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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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<Line neue Ergänzung der inilonischen Venus.

nicht leicht jemand voraussetzen, der Name Rhodius, der als Oüroäws (Uroclio)
schon im 8. Jahrhundert begegnet und als Rhode. Rohde zu verstehen ist,
gleiche auch der Bedeutung uach dem Beinamen, den jener alte Schriftsteller
Apollomus von seinem längern Aufenthalte auf der Insel Rhodus erhalten hat.
Aber Clodius und Claudius werden sicherlich von der Mehrzahl derjenigen,
welche in der römischen Geschichte besser als in der deutschen Namenkunde Be¬
scheid wissen, auf die gleichlautenden römischen Namen bezogen, während in
Wirklichkeit beide nebst Cludius nichts als die latinisirten Formen von
Vnlväio und Oluäio (Hloä, Hluä) sind. Wenn der Vorname Lucia, Lucie
an der untern Weser und im Jeverlnude, wie vou dort her berichtet wird, in
den meisten Fällen als feinerer Stellvertreter des Feminins Lücke zu verstehen
ist, so darf in Betreff des Familiennamens Lucius mit gleichem Grnnde ver¬
mutet werden, daß er nicht römisch sei, vielmehr ans Latinisirung von Lutze,
Lutz, Luz (Moa und Loa) beruhe. Die beiden Geschlechtsnamen Mut ins
und Mucius, bei denen man sich oberflächlich an den gleichklingenden römischen
Namen erinnern läßt, können ursprünglich Muth und Mütz sein; da sie sich
in der Aussprache nicht unterscheiden, genügt vielleicht eine einzige deutsche Form.
Bei dem Name" Curtius, der gewiß uicht vou der Römerzeit her behalten ist,
hat man, was die deutsche Quelle betrifft, zwischen Curt (Konrad) und Kurz
die Wahl, darf sich anch anf beide zugleich beziehe".




Eine neue Ergänzung der nnlonischen Venus,

und die Wissenschaft verfällt, sowie ihre Ergebnisse und Fände
in die Massen dringen, der Mode. Das neueste ist immer modern-
Selbst die Altertumswissenschaft macht davon keine Ausnahme:
die "neueste Antike" -- lächerliche voudra-älvtlv! -- erfreut sich
stets des größte" Beifalls. Zu Anfang dieses Jahrhunderts do-
minirte der Apoll vom Belvedere und die Diana von Versailles. Als 1320
die milonische Venus gefunden wurde, machte sie bald dem schönen Paare Kon¬
kurrenz. Aber auch sie wurde in der Gunst des Publikums wieder verdrängt
durch die sogenannte Clytia, und diese wiederum hat nenerdings dem olym¬
pischen Hermes weichen müssen, dessen Abgüsse jetzt zu Dutzenden in den Schan-
W'stern unsrer Kunst- und Luxushandlungen zu sehen sind.

In der wirklichen Wissenschaft freilich sind die Erscheinungen nicht so schnell
abgethm,; die Wissenschaft kehrt, wenn auch die neuentdeckten Schätze sich noch


<Line neue Ergänzung der inilonischen Venus.

nicht leicht jemand voraussetzen, der Name Rhodius, der als Oüroäws (Uroclio)
schon im 8. Jahrhundert begegnet und als Rhode. Rohde zu verstehen ist,
gleiche auch der Bedeutung uach dem Beinamen, den jener alte Schriftsteller
Apollomus von seinem längern Aufenthalte auf der Insel Rhodus erhalten hat.
Aber Clodius und Claudius werden sicherlich von der Mehrzahl derjenigen,
welche in der römischen Geschichte besser als in der deutschen Namenkunde Be¬
scheid wissen, auf die gleichlautenden römischen Namen bezogen, während in
Wirklichkeit beide nebst Cludius nichts als die latinisirten Formen von
Vnlväio und Oluäio (Hloä, Hluä) sind. Wenn der Vorname Lucia, Lucie
an der untern Weser und im Jeverlnude, wie vou dort her berichtet wird, in
den meisten Fällen als feinerer Stellvertreter des Feminins Lücke zu verstehen
ist, so darf in Betreff des Familiennamens Lucius mit gleichem Grnnde ver¬
mutet werden, daß er nicht römisch sei, vielmehr ans Latinisirung von Lutze,
Lutz, Luz (Moa und Loa) beruhe. Die beiden Geschlechtsnamen Mut ins
und Mucius, bei denen man sich oberflächlich an den gleichklingenden römischen
Namen erinnern läßt, können ursprünglich Muth und Mütz sein; da sie sich
in der Aussprache nicht unterscheiden, genügt vielleicht eine einzige deutsche Form.
Bei dem Name» Curtius, der gewiß uicht vou der Römerzeit her behalten ist,
hat man, was die deutsche Quelle betrifft, zwischen Curt (Konrad) und Kurz
die Wahl, darf sich anch anf beide zugleich beziehe«.




Eine neue Ergänzung der nnlonischen Venus,

und die Wissenschaft verfällt, sowie ihre Ergebnisse und Fände
in die Massen dringen, der Mode. Das neueste ist immer modern-
Selbst die Altertumswissenschaft macht davon keine Ausnahme:
die „neueste Antike" — lächerliche voudra-älvtlv! — erfreut sich
stets des größte« Beifalls. Zu Anfang dieses Jahrhunderts do-
minirte der Apoll vom Belvedere und die Diana von Versailles. Als 1320
die milonische Venus gefunden wurde, machte sie bald dem schönen Paare Kon¬
kurrenz. Aber auch sie wurde in der Gunst des Publikums wieder verdrängt
durch die sogenannte Clytia, und diese wiederum hat nenerdings dem olym¬
pischen Hermes weichen müssen, dessen Abgüsse jetzt zu Dutzenden in den Schan-
W'stern unsrer Kunst- und Luxushandlungen zu sehen sind.

In der wirklichen Wissenschaft freilich sind die Erscheinungen nicht so schnell
abgethm,; die Wissenschaft kehrt, wenn auch die neuentdeckten Schätze sich noch


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[0179] <Line neue Ergänzung der inilonischen Venus. nicht leicht jemand voraussetzen, der Name Rhodius, der als Oüroäws (Uroclio) schon im 8. Jahrhundert begegnet und als Rhode. Rohde zu verstehen ist, gleiche auch der Bedeutung uach dem Beinamen, den jener alte Schriftsteller Apollomus von seinem längern Aufenthalte auf der Insel Rhodus erhalten hat. Aber Clodius und Claudius werden sicherlich von der Mehrzahl derjenigen, welche in der römischen Geschichte besser als in der deutschen Namenkunde Be¬ scheid wissen, auf die gleichlautenden römischen Namen bezogen, während in Wirklichkeit beide nebst Cludius nichts als die latinisirten Formen von Vnlväio und Oluäio (Hloä, Hluä) sind. Wenn der Vorname Lucia, Lucie an der untern Weser und im Jeverlnude, wie vou dort her berichtet wird, in den meisten Fällen als feinerer Stellvertreter des Feminins Lücke zu verstehen ist, so darf in Betreff des Familiennamens Lucius mit gleichem Grnnde ver¬ mutet werden, daß er nicht römisch sei, vielmehr ans Latinisirung von Lutze, Lutz, Luz (Moa und Loa) beruhe. Die beiden Geschlechtsnamen Mut ins und Mucius, bei denen man sich oberflächlich an den gleichklingenden römischen Namen erinnern läßt, können ursprünglich Muth und Mütz sein; da sie sich in der Aussprache nicht unterscheiden, genügt vielleicht eine einzige deutsche Form. Bei dem Name» Curtius, der gewiß uicht vou der Römerzeit her behalten ist, hat man, was die deutsche Quelle betrifft, zwischen Curt (Konrad) und Kurz die Wahl, darf sich anch anf beide zugleich beziehe«. Eine neue Ergänzung der nnlonischen Venus, und die Wissenschaft verfällt, sowie ihre Ergebnisse und Fände in die Massen dringen, der Mode. Das neueste ist immer modern- Selbst die Altertumswissenschaft macht davon keine Ausnahme: die „neueste Antike" — lächerliche voudra-älvtlv! — erfreut sich stets des größte« Beifalls. Zu Anfang dieses Jahrhunderts do- minirte der Apoll vom Belvedere und die Diana von Versailles. Als 1320 die milonische Venus gefunden wurde, machte sie bald dem schönen Paare Kon¬ kurrenz. Aber auch sie wurde in der Gunst des Publikums wieder verdrängt durch die sogenannte Clytia, und diese wiederum hat nenerdings dem olym¬ pischen Hermes weichen müssen, dessen Abgüsse jetzt zu Dutzenden in den Schan- W'stern unsrer Kunst- und Luxushandlungen zu sehen sind. In der wirklichen Wissenschaft freilich sind die Erscheinungen nicht so schnell abgethm,; die Wissenschaft kehrt, wenn auch die neuentdeckten Schätze sich noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/179>, abgerufen am 17.06.2024.