entzweit die sozialen Elemente,
in denen der Liberalismus seine Stütze hat, untereinander und mit deu: Staat.

Welches Gift die agrarisch-konservative Partei, die mit der Verfolgung des
mobilen Kapitals den Liberalismus zu treffen meint, allen ihren wahren Zielen
und Lebenselementen beibringt, ist wohl einer besonderen Allsführung wert, die
aber in dein Raum des heutigen Briefes nicht mehr gegeben werden kann.

Dagegen würde die klerikale Partei vou der Verfolgung des mobilen Kapitals,
wenn sie die Regierung und die konservative Partei dazu verleiten könnte, den
größten Nutzen ziehen. Sie würde beide auf lauge Zeit verfeinden mit der breiten
Schicht des gewerblich und geistig produktiven Mittelstandes, ans welcher der
preußische Staat und die protestantische Bildung ruhen. Der Staat müßte sich
der Hierarchie in die Arme werfen, und die evangelisch-konservative Partei wäre
nur noch ein schwaches Anhängsel der Hierarchie. Von der sich selbst aufhebenden
Ungereimtheit ihrer jetzigen sozial-politischen Forderungen würde sich die Hier¬
archie, die bekanntlich mit manchen Schichten der Demokratie gute Fühlung hat,
zur rechte» Zeit lind im rechten Umfange zu dispensiren wissen.




Kant und Kuno Fischer.

le neueste Auflage vou Kuno Fischers Geschichte der neuern Philo¬
sophie ist in der zweiten Hälfte des dritten Bandes der Kritik
der reinen Vernunft von Immanuel Kant gewidmet; am Schluß
der Darstellung dieses Fuudamentalwerkes des großen Philo¬
sophen bringt K. Fischer endlich eine Kritik der Lehre desselben,
und nun höre man und staune: auch er zeiht Kant uicht nur des Widerspruches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/14>, abgerufen am 26.05.2024.