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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Epilog zum L>arfifal.

Hier war das Tosen,
Waffen, wilde Rüfel

oder:


Kannst du uns nicht lieben und minnen,
Wir welken und sterben dahinnen.

oder:


So ward es uns verhießen,
So segne ich dein Haupt u. s. w.

Wem wurden gesuchte und unklare Textstellen wie die folgenden ungerügt bleiben:


Da deines Krautes Kraft,
Wie schwer er's auch errungen,
Doch deine Hoffnung trog,
Hat er auf neue Sucht sich fortgeschwungen

oder:

Wohl traf ich Wunderblumen an,
Die bis zum Haupte süchtig mich umrankten

oder:


Wer mochte dir es wehren,
Den Zaubrer zu beheereu?

Wem Derbheiten wie:


(Klingsor zu Kundry)
Sag', wo treibst du dich wieder umher?
Pfui! dort bei der Ritter Gesipp,
Wo wie ein Vieh du dich halten läßt?

oder:


(Gurnemanz zu Parsifal)
Laß du hier künftig die Schwäne in Nuh',
Und suche dir, Gänser, die Gans!'

wie welchen geistvoll schönen Worten der erste Akt schließt?

Zahlreicher aber noch als die Sünden gegen die Sprnchgesetze, sind die
gegen die Gesetze der Tonkunst. Jeder große Meister der Musik hat sich unter
Umständen Freiheiten den strengen Regeln der Harmonie, des Satzes und der Form
Legenüber gestattet; er hat wohl auch einmal die Form, wenn höhere Gesichts¬
punkte ihn dazu veranlaßten, zerbrochen. Keiner aber hat wie ein rasender Roland
mit rohen Faust- oder wilden Schwertschlägen mutwillig zertrümmert. Mag
'Rau uns beschuldigen, abgethane Dinge und veraltete Anschauungen zu ver¬
teidigen, aber gegen die ewigen Gesetze der Kunst kann man wohl in frechem
vermute sich auflehnen, geringschätzend und verächtlich über sie sich hinwegsetzen,
beseitigen wird man sie nimmermehr. Immer wieder wird man in letzter Linie
Kunstwerk nach dem Neichtume und der Mannichfaltigkeit der darin nieder¬
legten Ideen, dem Werte und der Bedeutung der dasselbe erfüllenden Ge¬
danken, der Art, wie sie geordnet und entwickelt sind und wie sie sich klar und
faßlich darstellen, beurteilen müssen. Ob ihre äußere Erscheinung eine glänzendere
oder effektvollere ist, ihre Ausführung größere oder geringere Mittel beansprucht,
euie beabsichtigte Wirkung durch eine Stimme oder deren tausende erreicht wird,


Grenzboten IV. 1882. 24
Epilog zum L>arfifal.

Hier war das Tosen,
Waffen, wilde Rüfel

oder:


Kannst du uns nicht lieben und minnen,
Wir welken und sterben dahinnen.

oder:


So ward es uns verhießen,
So segne ich dein Haupt u. s. w.

Wem wurden gesuchte und unklare Textstellen wie die folgenden ungerügt bleiben:


Da deines Krautes Kraft,
Wie schwer er's auch errungen,
Doch deine Hoffnung trog,
Hat er auf neue Sucht sich fortgeschwungen

oder:

Wohl traf ich Wunderblumen an,
Die bis zum Haupte süchtig mich umrankten

oder:


Wer mochte dir es wehren,
Den Zaubrer zu beheereu?

Wem Derbheiten wie:


(Klingsor zu Kundry)
Sag', wo treibst du dich wieder umher?
Pfui! dort bei der Ritter Gesipp,
Wo wie ein Vieh du dich halten läßt?

oder:


(Gurnemanz zu Parsifal)
Laß du hier künftig die Schwäne in Nuh',
Und suche dir, Gänser, die Gans!'

wie welchen geistvoll schönen Worten der erste Akt schließt?

Zahlreicher aber noch als die Sünden gegen die Sprnchgesetze, sind die
gegen die Gesetze der Tonkunst. Jeder große Meister der Musik hat sich unter
Umständen Freiheiten den strengen Regeln der Harmonie, des Satzes und der Form
Legenüber gestattet; er hat wohl auch einmal die Form, wenn höhere Gesichts¬
punkte ihn dazu veranlaßten, zerbrochen. Keiner aber hat wie ein rasender Roland
mit rohen Faust- oder wilden Schwertschlägen mutwillig zertrümmert. Mag
'Rau uns beschuldigen, abgethane Dinge und veraltete Anschauungen zu ver¬
teidigen, aber gegen die ewigen Gesetze der Kunst kann man wohl in frechem
vermute sich auflehnen, geringschätzend und verächtlich über sie sich hinwegsetzen,
beseitigen wird man sie nimmermehr. Immer wieder wird man in letzter Linie
Kunstwerk nach dem Neichtume und der Mannichfaltigkeit der darin nieder¬
legten Ideen, dem Werte und der Bedeutung der dasselbe erfüllenden Ge¬
danken, der Art, wie sie geordnet und entwickelt sind und wie sie sich klar und
faßlich darstellen, beurteilen müssen. Ob ihre äußere Erscheinung eine glänzendere
oder effektvollere ist, ihre Ausführung größere oder geringere Mittel beansprucht,
euie beabsichtigte Wirkung durch eine Stimme oder deren tausende erreicht wird,


Grenzboten IV. 1882. 24
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[0189] Epilog zum L>arfifal. Hier war das Tosen, Waffen, wilde Rüfel oder: Kannst du uns nicht lieben und minnen, Wir welken und sterben dahinnen. oder: So ward es uns verhießen, So segne ich dein Haupt u. s. w. Wem wurden gesuchte und unklare Textstellen wie die folgenden ungerügt bleiben: Da deines Krautes Kraft, Wie schwer er's auch errungen, Doch deine Hoffnung trog, Hat er auf neue Sucht sich fortgeschwungen oder: Wohl traf ich Wunderblumen an, Die bis zum Haupte süchtig mich umrankten oder: Wer mochte dir es wehren, Den Zaubrer zu beheereu? Wem Derbheiten wie: (Klingsor zu Kundry) Sag', wo treibst du dich wieder umher? Pfui! dort bei der Ritter Gesipp, Wo wie ein Vieh du dich halten läßt? oder: (Gurnemanz zu Parsifal) Laß du hier künftig die Schwäne in Nuh', Und suche dir, Gänser, die Gans!' wie welchen geistvoll schönen Worten der erste Akt schließt? Zahlreicher aber noch als die Sünden gegen die Sprnchgesetze, sind die gegen die Gesetze der Tonkunst. Jeder große Meister der Musik hat sich unter Umständen Freiheiten den strengen Regeln der Harmonie, des Satzes und der Form Legenüber gestattet; er hat wohl auch einmal die Form, wenn höhere Gesichts¬ punkte ihn dazu veranlaßten, zerbrochen. Keiner aber hat wie ein rasender Roland mit rohen Faust- oder wilden Schwertschlägen mutwillig zertrümmert. Mag 'Rau uns beschuldigen, abgethane Dinge und veraltete Anschauungen zu ver¬ teidigen, aber gegen die ewigen Gesetze der Kunst kann man wohl in frechem vermute sich auflehnen, geringschätzend und verächtlich über sie sich hinwegsetzen, beseitigen wird man sie nimmermehr. Immer wieder wird man in letzter Linie Kunstwerk nach dem Neichtume und der Mannichfaltigkeit der darin nieder¬ legten Ideen, dem Werte und der Bedeutung der dasselbe erfüllenden Ge¬ danken, der Art, wie sie geordnet und entwickelt sind und wie sie sich klar und faßlich darstellen, beurteilen müssen. Ob ihre äußere Erscheinung eine glänzendere oder effektvollere ist, ihre Ausführung größere oder geringere Mittel beansprucht, euie beabsichtigte Wirkung durch eine Stimme oder deren tausende erreicht wird, Grenzboten IV. 1882. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/189>, abgerufen am 17.06.2024.